Warum macht Kanzler Kurz das? Weil sich der Kanzler sonst dafür rechtfertigen müsste, dass es in Österreich zehnmal mehr BewerberInnen als freie Stellen gibt. Dass es um ein systematisches Versagen der Regierung geht. Dass es dringend arbeitsmarktpolitische Maßnahmen braucht. Dass die Regierung endlich Verantwortung übernehmen muss für die Gestaltung des Arbeitsmarkts.
Veronika Bohrn Mena, Autorin „Die neue ArbeiterInnenklasse“
Ein schlechter Scherz
Die Einmalzahlung von gerade einmal 450 Euro, verteilt auf drei Monate, ist ein schlechter Scherz. Zum einen, weil es nicht den Konsum ankurbeln wird: Wenn wir knapp bei Kasse sind und wir wissen, wir kriegen jetzt kurzzeitig Geld, dann versuchen wir, das zu bunkern, dann versuchen wir, so wenig wie möglich davon auszugeben, nur für das Allernotwendigste. Und wer von uns will sich schon darauf verlassen, dass die Regierung im Herbst doch noch einmal nachlegt. Und zum anderen: 150 Euro im Monat, wenn man zuvor fast die Hälfte seines Einkommens verloren hat – das macht das Kraut nicht fett.
„Es kann doch nicht sein, dass da niemand mehr am Gemüsefeld arbeiten will oder in der Gastronomie oder am Bau.“ Das hat uns der Bundeskanzler noch vor wenigen Tagen in der „Zeit im Bild 2“ erklärt. Es müssen „Anreize geschaffen werden“ dafür, dass Menschen arbeiten gehen. Damit zeichnet der Kanzler ganz bewusst das Bild, dass die Menschen faul wären, untätig wären und am liebsten den ganzen Tag nur herumliegen würden, weil niemand von ihnen Lust hat, arbeiten zu gehen.
Aber warum?
Warum macht Kanzler Kurz das? Weil sich der Kanzler sonst dafür rechtfertigen müsste, dass es in Österreich zehnmal mehr BewerberInnen als freie Stellen gibt. Dass es um ein systematisches Versagen der Regierung geht. Dass es dringend arbeitsmarktpolitische Maßnahmen braucht. Dass die Regierung endlich Verantwortung übernehmen muss für die Gestaltung des Arbeitsmarkts. Dass die Regierung es verabsäumt, neue Jobs zu schaffen. Dass die Arbeitslosen, die nun arbeitslos sind, sich noch so sehr bemühen können, viele von ihnen werden einfach keinen neuen Job finden, weil es diese Jobs nicht gibt.
Das liegt nicht daran, dass Erwerbsarbeitslose faul wären oder gerne herumliegen. Niemand möchte gerne von Arbeitslosengeld leben. Niemand möchte gerne stigmatisiert werden. Niemand möchte gerne im Freundeskreis, wenn er gefragt wird, was er zurzeit macht, sagen: „Ich bin gerade arbeitslos.“ Und vor allem: Niemand von uns lebt gerne von so wenig Geld. Da geht es nicht nur darum, dass die Miete knapp wird. Da geht es auch darum, dass ganze Familien von diesen Einkommen abhängig sind. Da geht es darum, dass man den Kindern womöglich nichts zum Geburtstag schenken kann. Dass man nicht weiß, wie man im Sommer die Kinder überhaupt betreuen soll. Da geht es aber auch darum, dass es zum Teil schon problematisch wird, überhaupt noch alle satt zu bekommen.
Es ist natürlich weitaus einfacher und bequemer zu sagen, die Arbeitslosen sind schuld, anstatt zuzugeben, dass man es verabsäumt, neue Jobs zu schaffen, dass die Wirtschaftspakete und die Corona-Maßnahmen doch nicht so treffsicher waren und die Wirtschaft in Österreich sehr, sehr stark darunter leidet. Der Krise wurde nicht ordentlich entgegengewirkt.
Es ist auch einfacher zu sagen: „Man muss die Menschen disziplinieren. Man muss Anreize schaffen.“ Man muss ihnen quasi einen Tritt in den Hintern geben. Warum? Weil man es selber nicht auf die Reihe kriegt, neue Stellen zu schaffen.
Es kann uns alle treffen
Aber lassen wir das der Regierung nicht durchgehen. Seien wir solidarisch, denn gerade Corona hat gezeigt: Jeder bzw. jede von uns kann seine oder ihre Arbeit verlieren. Wir alle können arbeitslos werden. Und uns allen kann es passieren, dass wir nächsten Monat ohne Job dastehen. Dann sollten wir keine Angst um unsere Existenz haben müssen, sondern sozial abgesichert sein. Deswegen ist es das Mindeste, wirklich das Allermindeste, was die Regierung jetzt machen kann, zu schauen, so schnell wie möglich das Arbeitslosengeld zu erhöhen, so schnell wie möglich umzuverteilen – und zwar nicht von unten nach oben, sondern von oben nach unten. Um den Menschen ein würdiges Leben zu ermöglichen.