Steuerkampf in den 1990ern

Das Budgetkonsolidierungspaket 1996/97 trug entscheidend dazu bei, dass die Lohnsteuerquote (das durch die Lohn- und Gehaltssumme dividierte Lohnsteueraufkommen) in Österreich ein Ausmaß wie noch nie erreichte. Dazu kam: In ganz Europa führte ein Jahrzehnt neoliberaler oder neoliberal beeinflusster Politik zu einer Lastenverschiebung vom Kapital zur Arbeit. Durch die hohe Mobilität des Kapitals wurden die Staaten unter Druck gesetzt, die Vermögens- und Gewinnsteuern ständig niedriger anzusetzen. Da aber der Steuerbedarf nicht zurückging, holte man sich so viele Mittel wie möglich vom „Faktor Arbeit“. Auch in Österreich nahm die durchschnittliche Abgabenbelastung für die unselbstständige Arbeit und die Entlastung selbstständiger Arbeit in den 1990er-Jahren zu. Am Ende des Jahrzehnts war der Unterschied in der Besteuerung von Arbeit und Kapitel größer als in jedem anderen westlichen Industrieland.

Bei der 1998 einsetzenden Diskussion um eine nächste Steuerreform erhob die Gewerkschaftsbewegung deshalb im Interesse der Beschäftigung die Forderung, das Nettoeinkommen der ArbeitnehmerInnen durch eine spürbare Lohnsteuersenkung zu erhöhen. Gleichzeitig verlangten Gewerkschaftsbund und Arbeiterkammer, von der Lohnsumme abhängige Steuern billiger zu machen. Es ging vor allem darum, ArbeitnehmerInnen mit kleinem und mittlerem Einkommen zu entlasten und so ihre steuerliche Benachteiligung wenigstens zu verringern. Bei den Verhandlungen zur Steuerreform, die im Frühjahr 1999 beschlossen wurde und 2000 in Kraft trat, konnten die ArbeitnehmerInnen-Interessenvertretungen ihre Anliegen auch teilweise durchsetzen. Aber die vom ÖGB-Präsidium verlangte wirksame Steuer auf Aktien und Spekulationsgewinne war ebenso wenig zu erreichen wie die seit einem Jahrzehnt geforderte Wertschöpfungsabgabe zur steuerlichen Entlastung des Faktors Arbeit. Abgesehen davon forcierten die Regierungen ab 2000 so eindeutig wie noch nie in Österreich neoliberale Steuer- und Budgetkonzepte, die die Schere zwischen Viel- und WenigverdienerInnen weiter öffneten.

Wenn es nach der Regierungspartei FPÖ gegangen wäre, hätte überhaupt das neoliberale Flat-Tax-Modell eingeführt werden sollen. Bei diesem auch noch heute unter verschiedenen Bezeichnungen angepriesenen Konzept handelt es sich in den Grundzügen um den Übergang zu einem einzigen niedrigen Steuersatz auf einer Bemessungsgrundlage, die keine Abzüge, zum Beispiel für die Sozialversicherungsbeiträge, zulässt. Das würde den Faktor Arbeit weiter verteuern, dadurch einen Rationalisierungsdruck auslösen und in der Folge die Arbeitslosigkeit zusätzlich anwachsen lassen. Die massive Entlastung bei höheren Einkommen und die Begünstigung betrieblicher Einkünfte hätten enorme Steuerausfälle zur Folge, die entweder durch hohe Budgetdefizite oder das extreme Einschränken öffentlicher Leistungen kompensiert werden müssten.

Von Brigitte Pellar

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 11/2012.

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