Die Fragen »Wer profitiert von bestimmten Ausgaben des Staates?« oder »Wer leistet welchen Beitrag zur Finanzierung der öffentlichen Haushalte?« sind gerade in Krisenzeiten besonders aktuell, wenn es darum geht, welcher budgetärer Spielraum zur Krisenintervention gegeben ist, und wen allfällige Kürzungen von öffentlichen Leistungen treffen. Eine aktuelle Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) »Umverteilung durch den Staat in Österreich« zeigt auf, wie die Ungleichheit der Verteilung der Markteinkommen in den vergangenen 15 Jahren zugenommen hat. Während die Lohneinkommen tendenziell stagnieren oder bei benachteiligten Gruppen sogar sinken, sind Gewinne und Erträge aus Besitz und Vermögen sehr stark gestiegen. Aber auch innerhalb der ArbeitnehmerInnen hat sich die Einkommensschere zwischen Besserverdienenden und Menschen mit niedrigem Einkommen weiter geöffnet.
Sozialstaat Opfer der Krise
Aus der Studie geht eindeutig hervor, dass die Einkommenssituation der Haushalte mit niedrigem Einkommen durch verschiedene Staatsausgaben – insbesondere Sozialausgaben – wesentlich verbessert wird. Ohne staatliche Hilfe würde das untere Einkommensdrittel der Haushalte nur 14 Prozent der (entsprechenden) Markteinkommen erzielen, aber durch die staatliche Umverteilung verfügen sie über 23 Prozent der Einkommen. Viele dieser Haushalte mit niedrigen Verdienstchancen sind zu einem großen Teil von diesen staatlichen Leistungen – Geld und Sachleistungen! – abhängig. Das zeigt sich auch anhand von Daten zur Armutsgefährdung in Österreich: Wären durch die »Verteilungsgerechtigkeit des Marktes« vier von zehn Menschen armutsgefährdet, so ist es real – also nach staatlicher Intervention – nur noch einer.
Der Sozialstaat ist ein Opfer der Wirtschaftskrise, da die Einnahmen (Steuern, Sozialversicherungsbeiträge etc.) im Gleichklang mit der Wirtschaft schrumpfen, aber gleichzeitig auf der Ausgabenseite die Zahl der LeistungsbezieherInnen und die Ausgabenerfordernisse steigen (z. B. durch stark gestiegene Arbeitslosigkeit). Jetzt nur die »TäterInnen« (internationales Finanzsystem, so mancher realwirtschaftlicher Konzern) zu unterstützen und beim »Opfer« den Sparstift anzusetzen wäre geradezu absurd. Es wäre aber auch ein schwerer sozial- und wirtschaftspolitischer Fehler, da Leistungen wie Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Sozialhilfe, Familienleistungen oder Pensionen ganz wesentlich dazu beitragen, dass die Konsumausgaben der privaten Haushalte gerade in der Wirtschaftskrise stabil bleiben. Während Exporte und Investitionen aktuell im zweistelligen Bereich wegbrechen, verhindern gerade die durch den Staat stabilisierten Konsumausgaben eine noch drastischere Wirtschaftskrise. Die Stärke des österreichischen Sozialstaats besteht eben u. a. darin, dass die Sozialausgaben einerseits automatisch in wirtschaftlichen Abschwungzeiten antizyklisch stabilisierend wirken, und andererseits in verschiedenen Bereichen existenz- und lebensstandardbedrohende Lebensumstände (z. B. Arbeitslosigkeit, Krankheit, Alter) zumindest entschärfen. Kürzungen der Sozialausgaben treffen daher in der Regel Haushalte mit niedrigem Einkommen unverhältnismäßig stark, sind deshalb sozialpolitisch problematisch und verzögern den Wirtschaftsaufschwung.
Strukturelle Verbesserung
Schafft man es, die Mittel zur öffentlichen Aufgabenerfüllung zu erhöhen, kann man hohe Leistungsniveaus aufrechterhalten bzw. den Sozialstaat strukturell verbessern. Die AK Wien wird in den nächsten Ausgaben der Zeitschrift Aktuell näher auf die einzelnen Kapitel dieser Studie eingehen.
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Mehr Infos unter:
www.wifo.ac.at
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Der Text stammt aus Aktuell Nr. 6/09: Verteilungsgerechtigkeit – Österreich auf dem Prüfstand.
Von Elisabeth Glantschnig (AK Wien – Service und Information)
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 10/2009.
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