An Stelle des Einsparens

Die fundamentale Krise des Kapitalistischen Systems nötigt zu der Erkenntnis, dass man sich neuer Methoden und Wege bedienen muss, die geeignet sind, den vollständigen Verfall unserer Wirtschaft zu verhindern. Da sich das Einsparen an der Erzeugung von Werten nicht als Wirtschaft ankurbelnd, sondern als Wirtschaft hemmend und Krisen verschärfend ausgewirkt hat, muss an Stelle des Einsparens … großzügige Wertschaffung, die Erstellung produktiver Werte treten. … Dabei sollten neue Wege gesucht und gegangen werden … Jedes Zurückschrecken vor dem unbekannten, nicht in die Lehren der Währungstheorie passenden neuen Weg der Schaffung von Mitteln zur Erzeugung von Werten muss nach der Sachlage der Entwicklung der Krise und ihrer Erscheinungen mit Selbstaufgaben und stillem Zuwarten auf den Zusammenbruch enden. Mit der Ablehnung des Gedankens an die Zukunft, welche Folgen ein Zusammenbruch an allen Kulturgütern der Menschen haben müsste und welche Opfer sich an einen Wideraufbau knüpfen, kann man dauernd nicht bestehen.
Johann Schorsch kam von den MetallarbeiterInnen und war Erster Sekretär (wir würden heute sagen »Bundesgeschäftsführer« oder »Leitender Sekretär«) des Bundes der Freien Gewerkschaften. Die Regierungen und Parteien (auch der sozialdemokratischen) in Europa hatten abgesehen von Frankreich zur Bewältigung der Folgen der großen Finanzkrise, die 1929 begann und zur großen Wirtschaftskrise wurde, sehr traditionelle »Rezepte«. Sie liefen auf extremes Einschränken aller öffentlichen Leistungen und Investitionen hinaus, um die dem Bankrott nahen Staatsbudgets gesund zu sparen – oder auf das Hinnehmen des Zusammenbruchs der Wirtschaft. Das Konzept Johann Schorschs und des Bundes der Freien Gewerkschaften verlangte dagegen eine aktive Krisen- und Konjunkturpolitik. Es lehnte sich dabei an ein Programm des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbunds an, das seine Ideen seinerseits von den damals fortschrittlichsten Wirtschaftsexperten bezog.
In den USA stützte sich Präsident Franklin D. Roosevelt ab 1933 mit der Krisenbekämpfungsaktion »New Deal« erfolgreich auf diese Vorschläge, in Europa blieben die Freien Gewerkschaften Deutschlands und Österreichs allerdings (fast) die einzigen Rufer in der Wüste. Erst in der Wiederaufbauphase nach dem Zweiten Weltkrieg wurde »Staatsintervention« in die sogenannten »Freien Märkte« für einige Jahrzehnte nicht mehr aus Prinzip verteufelt. Damit erhielten der Aufbau des Sozialstaats und die Stabilisierung der Demokratie ihre Chance.
Zitiert nach dem Standardwerk von Ulrike Weber-Felber »Wege aus der Krise – Freie Gewerkschaften und Wirtschaftspolitik in der ersten Republik«, zu finden in der Sozialwissenschaftlichen Bibliothek der AK Wien.

Zusammengestellt und kommentiert von Historikerin Dr. Brigitte Pellar brigitte.pellar@aon.at

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