Auf ins Trockene

Ausgabe August 2021: Seit Monaten wird der Sozialstaat herausgefordert und angegriffen. Warum es jetzt Wachsamkeit, Beharrlichkeit und neue Ideen braucht, wenn wir ihn bewahren wollen.

Vom Vogel, der das Glück hält und den Aufbruch mahnt

Wussten Sie, welche symbolische Bedeutung der Kranich hat? Schon die griechische Mythologie kannte ihn, er galt dort als Symbol der Wachsamkeit und Klugheit, man nannte ihn auch den „Vogel des Glücks“. Und auch in Japan besitzt er seit jeher einen tieferen Sinn: Er steht für das gute Leben, für Langlebigkeit, für den Frieden. Bis heute schenken sich die Menschen gefaltete Kraniche als Glücksbringer zu besonderen Anlässen.

Diese Tiere leben in einer Gemeinschaft. Sobald Frühling oder Herbst einkehren, machen sie sich als Zugschwarm auf – oft zu Tausenden in einer Gruppe. Dabei achten sie aufeinander und beschützen sich gegenseitig. Wenn sie durch die Lüfte gleiten, bilden sie eine spezielle Formation, eine Art Keil, wie ein Pfeil. So können sie den Windschatten ihrer Artgenossen nutzen, das spart Ressourcen. Sie wissen genau, in welche Richtung sie müssen.

Ein Kranich aus Papier ziert unser aktuelles Cover – als Metapher für den Sozialstaat. Denn auch der steht für ein gutes Leben für alle, er garantiert soziale Sicherheit und Gerechtigkeit, er nimmt Rücksicht auf die Schwächeren und steht denen zur Seite, die Unterstützung brauchen. Zumindest in der Theorie. Denn der Sozialstaat ist kein Selbstläufer und nicht selbstverständlich. Was zum Beispiel passiert, wenn man ihn bedroht, davon berichtet unsere Coverstory. Sie fasst zusammen, in welcher Wucht erst Türkis-Blau, dann Türkis-Grün an seinen Festen gesägt haben bzw. gerade sägen.

Dass der Sozialstaat aber mehr ist als ein bloßer Rettungsanker für den Notfall, diskutieren Ex-Sozialministerin Lore Hostasch und Sozialökonomin Karin Heitzmann. Und auch sonst klappern wir in dieser Ausgabe sämtliche Baustellen ab, die den Sozialstaat ausmachen und auf die jetzt geachtet werden muss: das Recht auf Wohnen – auch für Obdachlose, die eklatante Frauenarmut im Alter, Missstände in der Pflege oder die Zustände in besonders prekären Branchen wie der Reinigung. Dafür hat unsere Autorin Alexia Weiss mit zahlreichen Betroffenen gesprochen – die Recherche war nicht einfach, denn die wenigsten wollten offen darüber reden. Doch genau das ist wichtig, wenn wir den Kranich ins Trockene bringen wollen: offene Worte.

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