Standpunkt | Was sich lohnert

 Als sie noch regelmäßig als Programmansagerin am Bildschirm war, hat das kleine Mädchen, das ich einmal war, seine ersten Belohnungen kassiert. Für Hilfeleistungen im Haushalt gab es da schon manchmal Schnitten oder noch besser ein paar Schillinge. Verdientes Geld war für mich etwas Besonderes. Es erfüllte mit Stolz. Es signalisierte Wert-Schätzung.

Der erste Lohn

Der erste Lohn vom Ferialjob mit 16 wurde in den Urlaub investiert. Vier endlose Wochen malte ich mir in dem staubigen Büro aus, was ich mit diesem (sehr) kleinen Vermögen in den Ferien alles anstellen werde, meinem Geld, selbst verdient. Nicht einfach nur Taschengeld – das Gehalt fürs Tochter sein -, sondern Lohn fürs Früh aufstehen, fürs nicht Baden gehen, fürs Lernen und Dinge richtig machen, fürs Unterordnen – für die Bereitstellung meiner Arbeitskraft. Ich habe viel gelernt in diesem ersten Job von und über Menschen, Ämter und Büroarbeit. Und Arbeiten hat mir durchaus Freude gemacht.
Ich hab mir dann schließlich von dem Geld ein Paar Schuhe gekauft in Frankreich. Sündteure Ledersandalen, die im Grunde aus drei Riemchen bestanden haben. Jenseits aller Vernunft. Wie viel exakt ich damals verdient hatte, weiß ich nicht mehr. Aber an das Gefühl, als ich meinen ersten Lohn bei der Bank einlöste, kann ich mich noch so genau erinnern wie an die Sandalen: Ich war erwachsen.
Der Lohn der Arbeit, das ist ja allgemein bekannt und wird gerne betont, liegt nicht nur im Arbeitsentgelt. Es geht auch um die Arbeit selbst, das gute Gefühl, sie gut zu erledigen – ganz egal ob in der Produktion, im Handel oder in der Dienstleistung. So ist es mir in diesen Tagen auch wunderbarer Lohn für meine Arbeit (& Wirtschaft), wenn ich Ihnen begegne und Sie unsere Zeitschrift loben. Auch Ihre Anregungen waren bislang stets Lohn-end. Aber wie wir alle, bin ich auf Geld angewiesen, um mein Leben zu bestreiten und meine Zukunft zu sichern – auf Geld für die Bereitstellung meiner Arbeitskraft,  meines Wissens, meiner Erfahrung.
Und genauso geht es wohl auch der Kindergärtnerin, die das große Leid eines kleinen Buben lindert, dem Fabriksarbeiter, der am »Auto des Jahres« mitgearbeitet hat, dem Supermarktverkäufer, der der Kundin das Gesuchte präsentiert, der Ärztin, die ein Leben rettet. Sie alle freuen sich sicher über Dank, Wertschätzung, Anerkennung, ein Lächeln, sie freuen sich, dass sie ihren Job gut erledigt haben, aber letztendlich brauchen Sie alle faire Löhne und Gehälter. Auch und gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Immerhin haben 17 ATX-Unternehmen heuer insgesamt 2,2 Mrd. Euro an Dividende an ihre AktionärInnen ausgeschüttet. Und es ist nicht Leistung, die sich hier für diese bezahlt macht – es ist Gewinn, mit dem man Arbeitsplätze retten könnte, Löhne zahlen könnte, KV-Erhöhungen finanzieren.

Leistung muss sich lohnen

»Leistung muss sich lohnen«, forderte der Finanzminister erst vor kurzem in einer Grundsatzrede, und da möchte man ja auch gerne zustimmen. »Leistungsgerechtigkeit« verlangt er für mehr »Verteilungsgerechtigkeit« und lässt all jene unerwähnt, die ein Einkommen ohne Leistung haben.
Sicher: Arbeit muss sich lohnen. Aber die Zahl jener, für die sich ihre Arbeit wenig lohnt, weil sie mit dem Einkommen nicht auskommen, steigt, und auch die Arbeitslosenzahlen wachsen konstant. Für andere wiederum hat sich lebenslange Arbeit in der Pension nicht wirklich gelohnt. Immer mehr Menschen sind armutsgefährdet. Hier muss nach wie vor der Staat Verantwortung tragen. Denn unser reiches Österreich kann und muss sich den Sozialstaat leisten. Eine Gesellschaft kann nämlich nicht nur auf Leistung fixiert sein. Sie muss auch auf ausreichend Solidarität und Menschlichkeit schauen.
Denn auch das lohnert sich.

Von Katharina Klee

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 10/2009.

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