Kampagnen und Aktionen: Erfolgreich organisieren | (Folge 2)

Bring die Menschen zum Lachen
und du hast ihre Herzen gewonnen.
John F. Kennedy

Im Rahmen eines Referates in einer Gewerkschaftsschulklasse in Graz haben wir uns intensiv mit dem Thema Kampagne auseinander gesetzt. Schon in den ersten Minuten war klar, hier sitzt ein hochmotiviertes Team, das »scharf« darauf ist, eine kreative Aktion im Rahmen des Sozialstaat-Volksbegehrens durchzuführen. Nachdem wir die Grundsätze von Kampagnen und einige Beispiele gemeinsam diskutiert hatten, entschied sich die Gruppe, eine Aktion durchzuführen. Ich war gespannt zu erfahren, für welche Aktionsform sie sich letztendlich entschieden hatten. Erfahren habe ich es dann durch einen Anruf des Landessekretärs, der das Gespräch mit den Worten: »Du kommst mir nimmer in mein Bundesland! Jetzt muss ich irgendwelche Viecher durch die Landstraße treiben!« begann. Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: »Du weißt gar nicht, wie ich mich auf diese Aktion freue!« Die Gewerkschaftsschule Graz entschied sich im Rahmen des Sozialstaat-Volksbegehrens für eine Aktion, in der sie als »gerupfte Hühner« verkleidet durch die Innenstadt marschierten. Der Hahn war das Symbol für »Sozialstaat Österreich« und die gerupften Hühner waren mit dem Hinweis »So wollen wir nicht ENDEN« versehen.

Veranstalter waren die TeilnehmerInnen der Gewerkschaftsschule Graz. Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass der Spaß, den die TeilnehmerInnen bei dieser Aktion hatten, sichergestellt hat, dass sie bei der nächsten Aktion wieder mitmachen.

Manchmal werden Kampagnen auch als letztes Abenteuer in der Organisation bezeichnet, weil man nie sicher weiß, wie es ausgeht.

Einbeziehen

Je stärker die Mitglieder involviert sind, umso stärker ist deine Kampagne!

Kampagnen bieten die Möglichkeit, Mitglieder direkt und ohne hierarchische Grenzen in Aktionen einzubinden. Wir bieten ihnen damit die Chance, hautnah Abläufe und organisatorische Überlegungen miterleben und vor allem mitgestalten zu können. Sie sind weder ZuschauerInnen, noch KonsumentInnen, sie sind aktiver Teil einer Kampagne. In diesem Fall ist es keine Kampagne für sie, sondern eine Kampagne mit ihnen. Das Gefühl, dabei gewesen zu sein, teilen sie in der Regel mit ihren KollegInnen. Positiver Nebeneffekt – der Multiplikationseffekt ist enorm.

Erkläre mir und ich werde vergessen.
Zeige mir und ich werde mich erinnern. Beteilige mich und ich werde verstehen!
Konfuzius

Eine Kampagne bietet die Möglichkeit, Mitglieder direkt für einen gewissen Zeitraum in die Organisation zu integrieren. Sie sind Teil organisatorischer Überlegungen, können Ideen einbringen und Aktionen mitgestalten. Durch dieses Engagement lernen die Menschen Politik aus nächster Nähe kennen – sie erleben Politik. Wer einmal Kampagnen oder Aktionen mit Mitgliedern durchgeführt hat, weiß wie stark sich das Bild vom ÖGB zum Positiven wendet. Mitglieder, die positive Erfahrungen in einer unserer Kampagnen gemacht haben, sind die besten Werbeträger.

Wie stark in einer Kampagne Mitglieder eingebunden werden sollen, muss von Anfang an klar sein. Beteiligung von Mitgliedern bedeutet nicht zwangsläufig, die pure Basisdemokratie auszurufen.

Verschiebe die Auseinandersetzung von einem Schaukampf Gewerkschaft gegen Management zu einem Anliegen der NutzerInnen und des Gemeinwohls!

Was geht das mich an?

Erfolgreiche Kampagnenstrategien zeichnen sich dadurch aus, dass über das Verhältnis Gewerkschaft versus Management noch andere Aspekte mit einbezogen werden. Wenn es beispielsweise zu einem Konflikt in einem Betrieb »Gewerkschaft gegen Management« kommt und wir unsere Kommunikationsstrategie auf die Situation der Beschäftigten reduzieren, wird bis auf die engsten Verwandten und Bekannten kein allgemeines Interesse und leider auch keine breite Solidarisierung erzeugt werden. Es muss gelingen, herauszuarbeiten, welche größere Dimension in diesem speziellen Konflikt beinhaltet ist. Also eine klare Antwort auf die Frage: »Was geht denn das mich an?«

Ein gutes Beispiel dafür war die Auseinandersetzung der FPÖVP-Regierung im Kampf gegen die KollegInnen bei den Österreichischen Bundesbahnen. Es wäre eine vollkommen falsche Strategie, wenn wir anfangen würden, von Unterschieden zu anderen Berufsgruppen, von Tradition, von erkämpften Rechten, etc. zu sprechen. Es wäre zwar politisch korrekt und in Fachkreisen gut argumentierbar, aber für Menschen, die weder das Eisenbahnerdienstrecht noch die spezi-fische Situation der EisenbahnerInnen kennen, nicht nachvollziehbar. Die Gewerkschaft der Eisenbahner ist daher mit ihrer Kampagne »Österreich braucht die Bahn« folgerichtig einen anderen Weg gegangen. Mit der Argumentation, wenn das Konzept der FPÖVP-Regierung durchgeht, dann bedeutet das für die NutzerInnen-(BahnkundInnen) größere Verspätungen, längere Wartezeiten, weniger Züge, teurere Tickets und mangelnde Sicherheit. Der Kampf der EisenbahnerInnen ist ein Kampf gegen die Zerschlagung eines wichtigen Unternehmens. Es ist ein Kampf der EisenbahnerInnen und BahnkundInnen gegen eine neoliberale und parteipolitisch motivierte Zerschlagung der Bahn. Das regionale Herunterbrechen des Slogans »Österreich braucht die Bahn« auf verschiedenste Städte (»Villach braucht die Bahn«) und sogar Dörfer (»Uttendorf braucht die Bahn«), hat das Aufzeigen der Interessen der PendlerInnen noch einmal verstärkt.

Nutze das Internet!

Kann man eigentlich eine größere Kampagne heute noch ohne Internet durchführen? Die Antwort ist klar: Kein/e politische/r AkteurIn, der/die sich in der Medienöffentlichkeit unserer Informationsgesellschaft bewegt, kann auf eine moderne Kommunikationsstrategie im Internet verzichten. Das Internet ist inzwischen die mächtigste Waffe im Werkzeugkasten des Widerstandes. Die Frage lautet also nicht mehr ob, sondern wie? Die Mediendemokratie fordert ihren Tribut. Wer im Internet nicht präsent ist und »vorne liegt«, kann keine erfolgreiche Kampagne führen. Die Frage, die sich jede/r CampaignerIn stellt: »Was muss getan werden, um im Internet kommunikations- und kampagnenfähig zu sein?«

Ein großer Fehler, der bei der Einschätzung der Bedeutung des Internets für die Politik gemacht wird, ist, das Internet als ein Medium unter vielen zu sehen. Das Internet spielt bei einer guten Kampagne eine wesentliche Rolle und wird in Zukunft zu einem immer wichtigeren Medium. Nicht nur, weil es sehr effizient und schnell Informationen an viele EmpfängerInnen verteilen kann, sondern auch, weil es parallel sehr zielgruppenspezifisch informieren kann.

Eine gute Internetseite bietet den UserInnen die Möglichkeit sich an der Kampagne zu beteiligen und bietet zudem auch echtes Service. Dies kann in unterschiedlichsten Formen geschehen.

Die Aufforderung, Leserbriefe an Zeitungen zu schreiben und gleich die E-Mail-Adressen der Leserbriefredaktionen zu veröffentlichen, ist ein echtes Service und eröffnet auf einfache Weise die Möglichkeit, sich für die Anliegen der Kampagne zu engagieren.

Sei konsequent!

Bei etwas härter angelegten, oft provokanten und dadurch natürlich öffentlichkeitswirksamen Aktionen werden oft Fragen gestellt wie:

Na, dürfen die das?
Ist das nicht ein bisschen zu direkt?
Ist das nicht ein bisschen zu radikal?

Ein gutes Beispiel für die Konsequenz von kampfbereiten BetriebsrätInnenen sind die Aktionen der VOEST-BetriebsrätInnen und Post-PersonalvertreterInnen. Im September 2003 demonstrierte eine Abordnung von ca. 400 Beschäftigten und BetriebsrätInnen während der entscheidenden Verkaufssitzung des ÖIAG-Aufsichtsrates vor der ÖIAG-Zentrale in Wien.

Die DemonstrantInnen hatten den Zugang zur Aufsichtsratssitzung mit Einkaufswagen »verdichtet«. Die Auseinandersetzung zwischen den DemonstrantInnen und den Aufsichtsratsmitgliedern spielte sich so ab, dass die Aufsichtsratsmitglieder durch dieses enge Spalier zum Eingang mussten. Es gab lautstarke Buh-Rufe. Papierfetzen wurden geworfen. Der Effekt war, dass der Weg von den AufsichtsrätInnen nur ungern gegangen wurde.

Das festigte die AkteurInnen nach innen. Die Stimmung war: »Jetzt haben wir es ihnen einmal gezeigt, jetzt hatten die auch mal Bammel vor uns.« Es wurde nicht erwartet, dass die Aufsichtsräte ihr Abstimmungsverhalten ändern.

Wichtig war jedoch, was die Akti-vistinnen und Aktivisten empfanden, die sich an der Aktion beteiligten und dem Konfliktgegner »face to face« gegenüberstanden.

Gestalte Bilder!

Bilder prägen sich schneller und tiefer ins Gedächtnis ein als Worte. Sie sind ein grandioses Trägermedium um Gefühle zu produzieren – und Menschen sehnen sich förmlich danach, etwas »spürbar« vermittelt zu bekommen.

Der Zugang zu Gefühlen über Bilder ist unmittelbar und direkt. Dazu kommt, dass Menschen heute immer öfter Worten und Ideen misstrauen. Sie wollen zunehmend durch Bilder nachprüfen können, ob das, was da berichtet, gelehrt, angeboten wird, auch wirklich wahr und authentisch ist.

Die Faszination der Bilder kann man bei Aktionen sehr gut nutzen. Ob in den Medien, in der Politik, in der Wirtschaft oder im sozialen Bereich, man kann den Menschen mit Bildern Gefühle ermöglichen.

Auf Bilder kann nicht verzichtet werden. Deshalb gilt auch: Keine Veranstaltung ohne Logo!

Oder: Was denkst du, wenn du ein Inserat mit dem Text »Zwei schwitzen für Adidas« liest?

Und was denkst du, wenn du das Bild dazu siehst?

Der dritte Teil der Kampagnenserie beschreibt die wichtigsten Kampagneregeln und liefert wertvolle Kampagnentipps.

Von Willi Mernyi (ÖGB-Referat für Kampagnen, Projekte, Zielgruppen)

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe .

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