Die Gemeindeautonomie forderten in Österreich schon die aufständischen Tiroler Bauern und Bergarbeiter im 16. Jahrhundert, verwirklicht wurde sie erst durch die demokratische Republik nach 1918. Damals erhielt auch die auf die liberalen Wirtschaftsreformen Napoleons zurückgehende Selbstverwaltung in Form von Kammern ihre volle demokratische Ausprägung. Durch die ab 1802 eingerichteten französischen Handelskammern sicherte sich das zur entscheidenden Wirtschaftskraft aufgestiegene Bürgertum interessenpolitische Mitsprache. Die „chambres de commerce“ hatten das Recht, direkt mit dem zuständigen Ministerium zu verhandeln und die Interessen des Unternehmertums in die Wirtschaftsgesetzgebung und Wirtschaftspolitik einzubringen. In den Ländern des Kaisers von Österreich waren solch liberale Wirtschaftsreformen kurz nach 1800 noch nicht durchzusetzen, das schaffte erst die Revolution von 1848. Das Revolutionsparlament, der Reichstag, beschloss am 3. Oktober 1848 das Gesetz zur Errichtung von Handels- und Gewerbekammern und die folgende Kaiserdiktatur behielt sie bei, weil sie die Unterstützung der bürgerlichen Unternehmerschaft benötigte. Die gleichberechtigte Selbstverwaltung der Interessen der ArbeitnehmerInnen konnte dann in der demokratischen Republik mit dem Gesetz zur Errichtung von Kammern für Arbeiter und Angestellte vom Februar 1920 erreicht werden. Landwirtschaftskammern und berufsständische Kammern wie die Ärztekammer oder Rechtsanwaltskammer ermöglichen auch für diese Bereiche das Recht auf Selbstverwaltung. Die Selbstverwaltung der Sozialversicherung durch die Beiträge leistenden ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen besteht in Österreich seit den 1880er-Jahren, als die Versicherungspflicht für ArbeiterInnen eingeführt wurde.
Selbstverwaltung setzt voraus, dass niemand, der/die zu einer Interessengruppe gehört, von ihr ausgeschlossen ist und alle das Wahlrecht für die Vertretungsorgane besitzen. Deshalb sind Selbstverwaltung und freiwillige Mitgliedschaft unvereinbar. Die Selbstverwaltungsorgane müssen demokratisch bestellt werden, nur so ist die in den Gesetzen verankerte politische Unabhängigkeit von der Regierung garantiert.
Brigitte Pellar
Historikerin
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 3/18.
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