Am 17. Mai 1942 wurde Käthe Leichter, bis 1934 Leiterin des Referats für Frauenfragen und Gemeinwirtschaft der Arbeiterkammer für Wien und Niederösterreich, als ein Opfer der NS-Aktion 14f13 in der Tötungsanstalt Bernburg ermordet. Die Aktion 14f13 richtete sich im Rahmen des nationalsozialistischen Vernichtungsprogramms gegen nicht mehr voll arbeitsfähige, vor allem jüdische KZ-Häftlinge. Euthanasieärzte „selektierten“ die Häftlinge auch im Frauenkonzentrationslager Ravensbrück und ließen sie in den Tod transportieren.
Käthe Leichter ist, auch aus Anlass ihres 80. Todestages, immer wieder in den Medien präsent, und Arbeit&Wirtschaft, zu deren Redaktionsteam sie gehörte, knüpft manchmal auch heute noch an ihre wichtigen Denkanstöße an. Deshalb soll hier anstelle eines weiteren Würdigungsbeitrags der Bericht der überlebenden jüngeren Rosa Jochmann über die gemeinsamen letzten Monate und Tage im KZ Ravensbrück stehen. Er erzählt von Käthes Mut und darüber, was er für die anderen Häftlinge bedeutete. Er erzählt auch von der Solidarität zwischen den Frauen – alles andere als selbstverständlich unter KZ-Bedingungen.
„Käthe musste die schwerste Straßenarbeit verrichten und Ziegel auf die Schiffe auf der Havel verladen. Ihre Hände waren blutig, eiterten und waren zerrissen“, berichtete Rosa Jochmann.
„Endlich brachten wir sie von der Außenkolonne weg, sie konnte im Block bleiben und Strümpfe stricken. Das aber erlernte sie nicht, und so strickten andere für sie, und Käthe erzählte ihnen, wie die Welt ist und wie sie sein könnte, es waren lauter politische jüdische Häftlinge. Alle liebten sie und jede bemühte sich, ihr zu helfen. Ihr Schrank wurde abwechselnd aufgeräumt, die Bettkante, auch das lernte sie nie, ich auch nicht (sie musste wie die Kante einer Zigarrenkiste sein), wurde abwechselnd von den Mithäftlingen ordnungsgemäß gemacht.“
„Im Jänner 1942 kam eine Ärztekommission ins Lager, alle jüdischen Kameradinnen mussten nach vorn und ganz nackt vor der Kommission stehen. … Dreimal kamen die Lastautos im tiefen Winter, zweimal mussten sie umkehren, weil sie nicht bis zum Lager fahren konnten. … Aber dann kamen die Lastwagen durch. Am Vorabend waren Helene Potetz und ich – wie stets zuvor – die ganze Nacht bei unseren Freunden im Judenblock gewesen. Die Szene dort kann man nicht schildern. Nur Käthe blieb ruhig und ermahnte die anderen. Wir hatten durch Freunde aus dem Kleidermagazin unsere warmen Sachen herausschwindeln lassen und sie Käthe und den übrigen mitgegeben. …
Dann kam der Morgen, und da ich Blockälteste war, durfte ich auf die Lagerstraße. Helene Potetz ging auch mit. Wir gingen Hand in Hand, eine stumme Masse, wie wir schon zweimal vorher gegangen waren.“
„Niemals werde ich erfahren, ob sie wusste, dass es dem Ende zuging, sie war so gescheit, dass ich eher glaubte, dass sie zu uns barmherzig war und uns Mut zusprach und dass ihr klar gewesen sein musste, dass sie nicht heimkommen sollte. Heute noch sehe ich Käthe auf dem Lastwagen sitzen, in der bittersten Kälte, die blauen Augen auf uns gerichtet: winkend verschwand sie für immer.“