Sonja Fercher
Chefredakteurin
Arbeit & Wirtschaft
Neu ist das nicht, denn Privatzimmer haben auch in Österreich eine lange Tradition, Kontakt zu den Einheimischen inklusive.
Die entscheidende Frage ist: Zahlen alle Beteiligten ihre Steuern? Um dies zu gewährleisten, müsste die Politik auf eine intensivere internationale Kooperation setzen. Die aktuelle Entwicklung geht aber leider in eine gegenteilige Richtung.
Die Macht der KonsumentInnen
Zurück zur Plattform: Ihre Attraktivität lag für mich zweifellos darin, dass ich für mich leistbare Unterkünfte fand.
Viele Hotels sind nämlich erstens teuer und zweitens oftmals ihren Preis wahrlich nicht wert. Und dann habe ich oft in Wohnungen übernachtet, die sich meine „hosts“ nur durch die Vermietung leisten konnten: eine Alleinerzieherin; ein alleinstehender Mann, der seinem Sohn so weiter ein Zimmer bieten konnte; eine Frau, die „das Leben in der Bude“ vermisste, nachdem ihre Kinder ausgezogen waren, weshalb sie ein Zimmer an Studierende vermietete und ein zweites an UrlauberInnen.
Dass ich auf solche AnbieterInnen stieß, liegt zweifellos an den Prioritäten, die ich bei meiner Suche setze. Das ist die Macht bzw. auch die Verantwortung von uns KonsumentInnen. Nebenbei bemerkt: Viele kommerzielle AnbieterInnen zahlen ganz selbstverständlich ihre Steuern. Im Sinne der Fairness erwarte ich mir von dieser Plattform deutlich mehr Transparenz.
Grenzenlose Online-Welt hin oder her: Es sollte selbstverständlich sein, dass Unternehmen in jenem Land Steuern bezahlen, in dem sie Einnahmen verbuchen. Immerhin profitieren sie von der Infrastruktur des jeweiligen Landes. Gerade im Tourismus ist die Verkehrsinfrastruktur wesentlich, aber von der guten Wasserversorgung über gute Nahrungsmittel bis hin zur Gesundheit: All diese Leistungen, die eine Unterkunft attraktiver machen und damit dem Anbieter Provisionen bescheren, werden von den SteuerzahlerInnen des jeweiligen Landes finanziert.
Zurück zum Thema „leistbar“: Natürlich ist es toll, wenn man möglichst wenig von seinem sauer verdienten Geld hergeben muss, um Produkte und Dienstleistungen in Anspruch nehmen zu können. Bloß verdienen auch die HerstellerInnen und AnbieterInnen ihr Geld meist sauer, nicht zuletzt sollten ihre ArbeitnehmerInnen für ihre Leistungen entsprechend bezahlt werden. Von daher ist es ein zweischneidiges Schwert, wenn alles möglichst billig sein soll.
Auf die Spitze getrieben
Vorher würde ich aber gerne noch einen Haken schlagen: Es ärgert mich maßlos, wenn Menschen mit geringen Einkommen erklärt wird, sie müssten sich halt einschränken, dann würde sich sogar Bio ausgehen. „Früher hatte man viel weniger und musste auch zurechtkommen“, heißt es dann oft. Mit „Anspruchsgesellschaft“ gibt es sogar einen Begriff, mit dem man jene verunglimpfen kann, die auch vom Wohlstand profitieren wollen, den andere völlig selbstverständlich genießen.
Um es auf die Spitze zu treiben: Ansprüche dürfen also nur jene stellen, die übers nötige Kleingeld verfügen – und diese dürfen dann darüber richten, ob die Ansprüche jener berechtigt sind, die weniger gut situiert sind als sie? Zugleich ärgert es mich mindestens genauso, wenn Menschen völlig den Bezug dazu verloren haben, wie gut es ihnen geht. Es ist also zweifellos ein Spannungsfeld, bei dem sich einfache Urteile verbieten.
Sonja Fercher
Chefredakteurin
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 1/17.
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