Coverstory: Darf’s ein bisserl besser verteilt sein?

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Der Sozialstaat bietet den Menschen bessere Lebensperspektiven, besonders gilt das für jene in schwierigen Lebenslagen. Damit diese Funktion weiter erfüllt wird, müssen alle etwas beitragen und das System weiterentwickeln.
Einige Bundesländer haben die Mindestsicherung, unter anderem für AsylwerberInnen, eingeschränkt. Die Familienbeihilfe für EU-BürgerInnen, deren Kinder nicht in Österreich leben, soll an die jeweiligen Lebenshaltungskosten angepasst und damit für viele Betroffene mit ohnehin geringem Einkommen reduziert werden. Ein Rechnungshof-Rohbericht kritisiert Kontrollmängel und eine Kostenexplosion bei der Mindestsicherung in Wien. Das sind nur einige der jüngsten Nachrichten aus dem Wohlfahrtsstaat Österreich.

Allein diese neuen Entwicklungen machen deutlich, dass der Sozialstaat in einem ständigen Wandel begriffen ist. Eine politische und gesellschaftliche Einigung darauf, wer Sozialleistungen erhalten soll und in welcher Höhe, ist immer heikel. Klar ist: Das Thema Bedürftigkeit spielt dabei eine wichtige Rolle. Schließlich geht es im Sozialstaat vor allem darum, wirtschaftlich benachteiligten Menschen zu einem besseren Leben zu verhelfen. Aber was ist Bedürftigkeit? Wer ist in welchem Ausmaß bedürftig? Und bedürftig wonach? Und was, wenn sich ein Teil der Gesellschaft vom System benachteiligt fühlt?

Sozialstaat mit „drei S“

Adi Buxbaum, Abteilung Sozialpolitik der Arbeiterkammer Wien, nennt die „drei S“, die jeder Sozialstaat leisten muss: „Sozialschutz in schwierigen Lebenslagen, Stabilisierungsfunktion in Krisenzeiten und Sozialinvestitionen.“ Der erste Punkt meint vor allem den Schutz bei Krankheit, im Alter, bei Arbeitslosigkeit, Invalidität oder etwa der Gründung einer Familie. S wie Stabilisierung bedeutet, dass der Sozialstaat in Krisenzeiten Konjunkturpakete schnüren, keine Leistungen kürzen, dagegen aber investieren und den privaten Konsum festigen sollte. „Österreich ist hier ein Vorzeigeland“, sagt Buxbaum und verweist etwa darauf, dass sogar während der Finanz- und Wirtschaftskrise mit der Mindestsicherung eine wichtige Sozialleistung eingeführt wurde. Mit dem dritten S, den Sozialinvestitionen, sind Aufwendungen in Bildung, Schulen, Kindergärten etc. gemeint.

Generell führen die Mechanismen des Sozialstaats zu einer Umverteilung der Einkommen. Georg Kovarik, Leiter des volkswirtschaftlichen Referats im ÖGB, verweist darauf, dass das untere Drittel der ÖsterreicherInnen über nur 14 Prozent der Brutto-Einkommen verfügt.

Werden jedoch die Einkommen aus Sozialleistungen wie zum Beispiel Arbeitslosengeld, Familienförderungen, Pflegegelder oder Gesundheitsleistungen dazu- und die Steuerzahlungen weggerechnet, so kommt das untere Drittel auf 23 Prozent der Einkommen. Auch das mittlere Drittel gewinnt, jedoch nicht so stark: Es verfügt über 27 Prozent der Brutto-Einkommen und nach der Einrechnung über 30 Prozent. Das oberste Drittel verbucht 59 Prozent der Brutto-Einkommen für sich, gibt entsprechend auch am meisten ab und landet am Ende bei 47 Prozent. Ergebnis: Das Sozialsystem sorgt für weniger Ungleichheit im Land.

Foto (C) Michael Mazohl
Sozialleistungen erhalten jene, die sich den Lebenserhalt nicht selbst verdienen können – oder sie sind an Bedingungen wie bisherige Einkünfte geknüpft. Ein alter­natives Modell wäre das bedingungslose Grundeinkommen. Die einen finden es fair: Jede/r würde denselben Betrag bekommen und könnte entscheiden, wie viel er oder sie arbeiten und dazuverdienen möchte. KritikerInnen wie Georg Kovarik halten
es für ein trojanisches Pferd, das die Abschaffung von Sozialhilfe, Mindestsicherung und anderen Sozialleistungen mit
sich bringen würde. Außerdem könnte es dazu führen, dass viele noch schlechter entlohnte Jobs annehmen als bisher.

Kein Geschenk der Reichen

Die oberen Fakten sagen aber nicht aus, dass „die Reichen“ im Sozialstaat „die Armen“ mitfüttern: Alle zahlen ins System ein und ebenso alle bekommen etwas heraus. Romana Brait, Referentin für öffentliche Haushalte in der Abteilung Wirtschaftswissenschaft der AK Wien, sagt: „Der Sozialstaat ist kein Geschenk der Reichen. Die Mitte und die ArbeitnehmerInnen finanzieren sich ihren Sozialstaat zu wesentlichen Teilen selber.“ Der Anteil der Abgaben der einzelnen Einkommensgruppen ist in Österreich weitgehend proportional zum Anteil ihrer Primäreinkommen. Zum Beispiel müssen alle, die etwas konsumieren und etwa Lebensmittel oder Kleidung kaufen, Mehrwertsteuer bezahlen. Auch ins Sozialversicherungssystem zahlt jede/r, je nach Einkommen, seinen oder ihren Beitrag ein.

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