Der Begriff soziale Infrastruktur ist weiter gefasst und beinhaltet auch das Gesundheitssystem mit all den Menschen, die es am Laufen halten.
Der Frühdienst beginnt um 6.45 Uhr, der Dienstübergabe folgt die Visite und die PatientInnenbetreuung – abends um 19.05 Uhr enden zwölfeinhalb Stunden Arbeit, die ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Konzentration erfordern. Rund sechs bis acht Nachtdienste von 18.40 Uhr bis sieben Uhr in der Früh gehören ebenso zum monatlichen Arbeitspensum.
Fußmarsch durch Wiener Geschichte
Das weitläufige Klinikareal erreicht Mijatovic am Eingang Versorgungsheimplatz – der Name ist ein Relikt aus der Monarchie, von 1902 bis 1904 wurde das Versorgungsheim Lainz für betagte Menschen samt Anstaltskirche errichtet. Aus diesem wuchs das Geriatriezentrum am Wienerwald (GZW), diese Einrichtung besteht nicht mehr, bloß drei Pfeifen paffende großformatige Gartenzwerge wachen noch vor dem Haupteingang.
Einige Minuten bergauf führt Mijatovic ihr Weg über die Freitreppe der Backsteinkirche, vorbei an den Schienen der stillgelegten Feldbahn zu den 1913 errichteten Bauten der Klinik Hietzing. Bis 2011 transportierte die Feldbahn Mahlzeiten aus der Großküche zu den Pavillons. Für ein Mittagessen in der MitarbeiterInnen-Kantine bleibt der Krankenpflegerin keine Zeit. „Der Weg dorthin ist zu weit, mit den 30 Minuten Pause, die mir zustehen, würde sich das nie ausgehen“, bedauert Miriam Mijatovic. Zwar nimmt sie sich eine Jause mit in die Arbeit, doch „ich kann mir die Zeit dafür auch nur so einteilen, wie es die Patienten zulassen“. Wird geläutet, ist das Päuschen vorüber – wer im Gesundheits- und Pflegedienst arbeitet, weiß das.
Soziale Infrastruktur
KrankenpflegerInnen als Infrastruktur? Was eigentümlich anmutet, macht sehr viel Sinn. Denn unter Infrastruktur versteht man eben nicht nur Gebäude wie ein Krankenhaus oder ein Pflegeheim. Der Begriff soziale Infrastruktur ist weiter gefasst und beinhaltet auch das Gesundheitssystem mit all den Menschen, die es am Laufen halten. Der Lebensweg von Miriam Mijatovic hatte mehrere Stationen, bevor sie in Lainz ihre Arbeit aufnahm. Im nordrhein-westfälischen Werdohl geboren, wuchs sie 15 Jahre lang in der deutschen Stadt auf, als sie plötzlich zu ihrer Oma nach Banja Luka geschickt wurde: „Meine Eltern stammen aus Bosnien und hatten Sorge, ich würde nicht Serbokroatisch erlernen.“
Davon wenig begeistert, musste sie sich erst die kyrillische Schrift aneignen, absolvierte über vier Jahre die medizinische Schule samt Matura – und ließ sich danach bei ihrer Tante in Wien nieder. Gleich 1991 folgte auch der Berufseinstieg mit dem jüdischen SeniorInnenheim in Döbling – heute findet sich das Maimonides-Zentrum auf dem IKG-Campus in Wien Leopoldstadt. Zwei Jahre später wechselte die Krankenpflegerin in die heutige Klinik Hietzing, um 13 Jahre lang in der Abteilung für Plastische Chirurgie zu arbeiten. Dass die Abteilung 2006 aus dem Pavillon acht in die Rudolfsstiftung in Wien-Landstraße übersiedelte, stellte Mijatovic vor eine extrem schwierige Entscheidung. Gewonnen hat die Klinik Hietzing.