733 Euro, 12-mal im Jahr

Die bedarfsorientierte Mindestsicherung kommt nicht nur zwei Jahre später als ursprünglich geplant, sondern auch in einer deutlich abgespeckten Form. Noch im Regierungsprogramm war vereinbart worden, die Mindestsicherung 14-mal auszuzahlen. Die Kürzung auf zwölf Monatsraten bedeutet für die Betroffenen, dass sie rund 130 Euro im Monat (oder 1.466 Euro jährlich) weniger erhalten werden als ursprünglich geplant. Damit liegt die Mindestsicherung um ca. 170 Euro unter der Armutsgefährdungsquote. Armutsfest ist das nicht. Auch das Ziel den Zugang zu erleichtern, und die Leistungen über alle Bundesländer hinweg zu vereinheitlichen, wird mit dieser Regelung nicht erreicht.
Laut Schätzungen des Sozialministeriums werden die Kosten für die bedarfsorientierte Mindestsicherung in der derzeit geplanten Form jährlich 50 Mio. Euro für die Länder und 120 Mio. für den Bund betragen. Die ursprünglich geplante 14-malige Auszahlung würde im Vergleich dazu rund 20 Mio. Euro mehr kosten.

Sozialhilfe und Mindestsicherung

Da die bestehende Sozialhilfe je nach Bundesland unterschiedlich geregelt ist, und die ausgezahlten Leistungen oft aus mehreren Teilleistungen bestehen, ist ein Vergleich mit der neuen Mindestsicherung nicht leicht möglich und wenn, dann für jeden Einzelfall unterschiedlich. Wie viel an Sozialhilfe jemand derzeit bekommen kann, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab: wo man wohnt, wie groß die Wohnung ist, wie viele Kinder man hat, ob man arbeitsfähig ist etc. In den meisten, aber nicht allen Bundesländern können zusätzliche Geldleistungen für Heizkosten oder andere Anschaffungen auf Antrag gewährt werden. Erst die Praxis wird zeigen, welche dieser Leistungen die Länder über den Sockelbetrag der Mindestsicherung hinaus weiter auszahlen werden. Durch das Verschlechterungsverbot bleibt zwar gewährleistet, dass niemand schlechter gestellt wird. Die große finanzielle Verbesserung für die Menschen, die auf diese Hilfe angewiesen sind, bleibt aber aus.

Eine Million unter der Armutsgrenze

Auch 14-mal im Jahr ausbezahlt, wäre die Mindestsicherung im Übrigen noch weit davon entfernt, eine »soziale Hängematte« zu sein. Laut EU-SILC1 liegt die mittlere Armutsgefährdungsquote für Österreich bei etwas mehr als 900 Euro. Diesen Betrag würde auch die 14-mal ausbezahlte Mindestsicherung deutlich unterschreiten.
Im Schnitt werden pro SozialhilfebezieherIn und Monat derzeit 179 Euro ausgegeben. Das bedeutet, dass nur die wenigsten SozialhilfebezieherInnen ihren Lebensunterhalt tatsächlich aus der Sozialhilfe decken. Daran wird sich auch durch die Einführung der Mindestsicherung wohl nicht viel ändern.
Einer der Hauptkritikpunkte an der derzeitigen Sozialhilfe ist die hohe Zugangsbarriere. Etwa eine Million Menschen leben in Österreich unter der Armutsgrenze.2 Nur jede/r Sechste davon bezieht auch tatsächlich Sozialhilfe. Das bedeutet, die Zahl der EmpfängerInnen von Geldleistungen der offenen Sozialhilfe (ohne SeniorInnen- und Pflegeheime) steht in keinem Zusammenhang mit der Zahl der Einkommensarmen. Laut Berechnungen der Armutskonferenz unterscheiden sich diese Zahlen auch nach Bundesländern ganz erheblich.

Viele wissen nicht Bescheid

Während in Wien jede dritte Person, die unter der Armutsgrenze lebt, zumindest einmal eine Leistung aus der offenen Sozialhilfe bekommt, ist es im Burgenland nur jede 43. Person, in Kärnten jede 41. Von den Einkommensarmen, die keine Sozialhilfe beziehen, ist ein Teil nicht anspruchsberechtigt.3 Aber auch die Anspruchsberechtigten erhalten nur zum Teil eine Geldleistung.
Das Europäische Zentrum für Wohlfahrtspolitik hält in einer Studie fest, dass 49 bis 61 Prozent der Anspruchsberechtigten – etwa 150.000 Personen – keine Sozialhilfe beziehen. Die Gründe da-für sind unterschiedlich: Viele Betrof-fene wissen nicht über ihre Ansprüche Bescheid, sie finden sich im Dickicht der unterschiedlichen Bestimmungen nicht zurecht, sie schämen sich oder haben Angst vor dem möglichen Regress. Oft sind auch grobe Mängel im Sozialhilfevollzug dafür verantwortlich, dass Menschen um ihre Unterstützung umfallen.

Reform nicht gelungen

Die Mindestsicherung sollte den Sozialhilfevollzug grundsätzlich reformieren, für die Betroffenen mehr Rechtssicherheit, raschere Entscheidungen und einen niederschwelligeren Zugang erreichen. Dieses Ziel wurde mit der vorliegenden Regelung eindeutig verfehlt.
Die zwölf Auszahlungen stellen einen Mindeststandard dar. Darüber hinaus kann jedes Land die Mindestsicherung durch Zuschüsse erhöhen. Die Mindestsicherung ersetzt nicht die Sozialhilfe, sondern fügt sich in das bestehende System der neun Bundesländerregelungen ein. Durch den deutlich niedriger als vorgesehen angesetzten Mindeststandard wird die Zielsetzung, die unterschiedlichen Leistungshöhen (bisher aufgrund unterschiedlicher Sozialhilfegesetze) zu harmonisieren, verfehlt werden.
Für die betroffenen Menschen werden weiterhin mehrere Stellen zuständig sein.
Unter dem Motto: »Trampolin statt Hängematte« sollen in Zukunft für BezieherInnen der Mindestsicherung dieselben Bedingungen gelten wie für Arbeitslosengeld- und NotsstandshilfebezieherInnen. BezieherInnen der Mindestsicherung müssen dem AMS zur Verfügung stehen und arbeitswillig sein, ansonsten kann die Leistung um die Hälfte gekürzt werden. Diese Maßnahme erscheint im Hinblick auf ihre existenzgefährdende Wirkung überzogen und ist daher abzulehnen.
Zwei wesentliche Verbesserungen bringt die neue Regelung immerhin: MindestsicherungsbezieherInnen haben in Zukunft Anspruch auf eine e-card, und damit unbeschränkten Zugang zu medizinischen Leistungen. Die stigmatisierenden Sozialhilfekrankenscheine gehören damit der Vergangenheit an. Dieser Schritt stellt daher eine wirkliche Verbesserung für die Betroffenen dar und erfüllt eine wichtige gewerkschaftliche Forderung.
Eine weitere Verbesserung ist die Begrenzung des Regresses, weil gerade die Rückzahlungsverpflichtung bei Aufnahme einer Berufstätigkeit vielen Menschen den Wiedereinstieg ins Berufsleben erschwert hat. In Zukunft wird es klare Ausnahmen für die Vermögensverwertung (z. B. benötigtes Kfz, Hausrat etc.) und einen fixen Vermögensfreibetrag in Höhe der fünffachen Leistungshöhe für Alleinstehende geben (2009: 3.665 Euro). Damit Menschen Armut überwinden können, wäre es wichtig, diese Grenze zu erhöhen. Vor allem für Mehrpersonenhaushalte erscheint die Grenze äußerst niedrig.

Thema Armutsbekämpfung bleibt

Das Thema Armutsbekämpfung wird uns in den kommenden Monaten leider noch stärker beschäftigen. Die dramatisch steigenden Arbeitslosenzahlen sind ein eindeutiges Alarmzeichen. Begleitend zur Mindestsicherung sollten laut Regierungsprogramm auch mindestsichernde Elemente in der Arbeitslosenversicherung ausgebaut werden. Die bislang erfolgten Schritte sind nach Ansicht der GPA-djp nicht ausreichend.
Die im Rahmen des Arbeitsmarktpakets II festgelegte Aufwertung der Bemessungsgrundlage beim Arbeitslosengeld bringt für Arbeitslose nur minimale Verbesserungen. Die von Gewerkschaftsseite geforderte deutliche Anhebung der Ersatzrate beim Arbeitslosengeld und Verbesserungen bei der Notstandshilfe wurden nicht einmal ansatzweise umgesetzt.

1 Erhebung zur Ermittlung der Armutsgefährdungsquote
2 Quelle: Statistik Austria (2009): Einkommen, Armut und Lebensbedingungen. Ergebnisse aus EU-SILC 2007
3 Z. B. Personen, deren Einkommen unter der EU-SILC-Schwelle, aber über der jeweiligen Landes-Sozialhilfe-Schwelle liegt

Weblinks
Alle Infos vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz:
www.bmsk.gv.at/cms/site/dokument.html?channel=CH0052&doc=CMS1218182092804
Armutsgefährdungsquote bei Statistik Austria:
www.statistik.at/web_de/statistiken/soziales/armut_und_soziale_eingliederung/index.html

Kontakt
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Von Mag. Lucia Bauer (Büro des Vorsitzenden GPA-djp)

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 10/2009.

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