In Frage gestellt

Ende September hatten die KollegInnen aus dem grafischen Gewerbe die Verzögerungen und Ausflüchte satt. 2.000 von ihnen versammelten sich zu einer Protestdemonstration in Wien. Zur Vorgeschichte: Die ArbeitgeberInnen der Druckbranche forderten zehn Prozent Lohn- und Gehaltsreduktion und meinten, dass dies umsetzbar sei.
Gleichzeitig forderte die Gewerkschaft ebenfalls einige kleine Veränderungen – im Sinne der KollegInnen – in den jeweiligen Kollektivverträgen und eine angemessene Lohn- und Gehaltserhöhung für 2009 auf Basis des Jahres 2008.
Diese kontroversiellen Forderungen beinhalten ein Konfliktpotenzial, das sich nur durch verantwortungsvolles Verhandeln von beiden Seiten lösen lässt oder in einer Auseinandersetzung endet.

Tageszeitung- und Rollendrucker

Bei Beginn der Verhandlungen wurde rasch klar, dass die ArbeitgeberInnen in sich äußerst inhomogen agierten.
Die Verhandlungskurien für den Bereich Tageszeitung kamen rasch voran und erreichten im Konsens ein für beide Seiten akzeptables Verhandlungsergebnis.
Etwas schwieriger liefen die Verhandlungen bei den großen Rollendruckern, doch auch hier wurde schlussendlich ein Ergebnis erzielt, das wir als Gewerkschaftskurie gerade noch akzeptieren konnten.
Am schwierigsten sind die Verhandlungen im Bereich Bogendruckereien. Hier sind sich die Verhandler der ArbeitgeberInnen völlig uneins. Es befinden sich in diesem Segment große, mittlere und ganz kleine Druckbetriebe im nationalen Wettbewerb, die sich durch falsche Investitionspolitik in den vergangenen zehn Jahren die Druckpreise völlig ruiniert haben. Es gab insgesamt drei Verhandlungsergebnisse bzw. Übereinstimmung zwischen den Verhandlungskurien der ArbeitgeberInnen und der Gewerkschaft. Diese vermeintlichen Endergebnisse wurden aber jeweils vom Hauptvorstand des Verbandes Druck & Medientechnik mit Mehrheit abgelehnt.
So eine Blamage hat es in der langen Geschichte der grafischen Sozialpartnerschaft noch nie gegeben und das führt auf beiden Seiten zu internen Verwerfungen. Ein Teil der Mitglieder des Arbeitgeberverbandes (Tageszeitungen und ein Teil der Rollenbetriebe) würde am liebsten sofort aus ihrem Verband austreten und bleiben nur, da durch einen Austritt die Gesamtsituation verschärft würde und eine Satzung des Kollektivvertrages unmöglich wird.
Sollte dieser Fall eintreten, dann ist der Arbeitgeberverband am Ende, da kein Unternehmen einen Verband benötigt, der keine arbeitsrechtliche Bedingungen, Löhne und Gehälter mit der Gewerkschaft ausverhandeln kann.

Völlige Fehleinschätzung

Als Dienstleister für die grafischen Betriebe wäre der Verband völlig unnötig, da die Wirtschaftskammern dies sicher besser können. Das ist leider einer kleinen, aber wichtigen Minderheit von Verbandsfunktionären im Verband völlig egal, sie vertreten die Meinung: Ohne Kollektivvertrag würden ihre Betriebe besser wirtschaften. Eine völlige Fehleinschätzung – die auch die meisten ArbeitgeberInnen so sehen – trotzdem setzte sich diese kleine Gruppe gegen die Mehrheit bisher durch. Warum eigentlich?

Konfliktsituation

Der Hauptvorstand des Verbandes besteht aus 32 Mitgliedern, wobei neun Mitglieder zugleich Landesinnungsmeister sind und ein Mitglied Bundesinnungsmeister ist. Diese haben eine Doppelfunktion. Einerseits sind sie normale Mitglieder des Hauptvorstandes, andererseits sind sie Funktionäre der jeweiligen Landeswirtschaftskammer bzw. Bundeswirtschaftskammer und besitzen dadurch Sonderrechte. Eines dieser Sonderrechte ist, dass ihre Stimme – sollte es zu einem Kollektivvertragsabschluss kommen – bei den Satzungsverhandlungen wichtig ist.
Als der Hauptvorstand bei seiner bis jetzt letzten Sitzung dem Verhandlungsergebnis zwischen Gewerkschaft und Verband mit einfacher Mehrheit die Zustimmung gab, verweigerten sechs der »Landesfürsten« die Zustimmung bei der notwendigen Satzung.
Damit wurde das positiv abgestimmte Verhandlungsergebnis ad absurdum, und die sechs »Renegaten« nahmen den Arbeitgeberverband in Geiselhaft. Dass sich solch eine Vorgehensweise unsere Gewerkschaft nicht gefallen lassen kann, verstehen sogar hartgesottene ArbeitgeberInnen. Daraufhin beschloss das Gewerkschaftspräsidium, dass das Ende der Fahnenstange längst erreicht sei und die Kollegenschaft informiert und mobilisiert werden müsse.
Am 29. September kam es in Wien zu der größten Demonstration, die die älteste Teilgewerkschaft des ÖGB je abgehalten hat. Über 2.000 KollegInnen aus ganz Österreich nahmen an dieser mächtigen Kundgebung teil und übergaben dem Präsidenten des Arbeitgeberverbandes eine Protestresolution und drohten mit gewerkschaftlichen Maßnahmen, sollte es in den kommenden sechs Wochen zu keinem akzeptablen Kollektivvertragsabschluss kommen.
Derzeit finden in den österreichischen Druckereien Informations- und Betriebsversammlungen statt, um die Kollegenschaft zu informieren. Zusätzlich werden jene sechs »Landesfürsten« die sich im Glauben befinden, sie könnten ihren Verband und die Gewerkschaft GPA-djp in Geiselhaft nehmen – um ihren arbeitnehmerfeindlichen Forderungen zum Durchbruch zu verhelfen -, besonders betreut.

Situation der Beschäftigten

• Seit 1. April 2009 sollten die jährlichen Lohn- und Gehaltserhöhungen bereits in Kraft sein.

• Seit sieben Monaten warten die Beschäftigten auf die Abgeltung der Inflation und eine kleine Reallohnerhöhung aus dem Jahr 2008.

• Seit 1. Juli 2009 gibt es keinen gültigen Kollektivvertrag.

• Seit vier Monaten versuchen einzelne Arbeitgeberprinzipale, die gewerkschaftlichen Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte für ihre Beschäftigten zu verschlechtern, wobei manche ArbeitgeberInnen durchaus erfolgreich sind.

• Seit vier Monaten können ArbeitgeberInnen, die keine Mitgliedschaft zum Verband Druck & Medientechnik haben, das kollektive Arbeitsrecht zuungunsten ihrer MitarbeiterInnen verschlechtern und jene Betriebe in Bedrängnis bringen, die Mitglieder des Arbeitgeberverbandes sind, da bei diesen Betrieben die Nachwirkung des grafischen Kollektivvertrages gilt.

Sollte sich die Unvernunft einzelner Mitglieder des Verbandes Druck & Medientechnik in den nächsten Wochen nicht ändern, dann wird es in vielen grafischen Betrieben zu Arbeitskämpfen und Streiks kommen müssen, da dieser soziale Interessenkonflikt in der Zwischenzeit zu einem gesamtgewerkschaftlichen Thema geworden ist.
Die gewerkschaftliche Verhandlungsführung hat in den vergangenen sieben Monaten Augenmaß, Verständnis für die wirtschaftliche Situation der Betriebe und Verantwortung gezeigt. Auf die Erpressung einzelner ArbeitgeberfunktionärInnen werden die Betriebsräte, die Beschäftigten gemeinsam mit ihrer Gewerkschaft die notwendigen Antworten geben. Es sollten sich aber auch dann jene Arbeitgebervertreter nicht zu Wort melden, die jetzt genüsslich zu dieser Situation geschwiegen haben.

Weblink
Alle Infos:
www.gpa-djp.at

Kontakt
Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
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aw@oegb.at

Von Franz Bittner (Vorsitzender-Stellvertreter der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier)

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 10/2009.

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