Viel Zoll, wenig Lohn

Sie sind naturverpackte Pausensnacks, bieten Broterwerb für Hunderttausende und stellen seit 50 Jahren das wichtigste Exportprodukt Ecuadors dar: Bananen. Aktuell sind sie auch ein Streitpunkt bei den Bemühungen um ein Handelsabkommen zwischen den Andenstaaten und der Europäischen Union; Ecuador nahm die Weigerung Brüssels, die exorbitanten Zölle auf lateinamerikanische Bananen zu senken, als Anlass, aus den Verhandlungen auszusteigen. Die Regierung von Rafael Correa protestierte, da die EU nur das verhandle, was sie interessierte, nicht aber die ärmeren Länder.

Billige Bananen

Von 1.303 Mio. US-Dollar im Jahr 2007 stiegen die ecuadorianischen Bananenexporte 2008 auf 1.640 Mio., diese Tendenz der zweistelligen Zuwachsraten setzte sich, trotz globaler Wirtschaftkrise, auch 2009 fort. Die Banane ist längst kein Luxusgut mehr in den nördlichen Industriestaaten von Europa bis Japan, von den USA bis Russland. Obwohl einmal um die Welt geschifft, wird sie preisgünstiger angeboten als einheimische Früchte wie Äpfel oder Pfirsiche. Hungerlöhne sind die andere Seite des Millionengeschäfts.
Zwar ist die Plantagenwirtschaft »produktiver« als die kleinbäuerliche Struktur, aber keineswegs in sozialer Hinsicht und in Bezug auf die Umwelt. Die hochmodernen Plantagen schaffen Reichtum – für ihren Besitzer -, aber nur wenige Arbeitsplätze, etwa 0,6 pro Hektar. Hier leistet ein Kleinbetrieb fast doppelt so viel, insbesondere wenn er sich an ökologischen Kriterien oder denen des fairen Handels orientiert. Nur unter diesen Bedingungen garantiert die Bananenproduktion in Ecuador ein gesichertes und ausreichendes Einkommen. Kleinbauern, die im herkömmlichen System arbeiten, das von Mittelsmännern und wenigen Exporteuren kontrolliert wird, schaffen den Sprung über die Armutsgrenze ebenso wenig wie die ArbeiterInnen in den Plantagen.
Das ecuadorianische Agrobusiness scheint außerhalb jeder gesetzlichen Regelung. Zwar existieren einige Gesetze, Kontrollen des Arbeits- oder Umweltministeriums sind aber exotische Ausnahmen, ebenso wie die Existenz von Gewerkschaften. Die große Mehrheit der ArbeiterInnen verfügt über keine schriftlichen Verträge, ist dem Sozialversicherungssystem nicht angeschlossen und erreicht selbst im – durchaus nicht üblichen – Fall der Zahlung des gesetzlichen Mindestlohnes von 218 Dollar im Monat keineswegs die Armutsgrenze von aktuell 521 Dollar.

Gelber Exportschlager

Auf gut 200.000 Hektar erwirtschaften 6.500 Betriebe Bananen, ganz überwiegend für den Export. 71 Prozent aller Betriebe sind kleiner als 20 Hektar, machen zusammen aber nur 23 Prozent der Anbaufläche und 16 Prozent der Produktion aus. Demgegenüber verfügen 3,5 Prozent der Betriebe über mehr als 100 Hektar, kontrollieren 31 Prozent der Fläche und 45 Prozent der Produktion der gelben Frucht. Allein die sieben Plantagen über 1.000 Hektar, die sich in den Händen der nationalen Bananenkonzerne Wong und Noboa befinden, machen zehn Prozent der Anbaufläche aus.
Und was hat das alles mit Europa zu tun?

Zollwahnsinn

Ecuador ist der zweitwichtigste Lieferant für den europäischen Markt, mit 26 Prozent knapp nach Kolumbien. Bemerkenswert oder besser: skandalös ist, dass die EU Bananen aus Ecuador und anderen lateinamerikanischen Ländern mit einem hohen Zoll belegt: 176 Euro (etwa 240 Dollar) pro Tonne. Dieser Zoll auf ecuadorianische Bananeneinfuhren füllte die Kassen Brüssels mit etwa 350 Mio. Dollar allein im Jahr 2008 – ohne dass die EU auch nur einen Handschlag dafür hätte tun müssen; zwischen 2006 und 2008 waren das 883 Mio. US-Dollar. Zum Vergleich: Das gültige Abkommen zu EU-Entwicklungsmitteln mit Ecuador für die sieben Jahre von 2007 bis 2013 sieht lediglich 159 Mio. vor.
Diese Zahlen drücken eine perverse Ungleichheit aus, noch krasser erscheint dies auf Produzentenebene. Die übliche Kiste von 18 Kilo weist Produktionskosten im konventionellen Anbau von 3,58 US$ auf, im fairen Handel 4,59 – gegenüber einem Einfuhrzoll von 4,69 Dollar pro Kiste. Die Europäische Union kassiert also mehr, als sämtliche Produktionskosten in Ecuador ausmachen. Zentral im fairen Handel ist das zusätzliche Premium von einem Dollar, den zertifizierte Produzenten pro verkauften Karton erhalten – letztlich lächerlich gering im Vergleich zum EU-Zoll. Da erhalten die hehren Worte zur Förderung des fairen Handels der EU mehr als einen schalen Beigeschmack.
Was passiert mit den EU-Bananenzöllen, die ja auch auf Importe aus Kolumbien, Costa Rica und anderen lateinamerikanischen Ländern erhoben werden? Die etwa 2,6 Mrd. Dollar aus den vergangenen drei Jahren wanderten in den EU-Haushalt und fördern dort letztlich die Agrarsubventionen, die im internationalen Rahmen für großen sozialen und wirtschaftlichen Schaden sorgen.

Doppeltes Unrecht

Innerhalb der Welthandelsorganisation WTO hat es mehrere Schiedssprüche gegen die EU-Zollregelung gegeben, doch fehlt die Durchsetzungsfähigkeit der politisch und ökonomisch Schwächeren. Die EU hat in Verhandlungen angeboten, den Zollsatz in den kommenden Jahren sukzessive auf 114 Euro pro Tonne runterzufahren, was immer noch gut drei Dollar pro Kiste entspräche. Dies sind allerdings verbale Zugeständnisse geblieben, weshalb der ecuadorianische Präsident Rafael Correa den Rückzug seines Landes von den Verhandlungen über einen »Freihandelsvertrag« entschied. In Ecuador setzte daraufhin eine interessante Debatte zum Thema ein, die eine bloße Senkung der Zölle als wenig hilfreich begreift. Den Zoll zahlen die Importeure, seine Reduzierung füllt zunächst deren Taschen. Die Zölle haben eine gewisse Schutzfunktion für die kleine europäische Bananenproduktion und die ehemaligen Kolonien in Afrika und der Karibik (AKP-Staaten), die in ihrer Mehrzahl gegenüber den von multinationalen Konzernen dominierten lateinamerikanischen Produktionsstandorten nicht »wettbewerbsfähig« sind.
Eine Reduzierung des EU-Zolls würde letztlich nur einen Kampf um Preise und Märkte herbeiführen und die Sozial- und Umweltstandards weiter absenken, so fürchten Gewerkschaften und Produzentengenossenschaften. Leistungsfähige Großplantagen, die mit internationalen Fruchthändlern und Supermarktketten eng vernetzt sind, werden mit Sicherheit zu den Gewinnern gehören. Kleinbäuerliche Betriebe in den AKP-Staaten, aber auch in Ecuador sowie die ArbeiterInnen der Plantagen weltweit dürften die VerliererInnen sein.

Forderungen der Gewerkschaft

»Wie kann man garantieren, dass die ArbeiterInnen und KleinproduzentInnen ihren Teil von den neuen Gewinnen erhalten?« fragen die ecuadorianische Landarbeitergewerkschaft FENACLE und das unabhängige Agrarforschungszentrum SIPAE in einem Brief an Präsident Correa. Ihr Vorschlag geht in die Richtung, die eingesparten Zölle für soziale und ökologische Projekte zu verwenden. Offenbar lassen sich ecuadorianische Bananen auf dem europäischen Markt trotz des hohen Einfuhrzolls gut verkaufen. Eine Preissenkung mache von daher keinen Sinn, wichtiger wäre der Transfer der bisherigen Zolleinkünfte nach Ecuador.

Doppeltes Einkommen

Die Senkung des EU-Zolls auf 114 Euro würde auf Basis der letztjährigen ecuadorianischen Importe eine Ersparnis von 125 Mio. Dollar ausmachen, etwa dreimal sowie wie das jährliche Budget des ecuadorianischen Landwirtschaftsministeriums. Damit ließen sich Kontrollen der Arbeits- und Umweltgesetze ebenso finanzieren wie Umstellungsprozesse zur biologischen Bananenproduktion. Für die ökologisch und Fair-Trade orientierten KleinproduzentInnen könnte der Zoll aufgehoben, seine Einsparung direkt an die ProduzentInnen zurückgeführt werden: Sie würden damit – kostenneutral – ihre Einkommen mehr als verdoppeln.

Weblink
Internet-Lexikon wikipedia zu Ecuador:
de.wikipedia.org/wiki/Ecuador

Kontakt
Schreiben Sie Ihre Meinung an den Autor
f.brassel@gmx.net
oder die Redaktion
aw@oegb.at

Von Frank Braßel (Fachkraft des deutschen Evangelischen Entwicklungsdienst eed in Quito)

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 10/2009.

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Redaktion
aw@oegb.at

Du brauchst einen Perspektivenwechsel?

Dann melde dich hier an und erhalte einmal wöchentlich aktuelle Beiträge zu Politik und Wirtschaft aus Sicht der Arbeitnehmer:innen.



Mit * markierte Felder sind Pflichtfelder. Mit dem Absenden dieses Formulars stimme ich der Verarbeitung meiner eingegebenen personenbezogenen Daten gemäß den Datenschutzbestimmungen zu.