Viele stecken Teile ihres Gewinns in soziale Bereiche. Und seien es nur ihre eigenen. Ein Trost für die Hedgefonds: „Ihr Geld ist nicht weg, mein Freund, es hat nur ein anderer.“ Neoliberale pflegen sich bei diesem Zitat zuzuzwinkern (es wird Amschel Meyer Rothschild zugeschrieben und soll aus dem 18. Jahrhundert stammen). Geht es nach den Kleininvestoren, ist deren Zeit jetzt vorbei. Sie sehen in der Börsenjagd auf Hedgefonds ein Zeichen dafür, dass sich der Markt gerade ändert. Dass er nachhaltiger wird. Menschenfreundlicher.
Der Green Deal ist eine Wachstumsstrategie, die „darauf abzielt, dass Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent wird, dass der Ressourcenverbrauch vom Wachstum abgekoppelt wird und es einen sozial gerechten Übergang zur Klimaneutralität gibt.
Norbert Templ, AK Wien
An nicht weniger arbeitet auch die Europäische Union mit dem Green Deal. Eine Wachstumsstrategie, die „darauf abzielt, dass Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent wird, dass der Ressourcenverbrauch vom Wachstum abgekoppelt wird und es einen sozial gerechten Übergang zur Klimaneutralität gibt“, erklärt Norbert Templ. Er ist Referent in der Abteilung EU und Internationales der Arbeiterkammer Wien.
Der Green Deal soll dazu führen, dass sich die Europäische Union aus der Corona-Krise heraus investiert; sich also am eigenen Schopf aus dem Krisensumpf zieht. Das Entscheidende dabei ist jedoch, dass die Wirtschaft aller Länder neue Wege beschreiten muss. Es darf nicht darum gehen, den Status wieder zu erreichen, der vor der Krise geherrscht hat. Vielmehr soll die Wirtschaft neu gedacht werden.
Nicht zurück zum alten Status quo
Denn im Schatten der Pandemie vergessen viele, welche Probleme es 2019 noch gab. Die bringt Ernst Tüchler, stellvertretender Leiter des Volkswirtschaftlichen Referats im Österreichischen Gewerkschaftsbund, auf den Punkt: „Wir hatten 2019, in der zweiten Jahreshälfte, einen sehr starken Wirtschaftsabschwung. Die Wachstumsprognosen tendierten gegen null, und die Arbeitslosenzahlen wurden nach oben korrigiert. Wenn wir zu so einem Konzept wie vor der Krise zurückgreifen, dann sind wir in kürzester Zeit wieder dort. Die Zyklen von Auf- und Abschwung sind viel schärfer, als sie vor zwanzig oder dreißig Jahren waren.“
Wir hatten 2019, in der zweiten Jahreshälfte, einen sehr starken Wirtschaftsabschwung. Die Wachstumsprognosen tendierten gegen null, und die Arbeitslosenzahlen wurden nach oben korrigiert. Wenn wir zu so einem Konzept wie vor der Krise zurückgreifen, dann sind wir in kürzester Zeit wieder dort.
Ernst Tüchler, ÖGB
Und auch das Problem der Arbeitslosigkeit wird heruntergespielt. Aktuell gibt es in Österreich 500.000 arbeitssuchende Menschen. Eine Million Menschen seien im Jahr 2020 außerdem von Arbeitslosigkeit betroffen gewesen, erklärt Ilse Leidl-Krapfenbauer, Referentin für Arbeitsmarktpolitik in der Abteilung Arbeitsmarkt und Integration der Arbeiterkammer Wien. Betroffen, das bedeutet, dass sie im abgelaufenen Jahr mindestens einen Tag arbeitslos waren.
Doch so dramatisch diese Zahl ist und so schlimm die einzelnen Schicksale dahinter sind, muss sie im Vorjahresvergleich gesehen werden: „Schon vor der Corona-Krise gab es fast 900.000 Betroffene von Arbeitslosigkeit in einem Jahr. Jetzt sind es mehr als eine Million Menschen. Für viele Menschen gehört eine gewisse Phase an Arbeitslosigkeit leider zum Erwerbsverlauf dazu.“ Die aktuelle Statistik wird dadurch zwar nicht besser, diese Zahl macht aber deutlich, wie sinnlos es wäre, zum alten Status quo zurückkehren zu wollen.
Wir haben eine Langzeitbeschäftigungslosigkeit, die stark wächst. Das bereitet uns Sorgen.
Ilse Leidl-Krapfenbauer, AK Wien
Dazu hat die Corona-Pandemie systemimmanente Brandherde aufgezeigt. Einer davon ist die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. „Wir hatten bei der Zahl erwerbsarbeitsloser Frauen im Februar 2021 einen Anstieg um 40,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Bei den Männern waren es 24,6 Prozent“, rechnet Leidl-Krapfenbauer vor.
Und das, obwohl es Frauen sind, die in den Berufen arbeiten, die als systemrelevant vom Balkon aus beklatscht wurden. Wenn schon sonst für nichts, so war die Geste zumindest für eine Sache gut: „Ich habe den Eindruck, dass vielen Frauen hier erstmals bewusst geworden ist, welche bedeutende Rolle sie hier überhaupt haben“, beschreibt Ingrid Moritz die Situation. Sie ist Leiterin der Abteilung Frauen und Familie der Arbeiterkammer Wien.
Jenseits des Balkonklatschens ist dann auch tatsächlich nichts passiert, wie Moritz konsterniert feststellt: „Bei der Bezahlung hat sich nichts getan. Bei den Arbeitsbedingungen – die sind vor allem in der Pflege ein riesiges Thema – hat sich nichts getan. In der Reinigung – dort sind Randarbeitszeiten ein Problem – hat sich nichts getan. Es gab Anerkennung. Das war aber nur Lob und kein echtes Honorieren.“
Klischeerollen
Was aber passierte, war eine Re-Traditionalisierung der Arbeitsteilung. Die Frauen blieben in der Pandemie verstärkt zu Hause, um sich um Kinder, Angehörige und Haushalt zu kümmern. Selbst das Weltwirtschaftsforum (WEF) schlug Alarm. Die Gleichberechtigung der Frauen sei um Jahrzehnte zurückgeworfen worden. Das WEF macht die Entwicklung am Beispiel Deutschlands fest. Hätten sich alle Statistiken zum Thema Gleichberechtigung so weiterentwickelt wie bis zum Jahr 2019, hätte Deutschland noch 95 Jahre bis zur vollkommenen Gleichstellung gebraucht. Jetzt geht das WEF von 136 Jahren aus.
Dieser Tiefpunkt liefert aber die perfekte Antwort darauf, wie sich Europa im Allgemeinen und Österreich im Speziellen aus der Krise herausfinanzieren können. Denn für das Problem fehlender Gleichstellung zwischen Mann und Frau gibt es Lösungsansätze. Zumindest die ersten Schritte wären leicht. Moritz zeichnet sie vor: „Wichtig ist, dass das Problem der Kinderbetreuung und Elementarbildung gelöst wird. Betreuungsprobleme sind eine Barriere für Frauen am Arbeitsmarkt. Investitionen an dieser Stelle rentieren sich. Sie schaffen 27.000 Arbeitsplätze direkt in der Kinderbetreuung.“
Aber gibt Österreich in diesem Bereich nicht ohnehin schon viel Geld aus? – Nein. Im Gegenteil. „Es gibt eine Erklärung der Sozialpartner und Interessenvertretungen, dass man bei den Ausgaben auf den EU-Schnitt von einem Prozent des BIP für Elementarbildung aufschließen möchte. Im Moment sind es 0,64 Prozent. Bis jetzt ist da aber noch nichts in der Richtung getan worden.“
Mit Betonung auf „bis jetzt“. Denn die Europäische Union hat den Green Deal beschlossen. „Herzstück des Konjunkturpakets ist die Aufbau- und Resilienzfazilität in Höhe von 672 Milliarden Euro. Von diesen 672 Milliarden Euro sind 312 Milliarden Zuschüsse und 360 Milliarden Darlehen. Österreich bekommt über drei Milliarden an Zuschüssen“, rechnet Norbert Templ vor.
Doch das Geld gibt es nicht geschenkt, gibt Frank Ey, Referent in der Abteilung EU und Internationales der Arbeiterkammer Wien, zu bedenken: „Vorbedingung für das Abrufen der Gelder ist unter anderem, dass man Investitionen tätigt, die dem Green Deal entsprechen. Generell soll man Projekte für intelligentes, nachhaltiges Wachstum vorschlagen, darunter insbesondere in die Digitalisierung und Maßnahmen für die nächste Generation.“
Die Bundesregierung muss diese Projekte einreichen, die EU-Kommission genehmigt sie dann. Für die Einreichung gibt es eine Deadline: Freitag, den 30. April 2021. Sind die Papiere bis dahin nicht in Brüssel, gibt es kein Geld. Erst am 14. April wurde bekanntgegeben, dass Österreich eingereicht hat. Ohne breite Debatte über die angestrebten Projekte, wie es in anderen Ländern der Fall war. Ärgerlich. Denn das Konzept kann auch abgelehnt werden. Wenn die Projekte nicht den Nachhaltigkeitsrichtlinien entsprechen.
Oder wenn es sich um Projekte handelt, die ohnehin schon im Budget eingeplant waren. „Wenn ein Programm nur aus Umschichtungen besteht, läuft die Fazilität ins Leere“, erklärt Templ. Zudem ist es nicht erlaubt, dass Nationalstaaten aus der Aufbau- und Resilienzfazilität ihren Haushalt ausgleichen.
EU-Recht und Haushaltsplanung sind kompliziert. Deswegen bat die Bundesregierung um Vorschläge, wie das Geld verwendet werden könnte. Die Arbeiterkammer übermittelte ein Papier, in dem sie fünf Offensiven vorstellt, mit denen sich Österreich aus der Krise investieren kann:
- Offensive Arbeitsmarkt, Bildung und Digitalisierung
- Offensive soziale Dienstleistungen für mehr Lebensqualität
- Offensive Armutsbekämpfung
- Offensive ökologischer Wandel
- Offensive klimagerechte Städte und Gemeinden
Wichtige Punkte darin sind beispielsweise Initiativen für junge Menschen auf dem Arbeitsmarkt und Langzeitarbeitslose. Zwei Gruppen, zu deren Problemen der Bundesregierung bislang keine Lösung eingefallen ist. Leidl-Krapfenbauer: „Wir haben eine Langzeitbeschäftigungslosigkeit, die stark wächst. Das bereitet uns Sorgen. Bei den Menschen, die über zwölf Monate arbeitslos sind, haben wir eine Steigerung von über 44 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Es sind fast 141.000 Menschen, die davon betroffen sind.“
Immer mehr Langzeitarbeitslose
Und weiter: „Besorgniserregend ist, dass junge Erwachsene einen immer stärkeren Anteil an den Langzeitbeschäftigungslosen ausmachen. Im Vergleich zum Vorjahr gibt es da einen Anstieg um 70 Prozent.“ Dabei gäbe es bereits Lösungen. Ein Recht auf Ausbildung beispielsweise.
Eine zusätzliche Maßnahme soll sein, wenn es nach den Wünschen der Arbeiterkammer geht, einen Fokus auf die Situation von Frauen am Arbeitsmarkt zu richten. Im Bereich der sozialen Dienstleistungen soll vor allem in Kinderbetreuung und Pflege investiert werden. Im Zusammenhang mit dem Green Deal ist selbstverständlich die „Offensive ökologischer Wandel“ ein zentraler Baustein. In den Bereichen Energie, Verkehr und Wohnen sollen große Schritte zur Klimaneutralität gemacht werden. Ein Ziel, das sich Österreich für das Jahr 2040 gesetzt hat. Europa möchte zehn Jahre später so weit sein – dank des Green Deals. Eine Reaktion auf dieses ausgearbeitete Konzept blieb bislang aus.
Unsere Zulieferindustrie ist nach wie vor auf den Verbrennungsmotor ausgerichtet. Der hat aber ein Ablaufdatum.
Der ökologische Umbau kann für arbeitende Menschen nicht reibungsfrei funktionieren. Viele Jobs in Österreich hängen an Industrien mit hohem CO2-Ausstoß. Templ: „Unsere Zulieferindustrie ist nach wie vor auf den Verbrennungsmotor ausgerichtet. Der hat aber ein Ablaufdatum. Die großen Konzerne in Deutschland steigen alle mittelfristig aus. Österreich muss auch etwas tun in diesem Bereich. Es ist nötig, Menschen aus- und weiterzubilden für Branchen, in denen sie dann eine Perspektive haben.“ Diese Weiterbildung und die Schaffung von Perspektiven sind im Green Deal ein zentraler Aspekt.
Die Europapolitik Österreichs könnte für die heimische Wirtschaft jedoch zur Achillesferse werden und den nachhaltigen Wandel zumindest erschweren.
Zum einen gibt es etwas, das Konservative als einen Geburtsfehler des üppigen Corona-Hilfsfonds bezeichnen könnten. Die EU-Kommission nimmt im Namen der Union Kredite am Finanzmarkt auf. Sie betreibt also eine gemeinsame Fiskalpolitik. Für viele konservative bis rechte Politiker ist das ein rotes Tuch. Vor allem für Bernd Lucke. Der Gründer der AfD, der rechten Partei „Alternative für Deutschland“, hat per Eilantrag am Deutschen Bundesverfassungsgericht Ende März 2021 die Gesetzesunterzeichnung zumindest aufgeschoben. Das Ziel von Lucke ist, dass die Mitgliedsstaaten der EU weiterhin einzeln – und damit zu höheren Zinsen – Kredite aufnehmen. Der deutsche Rechtsaußen setzt damit die Europapolitik der ÖVP um.
Sparmaßnahmen drohen
Zum anderen ist jetzt schon sicher, dass in Österreich statt einer Investitionspolitik bald wieder Sparmaßnahmen kommen werden – trotz Green Deal, trotz Aufbau- und Resilienzfazilität und Milliardenhilfen aus Brüssel. So hebt Ey hervor: „Österreich ist nach wie vor auf der Linie der ,Frugal Four‘. Finanzminister Blümel hat erst vor Kurzem gesagt, wir müssen sobald wie möglich zum Stabilitätspakt zurückkehren.“
Eine Ankündigung, mit der vor allem Tüchler knallhart abrechnet. „Es gibt ein konservatives Konzept, das unter dem Slogan ‚Strukturreformen weiter vorantreiben‘ läuft. Darin geht es darum, die Verpflichtung der Arbeitgeberseite zur Mitfinanzierung des Sozialsystems weiter auszuhöhlen.“ Dass die „Strukturreform“ nur eine Wortblase ist, die des Pudels Kern verschleiern soll, ist unter den Expert*innen unbestritten.
Umverteilung
Auch für Moritz ist klar, dass unter der jetzigen Regierung nach der Krise aller Voraussicht nach dort gespart werden wird, wo eigentlich investiert werden müsste: „Wenn die Einnahmen nicht mehr werden – und in einer wirtschaftlich schwierigen Situation werden auch die Staatseinnahmen nicht wachsen – muss man mutige Schritte in Richtung Umverteilung gehen. Sonst ist die logische Folge, dass genau für den Care-Sektor die Finanzierung fehlt.“
Eine Einschätzung, die auch Ey teilt: „Nach der Pandemie wird die Regierung sagen, sie habe sehr viel für Staatshilfen ausgegeben, habe hohe Schulden und müsse jetzt sparen. Das ist unsere Befürchtung, dass dann wieder Sozialausgaben gekürzt werden.“
Jetzt werden zahlreiche Unternehmenmit Staatshilfen gefüttert. Dass die sich später nicht beteiligen,wäre nicht nachvollziehbar.
Frank Ey, AK Wien
Ein Land aus der Krise zu investieren ist natürlich teuer. Dass es geht, hat aber ausgerechnet Österreich eindrucksvoll bewiesen. In der Corona-Pandemie hat die Bundesregierung doppelt so viel Staatshilfen ausbezahlt wie der Durchschnitt der Eurozonen-Länder. Ohne dass diese Mehrausgaben bei der Bekämpfung von Armut oder Arbeitslosigkeit einen sichtbaren Effekt gehabt hätten.
Oder in den Worten von Leidl-Krapfenbauer: „Die österreichische Politik hat den Fehler gemacht, einen hohen Anteil an Förderungen nach dem Gießkannenprinzip auszuschütten. Die Förderungen waren zu wenig zielgerichtet. Jetzt haben wir die Situation, dass einige Firmen, die Staatshilfen und Kurzarbeitsgeld erhalten haben, Boni und Dividenden ausschütten.“
Ey sieht in diesem Verhalten eine Wiederholung der letzten globalen Krise und betont, dass die Fehler, die damals gemacht wurden, sich nicht wiederholen dürfen. „Jetzt werden zahlreiche Unternehmen mit Staatshilfen gefüttert. Dass die sich später nicht beteiligen, wäre nicht nachvollziehbar. Nicht, wie es bei der Finanzkrise 2009 war. Damals hat vor allem die Bevölkerung bezahlt. Nicht die Bankkonzerne. Das sollte sich nicht wiederholen.“
Auch hier sind sich alle Expert*innen wieder einig. Auch Tüchler vom ÖGB betont: „Unser Land ist in einer ganz diffizilen Lage. Die industrielle Produktion hängt stark von der Wertschöpfungskette der deutschen Konzerne ab. Zusätzlich müssen Digitalisierung, KI-Einsatz und Strukturwandel beschleunigt werden. Die maßgeblichen Betriebe, die all das betrifft, entziehen sich der Diskussion und Verantwortung.“Jetzt werden zahlreiche Unternehmen mit Staatshilfen gefüttert. Dass die sich später nicht beteiligen, wäre nicht nachvollziehbar. Nicht, wie es bei der Finanzkrise 2009 war. Damals hat vor allem die Bevölkerung bezahlt. Nicht die Bankkonzerne. Das sollte sich nicht wiederholen.
Einfluss der Lobbys
Dass es so weit kommen konnte, ist für Ey allerdings kein Wunder. Er betont, dass gerade in Zeiten eines Green Deals die Lobbyarbeit stark zugenommen habe. Vor allem bei den Firmen, die fossile Energieträger massiv nutzen würden. Sogenannte Expert*innengruppen würden Politiker*innen bei der Gesetzgebung beraten. Ey weiter: „Ich habe einige dieser Expert*innengruppen analysiert. Bei einer dieser Gruppen kommen beispielsweise von rund 30 Mitgliedern 25 von Konzernen aus der Auto- oder der Zementindustrie beziehungsweise aus anderen Sektoren mit hohem CO2-Ausstoß.“
Den Lobbyisten gehe es – neben offensichtlich monetären Interessen – vor allem darum, Zeit zu schinden, erklärt Templ. Aber: „Ohne Beteiligung der Vermögenden wird es nicht gehen, das Gesamtpaket zu finanzieren.“ Denn mit Blick auf die EU-Mittel gelte: „Sie reichen nicht, das sage ich klipp und klar.“
Es geht nur gemeinsam
Doch genau das kann für alle – Österreich und andere europäische Länder – zu einer Chance werden. Zum ersten Mal sitzen bei der Bewältigung einer Krise alle im gleichen Boot. Corona-, Wirtschafts- und Umweltkrise betreffen alle gleichermaßen und können deswegen auch nur gemeinsam gelöst werden. Tüchler fasst es so zusammen: „Allein wird es niemand schaffen, den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Das geht nur gemeinsam. Und in Krisenzeiten sind das traditionellerweise Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber gemeinsam.“
Nicht nur die Arbeiterkammer, sondern auch der ÖGB ist deswegen auf die Bundesregierung zugegangen und hat proaktiv ein Arbeitspapier mit 15 Vorschlägen abgegeben, wie es Österreich gelingen könnte, sich aus der Krise heraus zu investieren. Auch hier spielt die gezielte Qualifizierung von Arbeitssuchenden, aber auch von Beschäftigten eine wichtige Rolle. Auch die Forderung nach einer Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent Nettoersatzrate und nach Investitionen ins Gesundheits- und Pflegesystem haben die Papiere gemein.
Vielleicht lernen Staaten von den Kleininvestoren an der Börse. Ein Wandel zu mehr Nachhaltigkeit ist möglich und lohnt sich.
Fünf gute Investitionen für die Zukunft
- 4-Tage-Woche: Modellprojekte zeigen, dass eine derart verkürzte Arbeitszeit Produktivität, Gewinne und Wohlbefinden der Angestellten steigert. In den Kollektivverträgen für den Handel, das Metallgewerbe und das Baugewerbe konnte die 4-Tage-Woche bereits erfolgreich durchgesetzt werden.
- Pflegestiftung: In der Pflege fehlen bis ins Jahr 2030 rund 76.000 Arbeitskräfte. Doch Arbeitssuchende gibt es genug. Umschulungen und gezielte Ausbildungen könnten deswegen den Bedarf decken. Eine Pflegestiftung kann die Menschen in dieser Zeit finanziell absichern. Etwa ein Drittel des benötigten Bedarfs könnte über diese Stiftung eine Ausbildung erhalten.
- Comeback-Beteiligungsfonds: Sobald die Insolvenzantragspflicht wieder in Kraft tritt, droht Österreich eine Pleitewelle. Der ÖGB schlägt deswegen einen Beteiligungsfonds vor. Über ihn beteiligt sich der Staat an Firmen, die unverschuldet und nur durch die Pandemie bedingt in Schieflage geraten sind. Das sichert Arbeitsplätze. Sind die Unternehmen wieder gesund, soll die Beteiligung zurückgezahlt werden.
- Erhöhung des Arbeitslosengeldes: Wer in Österreich arbeitslos wird, hat doppelt Pech gehabt. Gerade einmal 55 Prozent vom vorherigen Einkommen zahlt hierzulande der Staat. Eine Erhöhung auf 70 Prozent ist im Kampf gegen Armut überfällig. Belgien (90 Prozent), Luxemburg (84 Prozent), Portugal (75 Prozent), Italien (73 Prozent), die Niederlande (71 Prozent), Schweden (70 Prozent), Frankreich (64 Prozent), Deutschland (60 Prozent) und auch Finnland (58 Prozent) zahlen mehr.
- Notausbildungsfonds: In Österreich fehlt es an Lehrstellen. Und die, die es gibt, sind oft nicht gut genug bezahlt, als dass junge Erwachsene davon ihren Lebensunterhalt bestreiten könnten. Ein Notausbildungsfonds könnte Betriebe unterstützen, gut bezahlte Lehrstellen zu schaffen.