Kürzung, ja bitte!

Illustration Arbeitszeitverkuerzung
Illustration (C) Miriam Mone
Viele übersehen, dass wir längst mittendrin in der Arbeitszeitverkürzung sind. Die Frage ist: Wer bezahlt dafür? – Derzeit die Beschäftigten und der Staat. So darf es nicht bleiben. Und auch die extreme Ungleichverteilung der Arbeitszeit zwischen Männern und Frauen muss sich dringend ändern – ganz besonders jetzt, wo Corona alles verschlimmert. Packen wir es an!
Über eine Arbeitszeitverkürzung wollen sie nicht einmal diskutieren, heißt es aktuell vonseiten der Wirtschaftskammer, der Arbeitsministerin, der Wirtschaftsministerin und auch von allen anderen, die in der ÖVP etwas zu sagen haben. Eine Arbeitszeitverkürzung, das gehe gar nicht, meinen sie, diese würde der Wirtschaft schließlich massiven Schaden zufügen. Dabei hat die Verkürzung unserer Arbeitszeit vor über einem Jahrzehnt begonnen – wir sind also schon mittendrin! Denn egal ob es sich um die – auch von der Regierung gelobte – Kurzarbeit, Teilzeitarbeit oder die hohe Arbeitslosigkeit handelt, all das ist nichts anderes als eine Arbeitszeitverkürzung. Die Frage ist also in Wirklichkeit nicht, ob wir kürzer arbeiten sollen oder nicht, denn das tun wir ja ohnehin schon, die Frage ist vielmehr, wer dafür bezahlt. Bis jetzt sind das ausschließlich wir, die Beschäftigten, und das muss sich ändern.

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Noch vor der letzten drastischen Verkürzung unserer Arbeitszeit, vor der Corona-Krise, lag unsere durchschnittliche wöchentliche Normalarbeitszeit bei 36,6 Stunden pro Woche. Im Jahr 2004 waren es hingegen noch 39,7 Stunden. Die Teilzeitquote hat sich im gleichen Zeitraum von rund 21 Prozent auf 28 Prozent erhöht. Der Trend zur Teilzeit hat also schon vor der letzten Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 begonnen und hat sich in den letzten zehn Jahren noch weiter verschärft. Das Problem an dieser Entwicklung ist, dass sie zu einer extrem ungleichen Verteilung der Erwerbsarbeitszeit zwischen Männern und Frauen geführt hat. Während auch heute noch der Großteil der Männer Vollzeit arbeitet und somit auch voll verdient, war 2019 schon fast die Hälfte aller Frauen nur Teilzeit beschäftigt, um ausreichend Zeit für die unbezahlte Familienarbeit zu haben oder weil sie von ihren Arbeitgebern schlicht keine Vollzeitstelle bekommen haben. Wie drastisch die Benachteiligung von Frauen bei der Arbeitszeit ausfällt, wird außerdem deutlich, wenn man einen genaueren Blick auf die vielen unbezahlten Überstunden wirft, die Frauen trotz ihrer Teilzeitarbeitsverträge regelmäßig leisten.

Arbeitszeit ist ungleich verteilt

2019 lag unsere durchschnittliche tatsächlich geleistete Arbeitszeit bei 30,6 Stunden pro Woche, davon waren im Schnitt bei Vollzeiterwerbstätigen wöchentlich 1,3 Stunden und bei Teilzeiterwerbstätigen sogar 7,1 Stunden Überstunden. Geleistet wurde diese Mehrarbeit jedoch nur von rund einem Fünftel aller Beschäftigten, und sie wurde wiederum bei Weitem nicht allen bezahlt oder durch einen entsprechenden Zeitausgleich mit Zuschlägen abgegolten. Nur sechs Überstunden pro Woche wurden 2019 durchschnittlich auch kompensiert – ein guter Deal für die Unternehmen. Die Beschäftigten zahlen dabei aber ordentlich drauf. Betroffen sind von dieser Abzocke vor allem Frauen, bei ihnen liegt der Anteil der unbezahlten Überstunden mit knapp 22 Prozent deutlich höher als bei Männern mit 12 Prozent.

Ein paar wenige Vollzeiterwerbstätige arbeiten in Österreich also sehr, sehr lange, während fast die Hälfte aller Frauen schon bisher nur Teilzeit gearbeitet hat. Dann kam Corona und brachte eine neue Welle der Arbeitszeitverkürzung, wie wir sie uns zuvor nicht einmal vorstellen hätten können.

Fünf Gründe für kürzere Arbeitszeiten:

  1. Verteilt die vorhandene Arbeit auf mehr Menschen
  2. Führt zu einer gleichmäßigeren Verteilung der Lohnarbeit zwischen Männern und Frauen
  3.  Hilft auch älteren Arbeitslosen und den Jungen, wieder einen Job zu finden
  4. Steigert die Produktivität der Beschäftigten
  5. Reduziert das Unfallrisiko und Fehler bei der Arbeit

Denn als hätten wir nicht schon zuvor viel zu viele Erwerbsarbeitslose gehabt, stieg die Anzahl der Beschäftigten, die ihren Arbeitsplatz verloren, innerhalb kürzester Zeit drastisch an. Auch hier bekamen Frauen die Reduktion des Arbeitsvolumens wesentlich stärker zu spüren: Von den rund 65.000 neuen Arbeitslosen in den Corona-Monaten sind 85 Prozent Frauen. Aber auch an den Männern ging der Stillstand ganzer Branchen nicht spurlos vorüber, denn zu Spitzenzeiten waren immerhin über eine Million Beschäftigte in Kurzarbeit, und bis heute sind es noch über 450.000.

Die Corona-Krise hat die ohnehin schon gravierende Ungleichverteilung der Erwerbsarbeit in unserer Gesellschaft nun bis ins Extrem gesteigert.

Die Corona-Krise hat die ohnehin schon gravierende Ungleichverteilung der Erwerbsarbeit in unserer Gesellschaft nun bis ins Extrem gesteigert. Während die einen keine oder nicht mehr genug Arbeit haben, um Vollzeit zu arbeiten, sind die anderen stark überlastet, haben noch mehr Arbeit als zuvor und wissen gar nicht mehr, wie sie die viele Arbeit bewältigen sollen. An einer Umverteilung, einer gleichmäßigeren und somit besseren Verteilung der Arbeitszeit in unserem Land führt dementsprechend kein Weg mehr vorbei – zumindest nicht, wenn man möchte, dass genug Arbeit für alle da ist. Denn dass es in näherer Zukunft ohne deutliche Eingriffe in den Arbeitsmarkt nicht genügend neue Stellen geben wird, ist unbestritten. Dass Arbeit auch satt machen muss, ebenfalls.

Wir müssen also entweder die Löhne so radikal erhöhen, dass auch ein Teilzeiteinkommen zum Leben reicht, oder wir passen die gesetzliche Normalarbeitszeit endlich der Realität an. So sorgen wir gleichzeitig auch dafür, dass uns unser Arbeitsleben nicht krank macht und wir bis zur Pensionierung durchhalten, wir mehr Zeit für unsere Familien und Angehörigen gewinnen und den Sozialstaat entlasten – alles auf einmal. Einzig und allein die Scheuklappen der Nein-Rufer*innen müssten fallen, dann könnten wir alle einmal durchatmen und wieder optimistisch in die Zukunft blicken.

Über den/die Autor:in

Veronika Bohrn Mena

Veronika Bohrn Mena ist Autorin des Buches „Die neue ArbeiterInnenklasse – Menschen in prekären Verhältnissen“ und beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit prekären Arbeitsverhältnissen, Segmentierungsprozessen und Veränderungen in der Arbeitswelt mitsamt ihren Auswirkungen. Sie ist ausgebildete Fotografin und hat Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien studiert. Seit 2013 arbeitet sie hauptberuflich in der Gewerkschaft GPA-djp in der Interessenvertretung als Expertin für atypische Beschäftigung. Sie war auch die Vorsitzende der Plattform Generation Praktikum und hat sich als Studentin in der ÖH Bundesvertretung engagiert.

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