CO2-Steuer: Nicht ohne doppelten Boden

Eine CO2-Steuer soll die Erreichung der Klimaziele unterstützen. Über die Details gibt es noch wenig Informationen. Aus Sicht von AK und ÖGB ist jedenfalls klar, dass es eine soziale Abfederung braucht, damit kleine und mittlere Einkommen nicht zu den Verlierern werden.
Die Regierung will zur Erreichung der Klimaziele eine CO2-Steuer einführen, die sich am Vorbild Deutschlands orientieren könnte: Dort gibt es seit Anfang des Jahres eine CO2-Steuer von 25 Euro pro Tonne. Bis 2030 soll sie auf rund 60 Euro ansteigen. Doch was heißt das aus sozialer Sicht? Schließlich ist eine „ökosoziale“ Steuerreform in aller Munde. ÖGB-Volkswirt Ernst Tüchler sagt: „Steuern haben immer auch soziale Auswirkungen. Eine CO2-Besteuerung heißt, dass die Kosten für Treibstoffe und Wohnen steigen würden, und zwar sofort und ziemlich fest.“ Absolut am stärksten betroffen wären Besserverdiener*innen, weil sie mehr CO2 emittieren. Bei kleinen und mittleren Einkommen fallen die Kosten aber stärker ins Gewicht: Schließlich muss jede Wohnung beheizt werden, und wer in Gebieten mit schlechter Öffi-Anbindung lebt, ist auf den Pkw angewiesen.

Steuern haben immer auch soziale Auswirkungen. Eine CO2-Besteuerung heißt, dass die Kosten für Treibstoffe und Wohnen steigen würden, und zwar sofort und ziemlich fest.

Ernst Tüchler, ÖGB

„Die soziale Ungleichheit darf durch eine ökologische Steuerreform nicht verstärkt werden“, meint Tüchler. „Daher braucht es Ausgleichsmaßnahmen, die den Schwächsten helfen.“ Dominik Bernhofer, Steuerexperte der AK Wien, fügt hinzu: „Eine CO2-Bepreisung muss sozial gerecht sein. Die ökosoziale Steuerreform darf keine Umverteilung von unten nach oben werden.“ Daher müsse eine CO2-Steuer in ein breites Maßnahmenpaket eingebaut werden, das etwa Investitionen in den öffentlichen Verkehr, thermische Sanierung, ordnungspolitische Regelungen und vor allem eine finanzielle Rückerstattung der Steuereinnahmen an die Haushalte enthält: „Wichtig ist, dass man die Rückerstattung der Einnahmen und die Investitionen nicht gegeneinander ausspielt. Wenn man die Investitionen aus den Steuereinnahmen finanziert und die Rückerstattung kürzt, leidet die Verteilungsgerechtigkeit: Das ist der Fehler, den Deutschland gemacht hat.“

Private auch betroffen

Eine CO2-Steuer würde private Haushalte über höhere Heiz- und Spritkosten zum einen direkt treffen. Zum anderen wären Konsument*innen indirekt betroffen, weil Unternehmen ihre Mehrkosten durch die CO2-Steuer an sie weitergeben würden. Bernhofer rechnet hier mit bis zu 30 Prozent Zusatzkosten für Private: „Es ist klar, dass das an die privaten Haushalte zurückerstattet werden muss.“ Einige Gesellschaftsgruppen wären internen Berechnungen von AK und ÖGB zufolge besonders von einer CO2-Steuer betroffen, darunter vor allem Pendler*innen sowie Haushalte in unsanierten Wohnungen mit Öl- und Gasheizungen. Doch wie kann ein Ausgleich aussehen, der eine weitere Spreizung der Einkommensverteilung verhindern würde? Hier ist Vorsicht geboten.

Eine Möglichkeit der Rückvergütung der Einnahmen durch die CO2-Steuer wäre ein Öko-Bonus, der pauschal pro Kopf ausbezahlt würde – von einem solchen war im August 2019 in einer parlamentarischen Anfragebeantwortung durch den Budgetdienst die Rede. Die Anfrage betraf die Auswirkungen einer CO2-Steuer auf Haushalte. In der Beantwortung hieß es: „Eine Einführung der CO2-Steuer ohne adäquate Rückverteilung der Mehreinnahmen hat eine regressive Wirkung, weil Haushalte mit niedrigen Einkommen einen höheren Anteil ihres Einkommens dafür aufwenden müssen.“ Dem Budgetdienst zufolge würde dagegen eine CO2-Steuer in Verbindung mit einem solchen Bonus die Ungleichheit in der Verteilung der verfügbaren Einkommen reduzieren.

Kompensation wirkt individuell

Inwiefern würde eine Pro-Kopf-Pauschale die Mehrkosten der Haushalte kompensieren? Das ist sehr individuell. Wer etwa in einer Stadt mit gutem Öffi-Netz und in einer Neubauwohnung mit Fernwärme lebt, profitiert eher von einem solchen System als jemand, der am Land in einem alten unsanierten Haus wohnt und auf ein eigenes Auto angewiesen ist. Auch der Familienstatus spielt eine Rolle, weil sich etwa die Kosten in einer Partnerschaft im Gegensatz zu Alleinlebenden und Alleinerziehenden besser aufteilen. Dominik Bernhofer sagt: „Die Berechnungen des Budgetdienstes zeigen, dass selbst mit einem Öko-Bonus bis zu 30 Prozent der Klein- und Mittelverdiener*innen netto verlieren.“ Der Öko-Bonus allein reiche daher nicht: „Wenn man eine CO2-Steuer vernünftig abfedern will, muss man mit der Idee der Aufkommensneutralität brechen und für besonders betroffene Gruppen Entlastungsmaßnahmen oben drauflegen.“ Als Beispiel nennt Bernhofer eine Mindestpensionistin mit Ölheizung in einem unsanierten Haus, die ohne zusätzliche Unterstützung nicht in ein energieeffizientes Heizsystem und andere Sanierungsmaßnahmen investieren kann. Auch Mieter*innen betrifft das Thema: Sie sind darauf angewiesen, dass ihr Vermieter in die thermische Sanierung investiert – dazu müssen laut Bernhofer die Anreize der CO2-Steuer bei den Richtigen ankommen.

Wenn man eine CO2-Steuer vernünftig abfedern will, muss man mit der Idee der Aufkommensneutralität brechen und für besonders betroffene Gruppen Entlastungsmaßnahmen oben drauflegen.

Dominik Bernhofer, Arbeiterkammer Wien

Als eine Idee des Ausgleichs steht seitens einiger Ökonom*innen im Raum, die Sozialversicherungsbeiträge zu reduzieren – für AK und ÖGB undenkbar. Bernhofer: „Die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge würde bedeuten: Je höher das Einkommen, desto höher die absolute Entlastung. Das wäre die ineffizienteste Lösung zur Entlastung von kleinen und mittleren Einkommen.“ Außerdem wären Nicht-Erwerbstätige, zum Beispiel Arbeitslose, von der Maßnahme ausgeschlossen. Ernst Tüchler nennt ein weiteres Argument: „Wenn ich die Sozialversicherungsbeiträge senke, würde an dieser Stelle das Geld fehlen, und es wären zum Beispiel bei der Krankenversicherung Leistungskürzungen zu befürchten. Das wäre eine verteilungspolitische Bombe und ein absolutes No-Go.“ Das Argument, die Einnahmenausfälle bei der Sozialversicherung mit Geld aus dem Steuertopf zu ersetzen, klingt laut Dominik Bernhofer nur theoretisch gut: „Das würde die Versicherten vom Finanzminister abhängig machen – und das kann nicht sozial sein.“ Man müsse auch bedenken, dass die Einnahmen aus der CO2-Steuer mit den CO2-Emissionen sinken sollen. Dann bliebe die Sozialversicherung auf den Kosten sitzen.

Für Ernst Tüchler ist die CO2-Steuer nur ein Puzzlestein, um die wirtschaftliche Transformation zu meistern. Er weist etwa auf den massiven Umbruch in der für Österreich wichtigen Kfz-Komponenten-Branche hin: „Es ist ein Gesamtplan nötig. Die ökosoziale Steuerreform ist nur eine Komponente auf dem Weg zur Klimaneutralität.“

Über den/die Autor:in

Alexandra Rotter

Alexandra Rotter hat Kunstgeschichte in Wien und Lausanne studiert. Sie arbeitet als freie Journalistin in Wien und schreibt vor allem über Wirtschaft, Gesellschaft, Technologie und Zukunft.

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