Inflation in Österreich: Energiekosten treiben Preise hoch
Das bedeutet, dass vor allem die Kosten für Heizung, Strom und Benzin massiv gestiegen sind: Diesel und Benzin um 17 Prozent, Heizöl um 21 Prozent, Elektrizität um 7 Prozent. Wirtschaftlich benachteiligten Personen droht eine nie dagewesene Energiearmut. Im April 2020 kostete ein Fass Brent-Öl noch 26,63 Dollar. Im Dezember 2021 waren es 74,80 Dollar. Also beinahe das Dreifache.
Zumal der Blick auf die Preise allein nicht reicht. Es sind Menschen, die sie bezahlen müssen. Und die leiden auch wirtschaftlich immer noch unter den Folgen der Corona-Krise, wie Rudolf Lehner, Mitarbeiter in der Abteilung Wirtschafts-, Sozial- und Gesellschaftspolitik (WSG) in der Arbeiterkammer Oberösterreich anmerkt: „Es ist zu befürchten, dass in diesem Winter ein massives Ansteigen von Energieabschaltungen bevorsteht. Die Corona-Krise ist bei vielen Haushalten noch nicht verdaut, zahlreiche Menschen haben als Folge von Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit nach wie vor finanzielle Engpässe.“
Lösungen gegen Energiearmut
Neben einem staatlichen Heizkostenzuschuss, einem Höchstpreis auf die Kilowattstunde Strom und einem Verzicht auf Energieabschaltung durch die Versorger schlägt er unter anderem eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Energiepreise vor. Alles Maßnahmen gegen die Inflation, die die EU-Kommission bereits Anfang Dezember 2021 empfohlen hatte, um die Auswirkungen der steigenden Energiepreise auf die Bürger:innen zu minimieren. In der österreichischen Politik angekommen sind diese Ideen allerdings noch nicht.
Deutschland hat eine Mehrwertsteuersenkung temporär bereits umgesetzt, erklärt auch Tobias Thomas, der Chef der Statistik Austria, was die Inflation im Nachbarland mit einem Jahr Verspätung noch mehr angeheizt habe. Deutschland hatte die zweite Jahreshälfte 2020 eine befristete Mehrwertsteuersenkung für Strom und Gas beschlossen (vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember). Die Jahresinflation im Nachbarland lag 2021 bei 3,1 Prozent.
Das Schlimmste hinter uns
Thomas gibt sich mit Blick auf die kommenden Monate optimistisch. Je mehr die Corona-Krise überwunden werde, desto mehr würden preissteigernde Effekte wegfallen. Auch sei nicht zu sehen, dass die Energiepreise weiter derart stark steigen würden. Er rechne in den kommenden Monaten mit einer gedämpften Inflationsentwicklung. Der Höhepunkt der Inflation sei erreicht.
Das wäre wichtig. Dass die Inflation in Österreich über das Jahr 2021 nur bei 2,8 Prozent lag, ist vor allem den ersten vier Monaten 2021 zu verdanken. Von Jänner bis April schwankte die Preissteigerung zwischen 0,75 und 2,0 Prozent. Vor allem am Jahresende zogen die Preise dann spürbar an. Im November und Dezember lag die Inflation bei 4,3 Prozent. Und auch der Blick auf den Miniwarenkorb bereitet Sorge. In ihm wird ein wöchentlicher Einkauf nachgebildet. Er enthält neben Nahrungsmitteln und Treibstoff auch wichtige Dienstleistungen. Im Vergleich zum Vorjahr stieg dessen Preis um 9,4 Prozent.
Eine Entwicklung, auf die auch Lehner deutlich hinweist: „Nun ‚galoppieren‘ plötzlich auch noch die in den letzten Jahren eher stabilen Energiepreise an den Rohstoffmärkten davon. Das bringt zusätzliche Sorgen gerade für Menschen mit geringem Entgelt: Wenn das verfügbare Einkommen immer weiter sinkt, dann wird es beim Bezahlen der Energierechnung eng. Essen und Trinken sind noch wichtiger als eine warme Wohnung, das ist eine tragisch-zynische Prioritätensetzung, zu der immer mehr Menschen gezwungen sind.“
Historische Wende bei der Inflation
Die Politik wird sich der Situation also annehmen müssen. Das zeigt auch der historische Vergleich. Thomas weist darauf hin, dass der Trend zu sinkenden Inflationsraten, den es seit den 1970ern gibt, beendet wäre. Tatsächlich war die Jahresinflation in Österreich zuletzt im Jahr 2011 höher als aktuell. Der Zehn-Jahres-Durchschnitt der 2010er-Jahre lag bei 1,9 Prozent, entsprach also ziemlich genau dem von der Europäischen Zentralbank angestrebten Wert von 2,0 Prozent.
Die wartet aktuell mit einer Änderung ihrer Geldpolitik ab. Das liegt auch daran, dass sie vor elf Jahren – im April 2011 – vor einer ähnlichen Situation stand. Die Inflation war hoch, getrieben von galoppierenden Energiepreisen. Damals erhöhte die EZB die Leitzinsen. Viele Expert:innen sehen darin einen Mitgrund dafür, dass damals der Aufschwung nach der Finanzkrise abflaute und letztlich direkt eine Euro-Krise folgte. Denn der Trend hat sich verschlimmert. Im Mai 2022 lag die Inflation sogar bei 8 Prozent.