Wer hat Angst vorm bösen Wolf?
Es war einmal ein Mädchen namens Rotkäppchen, doch alle riefen sie „Redcap“, das klang cooler. Als Redcap in die Schule kam, begann ihre alleinerziehende Mutter wieder zu arbeiten, vorher schaffte sie nur Teilzeit, der Vater hatte sich selten gekümmert und nie Unterhalt gezahlt. Weil die Mutter harter Lohnarbeit nachgehen musste, um das Dasein für sich und ihre Tochter zu finanzieren, war Redcap nun nachmittags oft alleine.Denn die Geschichte wollte es, dass der einstige Herrscher in ihrem Königreiche vor seinem Amtsantritt eine folgenschwere Intrige vollzog, deren Auswirkungen noch viele Jahre später für alle Untertanen zu spüren waren. Sein Vorgänger hatte nämlich eine grandiose Idee gehabt: Alle Kinder sollten das Recht auf einen Ganztagsbetreuungsplatz haben, das hätte auch den Müttern sehr geholfen. Weil die Idee so gut war, tat der damals Noch-nicht-König alles, um diesen Vorstoß zu verhindern. Und stürzte kurz darauf den Vorgänger vom Thron, auf dem er sodann selbst Platz nahm. Aus der Ganztagskinderbetreuung für alle wurde nichts.
Voller Verzweiflung bat Redcaps Mutter nun die Großmutter, einzuspringen und ihr Kind nach Unterrichtsende zu betreuen. Redcap musste leider zu Fuß zur Oma gehen, das Öffinetz im Wald war mangelhaft. Nachts buk die Mutter als Dank einen Kuchen, während sie – wie sie es jeden Abend bis tief in die Nacht tat – unbezahlt den Haushalt erledigte, Schulaufgaben korrigierte und sich um die schwerkranke Tante kümmerte. Weil sie selbst einmal klein gewesen war und sehr gut wusste, dass sich die Welt nur millimeterweise seitdem zum Besseren verändert hatte, war sie sich natürlich auch all der Gefahren bewusst, welche auf dem Weg durch den dunklen Wald lauerten.
Und nicht nur dort, sondern auch die in Redcaps Zukunft. Dass Redcaps Chancen auf eine Führungsposition oder gleichen Lohn äußerst gering waren. Dass Gewalt an Frauen und Belästigung an der Tagesordnung waren. Dass sich die Männer des Königreiches noch immer dagegenstemmten, Frauen sprachlich mitzubenennen. Dass der Wolf, das Patriarchat, sich Redcap in den Weg stellen würde, wo immer es nur ging.
Dieses Heft ist kein der Fantasie entsprungenes Fabelbuch, sondern erzählt von den realen Problemen, denen Frauen tagtäglich gegenüberstehen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann kämpfen die Frauen in diesem Land noch immer gegen das Märchen der Gleichstellung und für ihre Rechte.
In dieser Ausgabe
- Das Schicksal der Betrogenen
Wie Corona die Situation für Frauen weiter verschlimmert - Wie schaffen wir ein gutes Frauenleben für alle?
Die „große Frage“ beantwortet von Julya Rabinowich - Schluss ist mit den braven Tanten
Kindergartenpädagoginnen gehen auf die Straße - Historie: In der Hauptsache Gattin und Mutter
Die Ideologie der Nationalsozialisten fesselte Frauen fast ausschließlich an Heim, Herd und Kinder. Mitbestimmung und ökonomische Unabhängigkeit mussten hart erkämpft werden. Reste dieses faschistischen Denkens lassen sich auch heute noch finden. - Der Fehler im System
Frauen sind auf allen Ebenen unterrepräsentiert - Warum sich Gendern aufs Einkommen auswirkt
„Mitgemeint“ ist nicht „mitgesagt“ - Gender Pay Crap
Die Lohnschere zwischen den Geschlechtern im Vergleich - Jahre der Erschöpfung
Die Folgen der hohen Altersarbeitslosigkeit von Frauen - Nicht schlimm genug gibt’s nicht
Gleichbehandlungsanwältin Sandra Konstatzky im Interview - EU will mehr Lohntransparenz
Was wurde eigentlich aus den Einkommensberichten? - Reif für die Insel
Über 90 Prozent der isländischen Beschäftigten sind Gewerkschaftsmitglieder. Unser Fotograf Markus Zahradnik traf die Gewerkschaftspräsidentin Drífa Snædal in Reykjavik und sprach mit ihr darüber, wie Island Vorbild für Geschlechtegerechtigkeit sein kann. - Alle zwei Wochen eine tote Frau
Über die erschreckend hohe Zahl an Frauenmorden in Österreich - Keine Arbeitslosen mehr in Marienthal
Ein Projekt gibt Langzeitarbeitslosen wieder Perspektiven - Klischee Ade!
Immer mehr Frauen machen eine Lehre in typischen Männerdomänen. Unser Reporter Johannes Greß hat zwei junge Frauen bei ihrer Arbeit begleitet – die Recherche für seinen Text war staubig, bestimmt schweißtreibend, aber vor allem positiv überraschend. - Mutige Frauenpolitik? Fehlanzeige
Das letzte Wort hat Karin Zimmermann
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