Die Gleichbehandlung von Menschen bzw. der Schutz vor Diskriminierung ist in der Europäischen Union aufgrund des EG-Vertrags Artikel 13 als Grundrecht festgelegt1). Im Jahr 2000 hat der Ministerrat der EU zwei Richtlinien2) beschlossen, die gemeinhin als Antidiskriminierungsrichtlinien bezeichnet werden. Diese konkretisieren das Grundrecht auf Gleichbehandlung und verpflichten die Mitgliedsstaaten unmittelbar dazu, ihre Gesetzgebung anzupassen.
Rasse oder ethnische Herkunft
Es handelt sich dabei um die Richtlinie 2000/78/EG, die einen allgemeinen Rahmen zur Bekämpfung von Diskriminierung aufgrund der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung (Rahmenrichtlinie zur Gleichbehandlung) festlegt. Sie umfasst nur den Bereich Beschäftigung und Beruf. Weiters wurde die Richtlinie 2000/43/EG zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder ethnischen Herkunft (Antirassismusrichtlinie) beschlossen. Sie gilt zusätzlich noch für die Bereiche Sozialschutz, soziale Vergünstigungen, Bildung und Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich von Wohnraum. Des Weiteren wurde von der EU im Jahr 2002 die Gleichbehandlungsrichtlinie 76/207/EWG geändert.
Die innerstaatliche Umsetzung der oben angeführten Richtlinien erfolgte für den Bereich der Privatwirtschaft im Bundesgesetz über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GBK-/GAW-Gesetz) und im Bundesgesetz über die Gleichbehandlung (Gleichbehandlungsgesetz). Der Diskriminierungstatbestand der Behinderung wurde nicht in den beiden Gesetzen geregelt, da die innerstaatliche Umsetzung in einem eigenen Behinderten-Gleichstellungsgesetz erfolgen soll. Die innerstaatliche Umsetzung des Dienstrechts des Bundes wurde im Bundes-Gleichbehandlungsgesetz vorgenommen.
Verstärkt Frauen und Ältere integrieren
Für die Verabschiedung der Antidiskriminierungsrichtlinien gibt es auch Gründe, die in wirtschafts- und sozialpolitischen Zielsetzungen der EU liegen. Beim Europäischen Rat zu Beschäftigung und Innovation in Lissabon im März 2000 wurde beschlossen, bis 2010 eine Beschäftigungsquote von 70 Prozent EU-weit zu erreichen. Doch ein hohes Beschäftigungsniveaus wird nur dann erreicht werden, wenn verstärkt Frauen, ältere ArbeitnehmerInnen und Menschen, die unterschiedlichen ethnischen Minderheiten angehören, sowie Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Gleiche Chancen am Arbeitsplatz sind eine wichtige Voraussetzung, um dieses Ziel zu erreichen.
Ein hohes Ausmaß an Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wiederum würde die gesellschaftliche Integration in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union behindern und gefährden.
Sexuelle Ausrichtung
Wie erleben die betroffenen Gruppen ihre Diskriminierung in unserer Gesellschaft? Für Österreich liegen keine Studien zur Diskriminierung von schwulen und lesbischen ArbeitnehmerInnen vor, doch deutsche und schwedische Untersuchungen zeigen, dass 80 Prozent dieser Gruppe Diskriminierungserfahrungen am Arbeitsplatz hat.
Das Institut SORA hat im Auftrag des Equal-Projekts »Gleiche Chancen« Diskriminierungen von MigrantInnen am Arbeitsplatz erhoben. Dazu wurden Befragungen von Zuwanderern mit ArbeitnehmerInnen, die die österreichische Staatsbürgerschaft haben, herangezogen. Die Ergebnisse zeigen unter anderem, dass sich 40 Prozent der ausländischen ArbeitnehmerInnen durch schlechte Gesundheitsbedingungen am Arbeitsplatz stark belastet fühlen, im Vergleich zu 16 Prozent der inländischen ArbeitnehmerInnen. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei Unfall- und Verletzungsgefahren. 33 Prozent der ausländischen ArbeitnehmerInnen sehen diese Gefahr für sich am Arbeitsplatz, aber nur 13 Prozent der inländischen KollegInnen. Diese Ergebnisse zeigen natürlich die strukturelle Diskriminierung von MigrantInnen in unserer Gesellschaft, sie finden nur in bestimmten gesundheitsbelastenden Branchen Arbeit.
Auch ältere ArbeitnehmerInnen in Österreich fühlen sich aufgrund ihres Alters bei der Jobsuche extrem benachteiligt. Nur fünf Prozent der über 45-Jährigen sehen im Falle von Arbeitslosigkeit für sich »sehr gute Chancen« einen angemessenen neuen Job zu finden. Das ergab der Arbeitsklima-Index der AK Oberösterreich im Herbst 20033).
In welchen Bereichen sind nun Ungleichbehandlungen durch die neuen gesetzlichen Bestimmungen verboten?
Diskriminierungsverbote
Aufgrund des Geschlechts, der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion, der Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere
- bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses,
- bei der Festsetzung des Entgelts,
- bei der Gewährung freiwilliger Sozialleistungen,
- bei Maßnahmen der Aus- und Weiterbildung und Umschulung,
- beim beruflichen Aufstieg, insbesondere bei Beförderungen,
- bei den sonstigen Arbeitsbedingungen,
- bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie in der sonstigen Arbeitswelt, nämlich
- beim Zugang zur Berufsberatung, Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung und Umschulung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses,
- bei der Mitwirkung in einer ArbeitnehmerInnen- oder ArbeitgeberInnenorganisation,
- bei den Bedingungen für den Zugang zu selbständiger Erwerbstätigkeit.
Neben den ArbeitnehmerInnen unterliegen auch HeimarbeiterInnen sowie arbeitnehmerInnenähnliche Personen diesen Diskriminierungsverboten.
Diskriminierung kann offensichtlich sein, doch manchmal kann sie versteckt bleiben oder sie tritt subtil auf. Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person aufgrund ihres Geschlechts, der Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihres Alters oder ihrer sexuellen Orientierung in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfahrt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.
Ein Beispiel dazu: Eine Arbeitnehmerin über 50 bekommt keine Einladungen für interne Aus- und Weiterbildungen. Auf Nachfrage, warum dies so sei, erklärt der Personalverantwortliche, dass sich eine Weiterbildung für über 50-Jährige nicht mehr bezahlt macht.
Bei Ungleichbehandlungen wegen eines Merkmals, z. B. des Alters, liegt nur dann keine Diskriminierung vor, wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder den Rahmenbedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Voraussetzung darstellt. Wenn z. B. ein Regisseur eine Schauspielerin für die Mutter Courage im gleichnamigen Stück von Bert Brecht für eine traditionelle Inszenierung sucht, dann wird diese Rolle nur schwer eine 20-jährige Frau spielen können. In diesem Fall ist das Alter eine wesentliche und entscheidende Voraussetzung, um diese Rolle zu übernehmen.
Dem Anschein nach
Eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren, Personen eines bestimmten Geschlechtes, einer ethnischen Gruppe, einer bestimmten Religion, einer Weltanschauung, eines bestimmten Alters oder einer sexuellen Orientierung gegenüber anderen Personen benachteiligen, die nur dann zulässig ist, wenn die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.
Ein Beispiel dazu: Oft ist Teilzeitbeschäftigten der berufliche Aufstieg verwehrt. Nachdem vorrangig Frauen teilzeitbeschäftigt sind, stellt dies eine mittelbare Diskriminierung von Frauen dar.
Sanktionen
Welche Sanktionen gibt es, wenn das Gleichbehandlungsgebot verletzt wurde?
Wurde bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses diskriminiert, beträgt der Schadenersatz mindestens ein Monatsentgelt, wenn der Stellenwerber bei diskriminierungsfreier Auswahl die Stelle erhalten hätte.
Wird ein/e ArbeitnehmerIn beim beruflichen Aufstieg diskriminiert, beträgt der Schadenersatz mindestens die Entgeltdifferenz für drei Monate, wenn der/die ArbeitnehmerIn bei diskriminierungsfreier Auswahl aufgestiegen wäre.
Wurde ein/e ArbeitnehmerIn aufgrund des Alters, der ethnischen Zugehörigkeit usw. nicht in eine betriebliche Aus- und Weiterbildungsmaßnahme einbezogen, so hat der/die ArbeitnehmerIn Anspruch auf Einbeziehung in die entsprechende Maßnahme oder auf Ersatz des Vermögensschadens und auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung.
Ist der/die ArbeitnehmerIn aufgrund eines oben angeführten Diskriminierungsmerkmals gekündigt oder entlassen worden, kann die Kündigung oder Entlassung angefochten werden.
Wurde ein/e ArbeitnehmerIn aufgrund einer der oben angeführten Diskriminierungsmerkmale bei den Arbeitsbedingungen schlechter behandelt, so hat der/die ArbeitnehmerIn Anspruch auf die gleichen Arbeitsbedingungen oder auf Ersatz des Vermögensschadens und auf eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung.
Wurde jemand bei der Entlohnung diskriminiert, hat der/die ArbeitnehmerIn Anspruch auf Bezahlung der Differenz und eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung.
Durch die neuen gesetzlichen Bestimmungen wurde »Belästigung« in Verbindung mit Alter, sexueller Orientierung usw. als Tatbestand der Diskriminierung festgelegt. Eine Belästigung liegt vor, wenn eine unerwünschte Verhaltensweise gesetzt wird, die die Würde der betroffenen Person verletzt und für diese unerwünscht ist, sowie dadurch für sie ein einschüchterndes, feindseliges Umfeld geschaffen wird. Bei einer Belästigung beträgt der Mindestschadenersatz 400 Euro.
Der Anspruch auf Schadenersatz für die erlittene persönliche Beeinträchtigung dient der Abgeltung von Verletzungen der persönlichen Würde, die durch diskriminierendes Verhalten oder diskriminierende Entscheidungen erfolgen. Dies ist ein ideeller Schadenersatzanspruch, der vom Gericht global zu bemessen ist.
Gebot der diskriminierungsfreien Stellenausschreibung
Weiters sind ArbeitgeberInnen verpflichtet, alle internen und externen Stellenausschreibungen diskriminierungsfrei zu halten. Beim ersten Verstoß erfolgt nur eine Verwarnung der Bezirksverwaltungsbehörde, bei weiteren Verstößen ist der/die ArbeitgeberIn mit einer Geldstrafe bis zu 360 Euro zu bestrafen.
Verfahren und Fristen
Im Falle einer Diskriminierung kann sich die betroffene Person grundsätzlich an das Gericht und/oder die Gleichbehandlungskommission wenden. Die Gleichbehandlungskommission erstellt Gutachten und nimmt Einzelfallprüfungen vor. Schadenersatz- oder Erfüllungsansprüche können nicht vor der Gleichbehandlungskommission geltend gemacht werden. Darüber können nur die Gerichte entscheiden.
Die Entscheidungen der Gleichbehandlungskommission sind für das Gericht grundsätzlich nicht verbindlich, ein Urteil, das jedoch von dem Ergebnis der Gleichbehandlungskommission abweicht, hat das Gericht zu begründen.
Wenn ein Antrag vor der Gleichbehandlungskommission eingebracht wird, dann werden dadurch die Fristen zur gerichtlichen Geltendmachung gehemmt. Mit Zustellung des Ergebnisses der Kommission wird die Hemmung der Fristen zur gerichtlichen Geltendmachung beendet. Danach steht dem/der ArbeitnehmerIn zur Erhebung der Klage mindestens noch eine Frist von drei Monaten offen. War die ursprüngliche Frist kürzer, so steht dem/der ArbeitnehmerIn nur diese offen.
Dolmetscherkosten im Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission werden von Amts wegen getragen.
Um Diskriminierung am Arbeitsplatz in der Praxis wirksam bekämpfen zu können, werden rechtliche Vorschriften alleine, die auf individualrechtlichen Bestimmungen beruhen, nicht ausreichend sein. Gleichzeitig müssen Unternehmen motiviert werden, neue Maßnahmen im Personalbereich zu setzen. Die sozialen und ökonomischen Veränderungen unserer Gesellschaft werden Unternehmen immer mehr dazu bringen, sich um die Vielfalt ihrer Belegschaften Gedanken zu machen und sie effektiv zu nutzen. Dies betrifft vor allem signifikante Veränderungen der Bevölkerungsstruktur in allen europäischen Ländern.
Diversity-Management – Vielfalt im Unternehmen
Das Durchschnittsalter der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter steigt, wodurch es in den Belegschaften mehr ältere und weniger jüngere Arbeitneh-merInnen geben wird. (siehe dazu »Arbeit&Wirtschaft« 7-8/04 »Ältere ArbeitnehmerInnen. Das verborgene Gold im Unternehmen«, S. 34). Die Migration führt zu einer multikulturellen und multiethnischen Bevölkerung in ganz Europa, auch in Österreich. Schwule und lesbische ArbeitnehmerInnen stellen immer mehr den berechtigten Anspruch, ihre Lebensweise nicht mehr verstecken zu müssen. Auch Menschen mit Behinderung fordern die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ein.
Unternehmen müssen auf diese Veränderungen, die oft mit gesellschaftlichem Wertewandel, mit neuen Denkweisen und Bedürfnissen verbunden sind, verstärkt eingehen, um erfolgreich am Markt bestehen zu können. Vielfalt in der Belegschaft ist eine Strategie, um auf diese Veränderungen zu reagieren. Dieses Diversity-Management kann ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse von KundInnen bzw. KlientInnen wecken, bei der Entwicklung von neuen Produkten, Dienstleistungen und Marketingstrategien unterstützen und das Image des Unternehmens verbessern.
Ethik-Vertrag
Die neuen gesetzlichen Bestimmungen ermöglichen auch auf Kollektivvertrags-ebene und auf betrieblicher Ebene durch Betriebsvereinbarung positive Maßnahmen zu setzen, um vorhandene Benachteiligungen auszugleichen und Diskriminierung zu bekämpfen. Der Kollektivvertrag für die ArbeitnehmerInnen in der außeruniversitären Forschung, der mit 1. Jänner 2004 in Kraft getreten ist, enthält in § 2 einen Diskriminierungsschutz. Die Grundsätze dafür sind in einem eigenen Ethik-Vertrag der Kollektivvertragspartner näher ausgeführt. Dadurch wurde eine Ethikkommission installiert, die bei Verstößen gegen die Bestimmungen dieses Vertrags vermittelnd tätig wird. Natürlich ist dieser Ethik-Vertrag auf die spezifischen Bedürfnisse der Forschung zugeschnitten, doch wurde hier erstmals der Schutz vor Diskriminierung auf Kollektivvertragsebene verankert.
Neben der Kollektivvertragsebene kann auch auf der betrieblichen Ebene durch Betriebsvereinbarung ein Signal gegen Diskriminierung gesetzt werden. In Österreich hat erstmals der Betriebsrat von Jugend am Werk unter dem Titel »Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz« eine Betriebsvereinbarung gegen Diskriminierung abgeschlossen.
1) Der Diskriminierungstatbestand »Behinderung« wird im Behindertengleichstellungsgesetz geregelt werden. Es ist im Moment nicht abschätzbar, wann dieses Gesetz in Kraft treten wird. Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ist in Österreich bereits seit 1979 (Privatwirtschaft) verboten.
2) Siehe dazu René Schindler: Zur Umsetzung des EU-Rechts in Österreich, Teil 2: Überblick über Richtlinien, deren Umsetzung bevorsteht, insbesondere die Antidiskriminierungsrichtlinien, DRdA 6/2003, S. 523-536
3) Arbeitsklima News 4/03, im Internet unter:
www.arbeiterkammer.com
Autorinnen:
Ingrid Reifinger
ÖGB-Referat für Humanisierung, Technologie und Umwelt
Dinah Djalinous-Glatz
Sozialpolitisches Referat im ÖGB