Applaus alleine wird zu wenig sein
Vielleicht erinnern Sie sich an eines der verstörendsten Videos, die zu Anfang der Corona-Pandemie viral gingen: Tennislegende Boris Becker beklatscht um Punkt 18 Uhr britischer Zeit, adrett gekleidet auf seiner Penthouse-Dachterrasse, mit exklusivem Blick über die Dächer Londons, und inmitten eines malerischen Sonnenuntergangs über der Themse, lächelnd in die klare Höhenluft hinein, das hart schuftende und COVID-geplagte Pflegepersonal. Gehört hat das außer seiner Instagram-Fangemeinde leider niemand, denn die vielgepriesenen „Held:innen der Krise“ waren gerade damit beschäftigt, Beatmungsgeräte anzuschließen, Intensivpatient:innen auf die andere Körperseite zu wenden oder vorm Ersticken zu retten. Und all das durchgehend eingepackt in Plastik-Anzüge, Latex-Handschuhe und Schutzmasken, unter denen sich Schweiß und Frust stauten. Was sie an jenem Tag, als Boris Becker applaudierte, übrigens noch nicht wussten: Der vollmundig angekündigte Corona-Bonus sollte erst knapp zwei Jahre später überhaupt Realität werden. Ein paar wenige hundert Euro für zwei Jahre Selbstaufgabe gegen ein tödliches Virus.Die Zahlen aus der Branche sind besorgniserregend: Jede:r Siebte spielt laut aktueller Erhebungen mit dem Gedanken, zu kündigen – täglich. Fast die Hälfte erwägt einen Jobwechsel. Jede:r Dritte zeigt depressive Anzeichen. Jede:r Zweite leidet unter schwerer Erschöpfung und ebenso viele unter Angstsymptomen. Die Liste ist lang, und sie ist schrecklich.
Was uns das angeht? Wir alle werden alt. Und vielleicht vorher schon krank. Und wir alle – auch Sie und ich – werden irgendwann auf Pflege angewiesen sein. Ob wir sie bekommen werden, hängt am Ende von nüchternen Zahlen ab: ob es bis 2030 knapp 80.000 neue Pflegekräfte gibt, bis 2050 sogar 100.000. Fix ist nur: Herbeiklatschen können wir sie nicht.
Wir haben in dieser Ausgabe Pflegende hautnah erzählen lassen, wie es ihnen geht. Wir haben auf den Anfang des Lebens, die Geburt, und aufs Ende geblickt, und wo es hakt. Wir sind in Pflegeheime, Spitäler, Ordinationen und Hospize gegangen und haben uns durch Studien und Budgets gewälzt. Wir haben das Problem eingefangen – und wir präsentieren Lösungen. Einzig: Verwirklichen müsste man sie halt.
In dieser Ausgabe
- Schon ein bisschen irre
Pflegekräfte aus ganz Österreich berichten - Dunkle Wolken am Horizont
Warum der Pflegenotstand droht - Warum geht uns Pflege alle an?
Die „große Frage“ beantwortet von Daniel Landau - Am Ende geht‘s ums Geld
Woran es in der Palliativpflege mangelt - Spannungsfeld Krankenhaus
Im Gespräch mit Harald Stefan - Geschäftsmodell Pflegeheim
Über die Risiken der Privatisierung - In wessen Händen liegt die Pflege Angehöriger?
Wichtige Zahlen auf einen Blick - Der Lösung so nah
Es wäre ja gar nicht so schwer – eigentlich. Denn einige gute Lösungen, um den drohenden Pflegenotstand abzuwenden, existieren seit Jahren. Christian Domke Seidel analysiert, welche Auswege es aus der Katastrophe gibt und woran die Umsetzung bis heute scheitert. - Immer eine schwere Geburt
Wie sich der Hebammenmangel in der Realität auswirkt - Von Robben und Robotern
Hier eine App, da ein Roboter, dort eine Software – auch im Pflegesektor blüht die Digitalisierung. Aber kann das Menschen und Nähe wirklich ersetzen? Christian Bunke hat sich diverse Innovationen angesehen und mit wichtigen Expert:innen gesprochen. - Von der Wiege bis zur Bahre
Ein Beitrag auf dem A&W-Blog - Trotzdem Menschen
Im Gespräch mit dem Wiener Arzt Frédéric Tömböl - Geht nicht, gibt’s nicht
Spritzer trinken, Filme schauen, Schlager hören und dazu das Lieblingsessen: Das gibt es wirklich. Eva Reisinger hat sich ins Burgenland aufgemacht, um davon zu berichten, wie Altern in Würde aussehen kann. Und wer die Menschen sind, die das täglich möglich machen. - Dauerthema faire Pflege
Ein Blick zurück in die Gewerkschaftsgeschichte - Die Hoffnung stirbt zuletzt
Das letzte Wort hat Silvia Rosoli
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