Das Kakaoprojekt

Im Vorwort der 1991 erschienenen Informationsbroschüre zum Kakaoprojekt „Die Weltschokoladefabrik“ war zu lesen: Gewerkschaften von Kakao- und Schokoladearbeitern aus vielen Teilen der Welt werden sich immer stärker der Tatsache bewusst, dass es einer internationalen Strategie bedarf, um die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten.
Der Hintergrund: Die Kakao und Schokolade verarbeitende Industrie stand mitten in einem rasanten Konzentrationsprozess. Im Zuge einer Übernahmewelle wurden viele kleine Betriebe von einigen großen Konzernen aufgekauft und die „Superriesen“ schluckten die „Riesen“. Um 1990 beherrschten nur mehr fünf dieser „Superriesen“ die globale Kakaokette von Plantagen über Fabriken bis zu Handelsunternehmen. Sie nutzten ihre Macht ohne Skrupel aus, verschlechterten auch in Europa und den USA die Arbeitsbedingungen und setzten alles daran, die Löhne zu senken. Die großen Produktionsüberschüsse führten zum Sturz des Kakaopreises, die Löhne der Plantagen- und FabrikarbeiterInnen in Asien und Lateinamerika sanken noch mehr und der Versuch zur Gewerkschaftsgründung wurde oft brutal niedergeschlagen. Unzählige von der Kakaokette abhängige kleine Bäuerinnen und Bauern mussten aufgeben, nicht zuletzt, weil sie durch die – verlangte – Verwendung von Insektiziden und Kunstdünger zu stark belastet waren.
Das Kakaoprojekt entstand als gemeinsame Initiative des transnationalen gewerkschaftlichen Informationsaustauschzentrums TIE, der niederländischen Nahrungsmittelgewerkschaften und der Global Unions der Lebensmittel- und LandwirtschaftsarbeiterInnen. Zunächst ging man daran, ein Kontaktnetz zwischen den Beschäftigten in der Produktionskette eines Konzerns zu knüpfen, zum Beispiel bei Jacobs-Suchard, wo der Plan, über 20 Fabriken in aller Welt zu schließen, bekannt geworden war. 1989 leiteten europäische GewerkschafterInnen im Rahmen des Kakaoprojekts eine Kampagne gegen die Sonntagsarbeit ein und erreichten immerhin, dass Pläne zur „Harmonisierung der Arbeitsgesetzgebung“ in der EU und damit zum Abbau mühsam erkämpfter Standards teilweise unterlaufen werden konnten.
Die Sinnhaftigkeit des gewerkschaftlichen Netzwerks zeigte sich auch im Hinblick auf die Bekämpfung von Gesundheitsgefahren durch den Einsatz von schädlichen Chemikalien: Hafenarbeiter in Amsterdam klagten über Schwindel und Übelkeit, nachdem sie Säcke mit Kakaobohnen entladen hatten. Durch ihre Kontakte zu den Kolleginnen und Kollegen in den „Kakaoländern“ konnten die niederländischen Nahrungsmittelgewerkschaften die Ursache feststellen. In den Ausgangshäfen wurden zur Insektenvertilgung Phosphintabletten zwischen die Säcke gelegt. Phosphin ist ein hochkonzentriertes Gift, das nicht nur die Gesundheit der Hafenarbeiter in Brasilien, der Elfenbeinküste und den anderen Anbauländern sowie in Europa gefährdete, sondern über die Bohnen bis in die Fabriken und zu den KonsumentInnen gelangte. Nach einer Gewerkschaftskampagne wurde die Verwendung dieses Schädlingsbekämpfungsmittels wenigstens eingeschränkt.

Von Brigitte Pellar

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 04/2012.

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