Europa im Kampf gegen das Virus

Illustration (C) Miriam Mone
Die EU hat ihre Lehren aus der Finanzkrise gezogen: Erstmals gibt es direkte fiskalpolitische Maßnahmen, und sie nimmt im Bereich Gesundheit Dinge im Sinn der Gemeinschaft in die Hand – Stichwort Impfstoffbeschaffung. Was die Mitgliedsstaaten damit tun, hängt auch an ihnen selbst – Österreich bekleckert sich dabei nicht mit Ruhm.
Mit einem Konjunkturpaket möchte die Europäische Union rasch aus der Rezession im Gefolge der aktuellen Corona-Krise herauskommen. Frank Ey aus der Abteilung EU & Internationales der Arbeiterkammer Wien betont, dass die EU damit „das erste Mal aktive Fiskalpolitik betreibt – das hatten wir noch nie.“ Konkret stehen für die Jahre 2021 bis 2023 etwa 750 Milliarden Euro zur Verfügung, mit denen die Wirtschaft angekurbelt werden soll. Dieses Geld muss von den Mitgliedstaaten allerdings – so die Vorgabe der Kommission – vor allem in zwei Schwerpunktbereiche investiert werden: in den Kampf gegen die Klimakrise und in eine Digitalisierungsoffensive.

Das Gros der Mittel soll dabei in ein Wiederaufbauprogramm (Recovery and Resilience Facility) fließen: Dieses wurde mit 672,5 Milliarden Euro dotiert. In einem wichtigen Unterprogramm – REACT-EU – gibt es 47,5 Milliarden Euro für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen wie etwa das Kurzarbeitsmodell. Vor allem gehe es aber auch um Beschäftigungsmaßnahmen für junge Menschen, betont Ey. Aus österreichischer Sicht interessant: Hier sollen auch jene Klein- und Mittelbetriebe (sogenannte KMUs) unterstützt werden, die in der aktuellen Krise unter Druck geraten sind. Zehn Milliarden Euro wiederum sind für einen „Just Transition“-Fonds vorgesehen. Mittel aus diesem Topf könnten zum Beispiel dafür eingesetzt werden, um Mitarbeiter*innen aus Industrien mit hohem CO2-Ausstoß für den Einsatz in Industrien mit niedrigen oder keinen CO2-Emissionen umzuschulen beziehungsweise auszubilden.

Betroffener Süden Europas

Einen Haken ortet Ey allerdings: Während die Kommission dafür plädierte, den überwiegenden Teil der 750 Milliarden Euro in Form von Förderungen und nur einen kleineren Teil als Kredit zur Verfügung zu stellen, beharrte der Rat auf einem wesentlich höheren Kreditanteil. Statt wie von der Kommission vorgeschlagen 250 Milliarden Euro stehen nun 360 Milliarden des 750 Milliarden-Euro-Pakets nur als Kredite zur Verfügung. Die rückzahlbaren Kreditmittel sind für Mitgliedstaaten vorgesehen, die von der Corona-Krise besonders betroffen sind und einen hohen Refinanzierungsbedarf haben. Dazu zählen etwa Spanien, Griechenland und Italien.

Gleichzeitig wird die Inanspruchnahme der Kreditmittel an teils strenge Vorgaben geknüpft, die im sogenannten Europäischen Semester aufgeführt sind. Diese Bedingungen unterscheiden sich je nach Mitgliedstaat und können etwa die Forderung nach Kürzungen im Sozial- oder Gesundheitsbereich enthalten, wie beispielsweise eine Reduktion der Gesundheitsausgaben oder die Forderung nach einem höheren Pensionsantrittsalter. Begrüßenswerte Vorschläge, wie die Schaffung von Kinderbetreuungsplätzen oder die Förderung von Vollbeschäftigung für Frauen, sind jedoch auch noch enthalten. Bereits jetzt äußern einige der betroffenen Länder, dass sie aufgrund der harten Bedingungen auf die Kredite aus dem Konjunkturpaket verzichten und sich stattdessen über Kredite aus anderen Quellen refinanzieren wollen. Der konjunkturelle Impuls des Pakets werde sich dadurch entsprechend verringern.

Noch kein Antrag Österreichs

Österreich stehen aus dem Konjunkturpaket Förderungen in Höhe von 3,4 Milliarden Euro von heuer bis 2023 zu. Allerdings zählt gerade Österreich zu jenen acht von den insgesamt 27 EU-Mitgliedstaaten, die hier noch keinen nationalen Plan vorgelegt und eingereicht haben. Die Zeit drängt: Diese Frist endet im April. Für Ey ist dies unverständlich. Schließlich könnte ja schon seit Beginn des Jahres hier Geld abgerufen werden.

Da könnte man schon einiges machen – zum Beispiel den Ausbau des Schienenverkehrs und Gebäudesanierungen vorantreiben.

Frank Ey, EU-Experte der Arbeiterkammer Wien

Wie sollte Österreich die EU-Mittel idealerweise investieren? „Da könnte man schon einiges machen“, sagt Ey, „zum Beispiel den Ausbau des Schienenverkehrs und Gebäudesanierungen vorantreiben.“ Aus AK-Sicht wären zudem Umschulungen im Rahmen des „Just Transition“-Fonds zu forcieren sowie Investitionen in klimagerechte Städte und Gemeinden. „Ich denke da etwa an Investitionen in einen umweltfreundlichen Personennahverkehr.“

Impf-Neuland

Besser performen sollte Österreich auch in einem anderen Bereich: beim Impfen gegen COVID-19. Mit ihrer Initiative, gemeinsam Impfstoffe für alle Mitgliedstaaten zu beschaffen, betrat die EU ebenfalls Neuland. Grundsätzlich obliegen die Gesundheits- und Sozialsysteme jeweils den Nationalstaaten, erklärt Monika Weißensteiner, Sozialversicherungsexpertin der AK Wien. Hier hat die EU aber nun das Heft in die Hand genommen. Ob der Zeitpunkt der Verhandlungen rechtzeitig und das Tempo rasch genug war, ist zwar rückblickend die Frage. „Ich halte es aber für eine sinnvolle Maßnahme. Einerseits ist der Preis bei großen Abnahmemengen günstiger, andererseits bekommen so auch kleinere Länder die Mengen, die sie benötigen“, meint Weißensteiner. Dass es nun seitens der Pharmafirmen zu Lieferschwierigkeiten komme beziehungsweise dass es beim Impfstoff von AstraZeneca zu einer Verzögerung im Zulassungsverfahren kam, da der Hersteller in einer Testphase zurückgeworfen wurde, sei zudem nicht vorhersehbar gewesen. Dem Vorwurf, andere Staaten wie Großbritannien oder Israel würden viel rascher agieren, sodass dort bereits ein höherer Prozentsatz der Bevölkerung geimpft sei, hält die Expertin entgegen: Es sei gut, dass die EU an einer Zulassung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA festhalte. Anders als bei Notzulassungen wie in anderen Staaten gebe es hier ein sorgfältiges Verfahren.

Impfskepsis?

Verbesserungsbedarf sieht sie aber in Österreich selbst. Einerseits werde der Impfplan ständig modifiziert – was aufgrund der Lieferverzögerungen notwendig sei. Das schaffe aber Verunsicherung, weil für Menschen nach wie vor nicht klar sei, wann sie damit rechnen können, geimpft zu werden. Da sei auf jeden Fall mehr Nachvollziehbarkeit nötig. Andererseits sorge hier die unterschiedliche Vorgangsweise in den einzelnen Bundesländern noch einmal für Verwirrung. „Das ist nicht transparent. Und insofern weiß ich nicht, ob es so eine gute Idee war, die Organisation der Impfungen an die Bundesländer zu übergeben.“

insofern weiß ich nicht, ob es so eine gute Idee war, die Organisation der Impfungen an die Bundesländer zu übergeben.

Monika Weißensteiner, Sozialversicherungsexpertin der Arbeiterkammer Wien

Interessant findet Weißensteiner übrigens den Wandel hinsichtlich der Impfbereitschaft. „Zu Beginn war die Impfskepsis in Österreich sehr groß. Da sagten viele, sie müssten nicht unter den Ersten sein, die geimpft werden. Jetzt, wo der Impfstoff knapp ist, gibt es auf einmal das große Begehren: Jeder möchte schon dran sein.“ Insgesamt habe aber die EU und damit auch Österreich ausreichend Impfstoff bestellt, beruhigt die Expertin.

Über den/die Autor:in

Alexia Weiss

Alexia Weiss, geboren 1971 in Wien, Journalistin und Autorin. Germanistikstudium und Journalismusausbildung an der Universität Wien. Seit 1993 journalistisch tätig, u.a. als Redakteurin der Austria Presse Agentur. Ab 2007 freie Journalistin. Aktuell schreibt sie für das jüdische Magazin WINA sowie für gewerkschaftliche Medien wie die KOMPETENZ der GPA-djp oder die Gesunde Arbeit. 2022 erschien ihr bisher letztes Buch "Zerschlagt das Schulsystem ... und baut es neu!" (Verlag Kremayr & Scheriau).

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