A&W: Warum soll es die Wertschöpfungsabgabe in Österreich geben?
Georg Kovarik: Ich kann nur empfehlen, auf die Internet-Seite der Steuerinitiative im ÖGB zu schauen. Da gibt es eine Fülle von Argumenten dazu. Immer mehr Bevölkerungskreise erkennen, dass sie keine Maschinensteuer ist, dass sie keine Arbeitsplätze vernichtet. Mittlerweile wurde die Diskussion etwas versachlicht. Und selbst Kreise, die vehement gegen diese Abgabe gemauert haben, werden jetzt zu Ansprechpartnern.
Zum Beispiel?
Die gewerbetreibenden personalintensiven Betriebe, wo der Anteil der Lohnkosten an den Gesamtkosten sehr hoch ist. Sie erkennen, dass sie steuerlich wesentlich entlastet und nicht belastet würden, wie es fälschlicherweise jahrelang propagiert wurde.
Ein Gegenargument ist die drohende Abwanderung von Betrieben …
Wir hatten bereits in der Steuerkommission des damaligen Finanzministers Rudolf Edlinger eine Arbeitsgruppe, die sich auch mit der Wertschöpfungsabgabe auseinandergesetzt hat. Darin waren Vertreter der Bundeswirtschaftskammer, der Industriellenvereinigung und des WIFO. Die Belastung der Betriebe durch diese Abgabe wurde klar errechnet. Und zwar in einer Modellvariante, in der der Familienlastenausgleichsfonds, der zurzeit bei 4,5% der Lohnsumme liegt, auf eine Wertschöpfungsabgabe umgestellt wird. Herausgekommen ist, dass die Belastung selbst im ungünstigsten Fall nicht so ist, dass die Betriebe abwandern würden. Das ist ein Schreckgespenst jener, die sich nicht mit den Details auseinandersetzen wollen.
Würde die Wertschöpfungsabgabe ausreichen, um den Sozialstaat zu finanzieren?
Sie würde zweifellos die Beitragsgrundlage zur Finanzierung des Sozialstaates erweitern. Es würde nicht mehr die gesamte Last auf der Lohn- und Gehaltssumme liegen. Wenn die Gesellschaft insgesamt durch höhere Produktivität reicher wird, muss es das Ziel sein, diese Steigerung zur Finanzierung des Sozialstaates heranzuziehen. Man kann die Menschen dann nicht mehr damit schrecken, dass wir immer älter werden und daher der Sozialstaat unfinanzierbar ist. Finanzierungsprobleme wird es immer geben, wenn eine Politik gemacht wird, wo 60.000 Vollzeitarbeitsplätze verloren gehen, wie in den letzten vier Jahren. Wenn mitten in einem weltweiten Abschwung die öffentlichen Investitionen heruntergefahren und die kleinen und mittleren Einkommen massiv belastet werden.
Die Widerstände werden auch mit der Gefahr des Verlustes internationaler Wettbewerbsfähigkeit argumentiert …
Es wird ganz Europa nichts anderes übrig bleiben, als den Weg dieser Abgabe Schritt für Schritt zu beschreiten, wenn insgesamt die Lohn- und Gehaltssumme am Anteil des Volkseinkommens sinkt und die Gesellschaft insgesamt reicher wird.
Wenn wir jetzt Vorreiter bei der Gruppenbesteuerung neu spielen, wenn ein Steuersenkungswettlauf nach unten losgetreten wird und Milliardengeschenke ohne positive Beschäftigungsimpulse gesetzt werden, warum sollten wir nicht bei einer Abgabe, die positive Wirkung hätte, auch Vorreiter sein?