Ein Lohn für den Mut

Eine gestandene Innviertlerin, die sechs Kinder allein großgezogen hat. Eine Buchhalterin, die einen neuen Job sucht, weil Mobbing und Terror sie aus der Firma getrieben haben. Ein Arbeiter aus Eferding, gegen den seine Firma vor Gericht zieht. Ein erfolgreicher Sozialplan-Verhandler, der zusehen muss, wie ein hochprofitables Unternehmen seine Pforten für immer schließt. Und ein leidenschaftlicher Gewerkschafter, der in mühsamer Knochenarbeit einen Betrieb organisiert: Fünf Persönlichkeiten standen im Mittelpunkt des Festakts »90 Jahre Betriebsrat« am 19. September in Linz, bei dem erstmals die Betriebsrats-Awards verliehen wurden.

Betriebsratsgründung ist oft Kampf

90 Jahre alt ist das Betriebsrätegesetz. In vielen Betrieben herrscht aber immer noch Willkür. Obwohl das Arbeitsverfassungsgesetz vorsieht, dass in Betrieben mit mehr als fünf Beschäftigten ein Betriebsrat einzurichten ist, gleicht der Weg dorthin oft einem harten Kampf. Dank und Anerkennung für BetriebsrätInnen gibt es selten. Noch weniger für jene, die schon vor der Wahl auf der Strecke blieben, gekündigt oder aus der Firma gemobbt wurden. »Dass es möglich ist, ArbeitnehmerInnen ihrer Rechte zu berauben, ohne auch nur die geringste Strafe zu kassieren, zeigt akuten Handlungsbedarf«, sagt ÖGB-Landesvorsitzender Dr. Johann Kalliauer. Mit der ersten Verleihung von Betriebsrats-Awards will der ÖGB Oberösterreich Bewusstsein schaffen. »Das Arbeitsverfassungsgesetz muss geändert werden. Es darf nicht sein, dass KollegInnen ihre Existenz aufs Spiel setzen müssen, nur um einen Betriebsrat zu installieren.«

Aus der Firma gemobbt

Heidi Wesetslintner passt so gar nicht ins klassische Bild eines Betriebsrates. Sie ist kein »Betriebskaiser«, freigestellt, mit eigenem Büro, bester Infrastruktur und hohem Status im Betrieb. Wesetslinter ist Buchhalterin. Sie und einige Kollegen wollten es sich nicht mehr gefallen lassen, dass ihnen der Chef, dessen Hobby teure Rennpferde sind, Jahr für Jahr die kollektivvertragliche Lohnerhöhung vorenthält. Was liegt da näher, als die Wahl eines Betriebsrates? Mit Widerstand hat sie gerechnet. Was dann aber alles in Bewegung gesetzt wurde, um Wesetslintner und ihre Kollegen Reinhold Leitner und Christian Kneißl loszuwerden, überstieg ihre Vorstellungskraft. Ungezählte (gewonnene) Gerichtsverfahren, Schmuddelkampagnen und persönliche Angriffe später, sahen sich die rechtmäßig gewählten BetriebsrätInnen gezwungen, ihr Amt zurückzulegen. Der Gesundheit war es nicht mehr zumutbar, in die Firma zu gehen. Der Betriebsrats-Award in der Kategorie »Zivilcourage« soll ein Zeichen der Anerkennung für Menschen wie Heidi Wesetslintner sein. Menschen, die den Mut aufgebracht haben, bei einer Betriebsratswahl zu kandidieren, die aber wegen Widerstand des Unternehmens sogar aus dem Betrieb gemobbt wurden.
»Soziales Engagement und Ehrenamt werden vom Land Oberösterreich hoch geschätzt, zweifellos wichtige Ehrenämter – von der Feuerwehr bis zur Rettung – gewürdigt. Doch das zentrale Ehrenamt für ArbeitnehmerInnen, der Betriebsrat, wird leider von offizieller Seite gern vergessen«, skizziert Kalliauer die Idee hinter dem Betriebsrats-Award. Der Award wurde in fünf Kategorien verliehen. Rund 50 engagierte, aber auch von Unternehmen verhinderte, BetriebsrätInnen wurden von Gewerkschaftsmitgliedern für den Award nominiert.

Einen breiten Buckel

Als Rückgrat der Gewerkschaftsbewegung ehrte ÖGB-Präsident Erich Foglar die ausgezeichneten ArbeitnehmervertreterInnen. Eine, die neben Rückgrat auch noch einen breiten Buckel mitbringt, ist Margit Wenigwieser. Die Betriebsratsvorsitzende der Lederfabrik Vogl weiß, dass frau sich auf die Füße stellen muss, wenn sie etwas erreichen will. Ihr wurde der Betriebsrats-Award in der Kategorie »Neugründung« verliehen. Ein Grüppchen Männer und Frauen wollte gemeinsam einen Betriebsrat in der Innviertler Lederfabrik ins Leben rufen. Als aber der erste Gegenwind spürbar wurde, sprangen die Männer schnell wieder ab. Übrig blieben mutige Frauen. »Dann machen wir es halt allein«, war Wenigwiesers Reaktion. Eine Alleinerzieherin von sechs Kindern lässt sich nicht so schnell unterkriegen, nur weil die Männer abspringen. Heute bemühen sich Betriebsrat und Geschäftsleitung um konstruktive Zusammenarbeit.
Der Betriebsrats-Award wurde in mehreren Kategorien verliehen, um sowohl etablierte BetriebsrätInnen vor den Vorhang zu holen, die viel für ihre KollegInnen erreicht haben, als auch junge Betriebsräte zu ehren, die unter schwierigen Bedingungen einen neuen Betriebsrat gegründet haben. Die GewinnerInnen wurden von einer Jury unter Vorsitz von Sozialminister Rudolf Hundstorfer ausgewählt. Neben ÖGB-Landeschef Johann Kalliauer kürten die ehemalige ÖGB-Vizepräsidentin Irmgard Schmidleithner, FCG-Frauenvorsitzende Monika Gabriel, ÖGB-Kampagnensekretär Willi Mernyi und der Betriebsseelsorger Hans Gruber die Sieger.

1. Sozialplan für LeiharbeiterInnen

Zu den bittersten Aufgaben eines Betriebsrates gehört das Verhandeln eines Sozialplans. Im Fall des Austria Tabak Werks in Linz kam dazu, dass die Firma hoch profitabel arbeitete. Unter Finanzminister Karl-Heinz Grasser, der heute für seine originellen Privatisierungsabenteuer bekannt ist, wurde die ATW zu einem Schleuderpreis privatisiert. Mit dem Ergebnis, dass ein Werk nach dem anderen zugesperrt wurde. Was bleibt, ist ein Sozialplan, der Härtefälle abmildert. Es ist die Leistung der beiden Betriebsräte Ferdinand Breiteck und Andreas Wildberger, dass unter anderem eine freiwillige Abfertigung, Weiterbildung in der Kündigungsfrist und eine betriebliche Vorruhestandsregelung den Verlust des Arbeitsplatzes erträglicher machen. Beispielgebend ist der Sozialplan, weil er erstmals auch LeiharbeiterInnen mit einbezieht. Diese Pionierarbeit wurde mit dem Betriebsrats-Award in der Kategorie »Fortschritt« ausgezeichnet.

Betriebsrat im Widerstand

Immer wieder wehren sich BetriebsrätInnen erfolgreich gegen Lohnkürzungen, Arbeitsplatzabbau oder Arbeitszeitverlagerungen. In der Kategorie »Widerstand« wurde ein Betriebsrat ausgezeichnet, der am eigenen Leib erfuhr, was es bedeutet, ins Kreuzfeuer zu geraten. Nach der Übernahme der Büromöbelfirma Hali durch die Firma »fun at work« war für die Beschäftigten der Spaß vorbei. Weil er sich im Interesse seiner KollegInnen gegen die einseitige Kündigung von Betriebsvereinbarungen und finanzielle Verschlechterungen wehrte, wurde Betriebsratsvorsitzender Josef Jungreithmayr zum Ziel persönlicher Angriffe und Schikanen. Jungreithmayr und sein Team geben nicht auf. Aktuell läuft ein Verfahren am Landesgericht Wels, weil die Firma um Zustimmung zur Kündigung des Betriebsrates angesucht hat. Parallel zum Rechtsstreit fuhrwerken die neuen Eigentümer in der Firma ungebremst weiter. Erst kürzlich trennten sie sich von allen Monteuren am Hauptsitz Eferding. Ihre Arbeiten hat eine Fremdfirma übernommen. BetriebsrätInnen müssen KämpferInnen sein.
Gerade wenn es darum geht, einen neuen Betriebsrat zu errichten, ist Durchhaltevermögen gefragt. Dass es mit Herzblut und Engagement machbar ist, auch in gewerkschaftsfernen Kreisen Erfolge zu feiern, zeigt das Beispiel von Karl Loitelsberger. Er gründete erstmals in der Geschichte des Unternehmens Wolf Systembau einen Betriebsrat. Nur sechs Kollegen von Karl Loitelsberger waren Gewerkschaftsmitglieder. Heute, nur fünf Jahre nach seiner ersten Wahl, sind von den 365 Arbeitern 265 bei der Gewerkschaft.

Strenge Strafen

90 Jahre hat das Betriebsrätegesetz am Buckel. Dass es noch immer Unternehmen gibt, die Rechte der ArbeitnehmerInnen torpedieren, dass es noch immer Menschen gibt, die ihre Arbeit verlieren, weil sie Demokratie einfordern, ist eine Schande. BetriebsrätInnen leisten einen großen Beitrag zum gedeihlichen Miteinander in Betrieben, zum sozialen Frieden. Ihnen gebührt Dank und Anerkennung. Und jenen, die sie verhindern wollen, strenge Strafen.

Weblinks
Alle Infos zum Abenteuer Verantwortung:
www.betriebsraete.at

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Von Mag. Carmen Janko (ÖGB Oberösterreich)

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 10/2009.

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