Jung, einheimisch, männlich, gut gebildet und ohne Behinderung. Wer diese Attribute für sich in Anspruch nehmen kann, hat auf dem österreichischen Arbeitsmarkt die besten Voraussetzungen. Chancen auf Arbeit, Karriere, beruflichen Aufstieg, adäquate Entlohnung. Ältere Menschen, Frauen, Migrantinnen und Migranten sowie Menschen mit Behinderungen – sie alle haben auf dem Arbeitsmarkt mit verschiedenen Benachteiligungen zu kämpfen. Sie haben einen schwierigeren Zugang zum Arbeitsmarkt, sind öfter mit struktureller Diskriminierung konfrontiert und arbeiten häufiger im Prekariat. Noch sind die Strukturen auf dem Arbeitsmarkt nicht flexibel genug, um auf sich verändernde spezifische Bedürfnisse von potenziellen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Rücksicht zu nehmen. Die Wirtschaft fokussiert stark auf quantitative Kriterien: Erfolgreich ist, wer produktiv ist, und produktiv ist, wer schnell ist, viel leistet und möglichst wenig Ressourcen benötigt. Sprich: wer mit dem geringstmöglichen Einsatz den höchstmöglichen Output erreicht.
Förderung Älterer
Doch der demografische Wandel verlangt nach anderen Kennzahlen, sagt Irene Kloimüller. Die Unternehmensberaterin beschäftigt sich mit Generationenmanagement. Eine produktive Arbeitswelt müsse die Arbeitsfähigkeit fördern und auch ältere Menschen gesund, motiviert und auf dem Arbeitsmarkt halten. Die Realität sieht allerdings anders aus: Im Juni waren fast 74.000 Menschen über 50 Jahre arbeitslos gemeldet, etwa 23 Prozent mehr als im Vorjahr. Deren Chancen auf den Wiedereinstieg in die Berufswelt stehen schlecht.
Ab 50 gibt es eine Ausstiegsspirale, sagt Kloimüller. Unternehmen haben bisher verabsäumt, das Arbeitsumfeld so zu verändern, dass die ArbeitnehmerInnen trotz steigenden Alters gut eingesetzt werden können. Großunternehmen leiten schon Kurskorrekturen ein, doch insgesamt fehlt es noch – besonders bei Klein- und Mittelbetrieben – an Sensibilität. „Viele Unternehmen sehen nicht, was besser, sondern nur was schlechter wird. Ältere Menschen treffen etwa weitsichtigere Entscheidungen als Junge.“ Es sei gerecht, bewusste Unterschiede zu machen. Das führe zu erhöhter Produktivität und Gleichberechtigung. Ein Paradigmenwechsel, den sich Unternehmen leisten wollen müssen, findet sie. Denn viele stellen sich die Kostenfrage, wenn es heißt, eine/n teurere/n, ältere/n ArbeitnehmerIn oder zwei günstigere, junge ArbeitnehmerInnen zu beschäftigen. Die mit dem Alter steigende Einkommenskurve, das Senioritätsprinzip, erweise sich mitunter als Hürde, sagt Kloimüller.
„Der österreichische Arbeitsmarkt ist stark segmentiert und reglementiert“, sagt Gudrun Biffl, Frauenforscherin an der Donau-Universität Krems. Die Gewerkschaften seien stark, 96 Prozent aller wirtschaftlichen Arbeiten durch Kollektivverträge geregelt. Es sind Regelungen, die Frauen meist auch vor Ungleichbehandlung im Betrieb schützen können. Auch beim Berufseinstieg von Frauen gäbe es kaum Diskriminierungen, sagt Biffl. Schwierig werde es dann, wenn sie aus dem System herausfallen, Mütter werden. Das bedeutet für viele Frauen immer noch einen einschneidenden Bruch in ihrer beruflichen Karriere. Mehr als ein Drittel ist noch fast drei Jahre nach der Geburt ohne Arbeit. Viele finden später nur durch Geringfügigkeits- oder Teilzeitjobs zurück ins Arbeitsleben. Lediglich 36 Prozent der Frauen arbeiten Vollzeit, bei Männern sind es 92 Prozent.
Frauen entlasten
Der Grund: fehlende Unterstützungsstrukturen für Frauen, der Mangel an Kinderbetreuungsplätzen. Von der Frau werde auch heute noch erwartet, dass sie sich vorwiegend um die Kindererziehung kümmere, sagt Biffl. „Karrierefrau wird fast wie ein Schimpfwort gebraucht. Und Männer werden danach beurteilt, wie viel Geld sie verdienen, nicht danach, ob sie am Wochenende mit dem Kind spielen. Es ist ein verächtliches System für beide.“
Zwar liegt der Frauenanteil auf dem Arbeitsmarkt mittlerweile bei über 45 Prozent, doch von einer gleichmäßigen Verteilung der Geschlechter kann keine Rede sein. Frauen arbeiten öfters als Männer in atypischen Beschäftigungsverhältnissen. Sie sind häufiger prekär beschäftigt, verdienen nicht genug zum Leben und sind sozial- und arbeitsrechtlich schlechter abgesichert. Im Dienstleistungssektor, wo oft Teilzeit gearbeitet wird, sind Frauen überrepräsentiert. So nehmen sie im Gesundheitswesen 77,3 Prozent und im Beherbergungs- und Gaststättenwesen 64,4 Prozent ein.
Unflexibler Arbeitsmarkt
Auch der Wiedereinstieg nach der Karenz ist kein Garant für gleiche Karrierechancen. Fehlende Betriebsjahre für den Aufstieg in der Hierarchie oder fehlende Netzwerke erschweren Frauen den Weg zu den Top-Jobs. Arbeit werde immer noch in Zigarren- und Sportclubs verteilt, zu denen Frauen keinen Zugang haben, sagt Biffl. Das spiegelt sich auch in der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung wider: 71,7 Prozent der Führungskräfte sind männlich. In Großunternehmen hat lediglich jede vierte Frau eine leitende Position. In kleinen Unternehmen allerdings jede Dritte.
An der Situation von Müttern auf dem Arbeitsmarkt zeigt sich, dass es dem Arbeitsmarkt an Flexibilität mangelt. Wer von der Norm abweicht oder besondere Unterstützung braucht, hat es auf dem Arbeitsmarkt schwerer als andere. Das bestätigt Martin Ladstätter, Obmann von BIZEPS, dem Beratungszentrum für Selbstbestimmtes Leben. „Menschen mit Behinderungen sind in den letzten Jahren überdurchschnittlich von Arbeitslosigkeit betroffen.“ Tatsächlich sind die Arbeitslosenzahlen dieser Gruppe im letzten Jahr drastisch gestiegen – um 26,3 Prozent. Für Ladstätter ist der Mangel an „vernünftiger Behindertenpolitik“ dafür verantwortlich. Unternehmen sind gesetzlich dazu verpflichtet, je 25 MitarbeiterInnen eine ArbeitnehmerIn mit Behinderung einzustellen. Ansonsten ist eine Ausgleichstaxe zwischen 244 und 364 Euro pro Monat und nicht besetzte Stelle zu zahlen. „Zu gering“, wenn es nach Ladstätter geht. Man solle die Nicht-Beschäftigung zur betriebswirtschaftlich relevanten Größe machen. Der Großteil der Betriebe, aber auch Bundesländer und Interessenvertretungen kommen der erforderlichen Quote nämlich nicht nach. Sie ersparen sich dadurch etwa infrastrukturelle Anpassungen. Doch die Nicht-Einstellung von Menschen mit Behinderung ist auch auf Vorurteile auf dem Arbeitsmarkt zurückzuführen.
Nutzlose Qualifikationen
Vorurteile sind ein Problem, das sie letztlich mit Menschen mit Migrationshintergrund teilen. Zahlreiche Studien haben die strukturelle Benachteiligung von MigrantInnen bereits belegt. So werden ihre im Ausland erworbenen Qualifikationen wertlos, weil ihre Diplome in Österreich nicht anerkannt werden bzw. dafür langwierige, teure Nostrifizierungsverfahren notwendig sind. Das führt nicht zuletzt dazu, dass sie Jobs annehmen müssen, für die sie überqualifiziert sind. Laut OECD-Studien gehört Österreich zu den Top-5-Ländern, die die Qualifikationen von Migrantinnen und Migranten brachliegen lassen. Laut Statistik Austria fühlen sich 26 Prozent der Männer und 33 Prozent der Frauen, die der ersten MigrantInnen-Generation angehören, für ihren derzeitigen Job überqualifiziert.
Erst kürzlich wurde eine im Auftrag des Sozialministeriums durchgeführte Studie der Universität Linz veröffentlicht, wonach Menschen mit ausländisch klingenden Namen auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert würden. Die Ergebnisse sind deutlich: Wer einen ausländischen Namen hat, muss weit mehr Bewerbungen abschicken, bis er/sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wird. Besonders viel Ablehnung erführen Menschen mit afrikanischen Wurzeln, heißt es in der Studie. KritikerInnen monieren eine Verschwendung von Know-how und Ressourcen. Es ist eine Verschwendung, die jedem Produktivitätsgedanken zuwiderläuft. Vor allem aber wirft sie die Frage auf, wie bezahlte Arbeit in unserer Gesellschaft anders bewertet werden könnte, auf dass sie gerechter verteilt werde.
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Von Clara Akinyosoye, Freie Journalistin
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 6/14.
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