Die Anforderungen der Betriebsratsarbeit waren Käthe Leichter schon vor ihrer eigenen Kandidatur keineswegs fremd. Sie unterstützte die noch kleine Schar an weiblichen Betriebsratsmitgliedern, seit sie 1925 als Frauenreferentin in das AK-Büro gekommen war, mit der Vermittlung von Wissen und Information – und vor allem, indem sie ihnen Mut machte und ihnen den Rücken stärkte. Sie wurde dabei auch nicht müde, mit Leidenschaft auf die Unverzichtbarkeit von Gewerkschaftsengagement für die betriebliche Interessenvertretung hinzuweisen.
Die „Frau Doktor“
Die junge Metallarbeiterin Rudolfine Muhr berichtete über eine solche prägende Begegnung nach anfänglichen Vorbehalten: „Was weiß die Frau Doktor um die Sorgen einer Metallarbeiterin? … Und dann kam die große Überraschung. Ja, Käthe Leichter wusste um unser Leben … Diese ‚Frau Doktor‘ hatte es nur zu gut verstanden, in uns alles aufzuwühlen … Sie hatte den Arbeiterinnen erklärt, dass nur durch die Stärkung der Gewerkschaften die Voraussetzung für eine Besserstellung der arbeitenden Frauen zu erreichen sei. Sie stellte an die Betriebsrätinnen die Frage, ob diese bereit wären, die Frauen gewerkschaftlich zu erfassen. … Und ob wir wollten. Die Flamme der Begeisterung für diese Aufgabe schlug hoch.“
Die Frage, wie Betriebsdemokratie in einer kapitalistischen Marktwirtschaft gestaltet und durchgesetzt werden kann, begleitete Käthe Leichter, seit sie 1919 in der „Staatskommission für Sozialisierung“ an der Vorbereitung des Betriebsrätegesetzes mitgearbeitet hatte. Die „Sozialisierungskommission“ sollte in der Zeit der Republiksgründung nach dem Ersten Weltkrieg Modelle für die Führung von Unternehmen in öffentlichem Eigentum unter Beteiligung aller Betroffenen ausarbeiten, besonders auch der Konsument*innen und der Arbeitnehmer*innen. Die erste Voraussetzung dafür war das Recht auf Interessenvertretung und Mitbestimmung bei wichtigen Managemententscheidungen. Das Experiment wurde unter den rechts-konservativen Regierungskoalitionen ab 1920 gestoppt, aber das Betriebsrätegesetz konnte unter demokratischen Bedingungen nicht mehr zurückgenommen werden.
Die Wächter
Allerdings konnten die als Voraussetzung für wirtschaftliche Mitbestimmung eingeführten Betriebsratsrechte, etwa das Recht auf Bilanzeinsicht, unter den tatsächlichen Machtverhältnissen kaum durchgesetzt werden. Käthe Leichter sah schon früh voraus, dass in Privatunternehmen „einer wirklichen Mitverwaltung durch die Betriebsräte sehr bald enge Grenzen gezogen sein werden“. Sie warnte vor Illusionen, denn man musste „von vornherein darauf gefasst sein, dass die Betriebsdemokratie im kapitalistischen Betrieb nur in sehr beschränktem Maß verwirklichbar“ war. Für umso wichtiger hielt sie es, die gewerkschaftlichen Funktionen der Betriebsräte zu stärken – als Wächter über das Einhalten von Kollektivverträgen bis zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen.