Historie: Kollektiv stark

Plakette
Um 1910 kennzeichnete der Verband der Bäckereiarbeiter Österreichs Betriebe, die sich an die kollektiven Vereinbarungen hielten, mit dieser Plakette.
Foto (C) Archiv der PRO-GE
„Sinnfällig bezeugen diese gemeinsamen Vereinbarungen, wie sich durch den Einfluss der gewerkschaftlichen Organisation die Zeiten geändert haben. Früher herrschte in der Fabrik ein schrankenloser Absolutismus, nun müssen sich die Fabriksherren die Einrede der Arbeitervertreter gefallen lassen.“

Der Tarifvertrag in der österreichischen Eisen-, Metall- und Maschinenindustrie
Wien 1908
Vor 125 Jahren begannen die Buchdruckergehilfen Verhandlungen über einen gesamtstaatlichen schriftlichen „Tarif“. Sie dauerten zwei Jahre, weil es die Gewerkschaft mit vielen unterschiedlichen UnternehmerInnengruppen in den Kronländern zu tun hatte – aber sie waren erfolgreich. Während der nächsten Jahre konnten allerdings nur ganz wenige andere Gewerkschaften schriftliche Vereinbarungen durchsetzen, bis sie ab 1903 – zum Teil nach heftigen Arbeitskämpfen – immer häufiger vorkamen. 1907 wies die Statistik bereits 727 Verträge aus.

Um 1910 kennzeichnete der Verband der Bäckereiarbeiter Österreichs Betriebe, die sich an die kollektiven Vereinbarungen hielten, mit dieser Plakette.

Im Zentrum standen zumeist Forderungen nach besseren Löhnen, daher die Bezeichnung „Tarifvertrag“, wie sie heute noch in Deutschland üblich ist. Vielfach konnten aber auch schon Arbeitszeitverkürzungen, der arbeitsfreie 1. Mai oder Kündigungsschutz für gewerkschaftliche Vertrauensleute in den Betrieben erreicht werden. Ein gesamtösterreichischer Abschluss gelang erst wieder 1917 mit der Angleichung der Frauen- an die Männerlöhne in der Kriegsindustrie. Überwiegend handelte es sich damals um Betriebsverträge und auch die „eigentlichen Kollektivverträge“ mit Interessenvertretungen der UnternehmerInnen hatten eine begrenzte Reichweite.

Das noch größere Problem war die fehlende Rechtsverbindlichkeit, die erst durch die demokratische Republik mit dem ab Anfang 1920 geltenden Kollektivvertragsgesetz beseitigt wurde. Alle von einer Gewerkschaft abgeschlossenen Vereinbarungen hießen jetzt Kollektivverträge, selbst wenn die Vertragspartei nur ein einzelnes Unternehmen war. In der Zweiten Republik wurden Betriebs-KVs ganz abgeschafft, weil sie Lohndumping Tür und Tor öffneten.

Von
BrigittePellar

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 2/20.

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Redaktion
aw@oegb.at

Du brauchst einen Perspektivenwechsel?

Dann melde dich hier an und erhalte einmal wöchentlich aktuelle Beiträge zu Politik und Wirtschaft aus Sicht der Arbeitnehmer:innen.



Mit * markierte Felder sind Pflichtfelder. Mit dem Absenden dieses Formulars stimme ich der Verarbeitung meiner eingegebenen personenbezogenen Daten gemäß den Datenschutzbestimmungen zu.