Standpunkt | A-Sozialstaat?

Schließlich mussten sie große Summen zur Bankenrettung springen lassen. Dazu kamen in der Europäischen Union die Darlehen für Griechenland. Und so wurden in den vergangenen Wochen in ganz Europa Sparpakete verhandelt.

Deutschlands „Agenda 2014“

Musterschüler Deutschland hat es uns vorgemacht: Mit der „Agenda 2014“ will die Mitte-Rechts-Regierung um Kanzlerin Angela Merkel (CDU/CSU) und Koalitionspartner Guido Westerwelle (FDP)rund 80 Mrd. Euro einsparen oder einnehmen. Das geplante Sparpaket lässt die Schere zwischen Arm und Reich bei unseren Nachbarn noch weiter auseinanderklaffen. Denn die Krot schlucken werden vor allem die, die jetzt schon auf der Verliererseite stehen. So etwa die rund sieben Millionen Menschen, die das Arbeitslosengeld II, im Volksmund Hartz IV genannt, beziehen. In den Augen von Guido Westerwelle frönen diese ja „spätrömischer Dekadenz“ – bei einer Regelleistung von 359 Euro im Monat, aufgestockt durch Kosten für Wohnung und Heizung, ist das sicher leicht möglich. Statt „Freibier für alle“ wird also jetzt der Gürtel enger geschnallt.
Zum Beispiel beim Elterngeld, das bei uns Kindergeld heißt: Die 300 Euro, auf die Langzeitarbeitslose mit Kindern bisher zählen konnten, sollen gestrichen werden. Ein trauriges Signal an die Familien und an die Zukunft eines Landes, das die soziale Schieflage förmlich einzementiert. Auch auf den Zuschuss des Bundes zur Rentenversicherung müssen Hartz-IV-lerInnen in Zukunft verzichten; die Folgen werden erst in ein paar Jahren spürbar sein, wenn die Altersarmut wächst. Der auf zwei Monate geplante Zuschlag im Übergang von Arbeitslosengeld I auf Arbeitslosengeld II wurde ebenfalls gestrichen. Den Sparstift setzt die deutsche Regierung auch bei den Heizkostenzuschüssen für BezieherInnen kleiner Einkommen an, diese werden wieder abgeschafft. Fairness sieht anders aus.

Appell Vermögensabgabe

Leistung muss sich lohnen, tönt Herr Westerwelle gerne – ein Satz, der auch hierzulande oft fällt, wenn es zum Beispiel um bzw. gegen die Mindestsicherung geht. Die deutschen LeistungsträgerInnen sind allerdings nicht alle ganz der Meinung ihrer Regierung. So fordert eine Initiative „Appell Vermögensabgabe“ eine befristete Vermögenssteuer für Vermögen über 500.000 Euro. Die Argumente der 46 reichen BundesbürgerInnen: „Keine Steuern zu zahlen ist unsozial“ und „Allein durch eigener Hände Arbeit könnte man vielleicht wohlhabend, aber niemals ›reichÜ werden – dazu bedarf es immer gesellschaftlicher Randbedingungen, die Einzelne sowie das Kapital massiv begünstigen – und das geschieht dann zwangsläufig auf Kosten anderer.“
Und auch bei den deutschen Gewerkschaften stößt dieses unsoziale Sparpaket auf Widerstand. Sie fordern ebenfalls eine stärkere Beteiligung der Finanzbranche und wohlhabender Schichten.

Österreichs Sparpaket

Dass auch wir in Österreich sparen müssen ist klar. Unsere Regierung schnürt gerade ihr eigenes Sparpaket; 22,7 Mrd. Euro soll es bringen und das eher mithilfe von Steuererhöhungen als mit Kürzungen im Sozialbereich. ÖGB und AK treten gerade jetzt dafür ein, dass wir nicht jede Krot schlucken und stattdessen fair teilen, damit der Sozialstaat Österreich nicht zum A-Sozialstaat wird.
Mehr Info:
www.fairteilen.at
www.schluckdiekrot.net

Von Katharina Klee, Chefredakteurin

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 06/2010.

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