Unter den Beschäftigten gehen die Ansichten über Vor- und Nachteile der Teilzeitarbeit auseinander. Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter sind sich erst recht uneins: Während man auf der Seite der Wirtschaft die Möglichkeit sieht, Arbeit umzuverteilen und die Quote der Frauenerwerbstätigkeit zu steigern, erleben die Betroffenen zum Teil gravierende Nachteile. Sofern Teilzeit zu finden ist, denn mit steigender Qualifikation wird das Angebot dürftig und im Bereich der Führungspositionen ist Teilzeitbeschäftigung nach wie vor so gut wie nicht vorhanden.
Generell boomt Teilzeit jedoch: In den letzten 20 Jahren stieg die Zahl der Teilzeitbeschäftigten von 170.000 auf zuletzt über 500.000 an. Während allerdings jede dritte Frau in Österreich Teilzeit arbeitet, tut das nur jeder 25. Mann. »Natürlich ist der Wunsch von Müttern, eine Teilzeitstelle zu finden, generell hoch«, erklärt Ingrid Moritz, Leiterin der Abteilung Frauen – Familien der AK Wien. »Österreichweit haben drei Fünftel aller Frauen mit Kindern bis 15 Jahren eine Teilzeitbeschäftigung. Aber in Wien, wo die Mobilität geringer ist als in den Bundesländern und die Infrastruktur der Kinderbetreuung wesentlich besser, liegt die Quote unter 40 Prozent. Da ist der Wunsch nach Teilzeit also deutlich weniger ausgeprägt.
Selbstverständlich ist es ein Thema, Familie und Arbeit vereinbaren zu können, aber ein Thema für Männer und Frauen. Männer werden im Betrieb immer begehrter, wenn sie Väter werden, weil sie als Ernährer einen Sicherheitsfaktor darstellen, Frauen werden hingegen zum Risiko. Dieses Muster sollte man aufbrechen.«
Wenn man es sich leisten kann
Je höher das Bildungsniveau, so ein Ergebnis einer Studie zu »Qualifizierter Teilzeitbeschäftigung in Österreich«, desto attraktiver ist die Vorstellung, nicht vollbeschäftigt zu sein. »Wenn man es sich leisten kann, herrscht natürlich ein anderes Bewusstsein. Da setzen sich Frauen auch eher dafür ein, jede Art von Arbeit zu teilen, auch die unbezahlte zu Hause,« so Moritz.
So gibt es Gewinner und Verlierer: In bestimmten Lebensphasen ist Teilzeit eine willkommene Arbeitsform, manchen ermöglicht sie die Vergrößerung des persönlichen Handlungsspielraums. Für andere bedeutet sie aber unfreiwillige Beschränkung. Zwar ist die Teilzeitbeschäftigung arbeits- und sozialrechtlich der Vollzeitstelle gleichgestellt. De facto sind Teilzeitbeschäftigte aber hinsichtlich ihrer sozialen Absicherung benachteiligt. Langfristig bedeutet Teilzeitarbeit ein niedriges Erwerbseinkommen und kann zur Armutsfalle werden, im Fall von Krankheit und Arbeitslosigkeit etwa, und seit zur Berechnung der Pension nicht mehr die 15 besten Jahre herangezogen werden, sondern der Durchrechnungszeitraum schrittweise erweitert worden ist.
Variable Arbeitszeiten
Während einem Vollzeitbeschäftigten ein Überstundenzuschlag von 50 Prozent zusteht, wird Mehrarbeit bis zum Umfang der Vollarbeitszeit von 38,5 bzw. 40 Stunden nur als Mehrarbeit ohne Ausgleichszahlung abgegolten. Moritz: »Teilzeitbeschäftigte kommen stärker unter Druck, variable Arbeitszeiten zu haben, ohne dass es Gegenleistungen dafür gibt, wenn die vertragliche Vereinbarung überschritten wird.«
Dort, wo Teilzeit angeboten wird – vor allem im Handel, in der Reinigung und den persönlichen Dienstleistungen -, gibt es sie jedoch nicht in der familienfreundlichen Form, die gewünscht wird.
Frau L. ist Mutter von drei Kindern und seit mehr als einem Jahr auf Jobsuche. Als Ordinationshilfe kann sie nichts mehr finden, nun muss sie sich zwischen Angeboten in anderen Branchen entscheiden. Der Haken dabei: Die angebotenen Stellen als Altenpflegerin oder Feinkostverkäuferin sind zwar Teilzeitjobs und dementsprechend schlecht entlohnt, aber keineswegs familienfreundlich. Das Altersheim würde sie nur nachmittags von 14 bis 18 Uhr brauchen, der Supermarkt möchte ihr keine fixen Arbeitszeiten in Aussicht stellen, »die wären dann jeweils zu vereinbaren«.
Tatsächlich vermittelt das AMS derzeit mit Nachdruck in den Handel, denn dieser ist eine der größten Wachstumsbranchen. Zwar steigt die Gesamtzahl der Beschäftigten – laut einer Studie der AK hat sie sich im Zeitraum 1995 bis 2002 um 3,5 Prozent erhöht -, das Arbeitsvolumen ist jedoch abzüglich der Mehr- und Überstunden rückläufig, mit beträchtlichen Konsequenzen für die Arbeitsplatzgestaltung der Betroffenen. Während Vollzeit erst vom Filialleiter aufwärts im mittleren Management zu haben ist, wird im Kundenbereich des Einzel- und Großhandels nunmehr ausschließlich Teilzeit angeboten. Über ein Viertel aller im Handel Beschäftigten arbeiten Teilzeit, wobei der Trend zur geringfügigen Beschäftigung steigt, jeder Zehnte ist geringfügig beschäftigt. Und Teilzeit ist vorwiegend weiblich.
Keine fixen Arbeitszeiten
Frauen, die mit einer Teilzeitbeschäftigung eine Familie vereinen möchten, geraten jedoch immer mehr in Bedrängnis: Um wettbewerbsfähig zu bleiben, wird eine Unternehmenspolitik der variablen Kostengestaltung praktiziert. Vollzeit gibt es nur mehr dort, wo sie tatsächlich gebraucht wird, darüber hinaus wird die Kostengestaltung dem Kundenverlauf angepasst, das bedeutet verstärkter Personaleinsatz zu Spitzenzeiten.
»Wir haben das Problem, dass es keine fixen Arbeitspläne gibt, es wird von Woche zu Woche neu eingeteilt. Häufig werden Frauen in der Früh zwei Stunden hereingeholt, dann schickt man sie im besten Fall nach Hause, im schlechtesten auf die Straße, und abends braucht man sie wieder für zwei Stunden«, klagt Manfred Wolf, GPA-Sekretär für Handel. Die Gründe für diesen Strukturwandel sieht er in der Liberalisierung der Öffnungszeiten im Jahr 1997, als bestehende Vollzeitarbeitsplätze in flexible Teilzeit umgewandelt wurden, aber auch im gnadenlosen Preisdumping. Geiz ist geil am Rücken der Beschäftigten, denn »jedes Sonderangebot wird von den Beschäftigten mitfinanziert«.
»Teilzeit ja, aber geregelt«, fordert eine Broschüre der GPA-Frauen. Geregelte Teilzeit ist im Handel nicht mehr anzutreffen. Ein Extrembeispiel ist Peek&Cloppenburg: Derzeit läuft ein Verfahren gegen die Textilkette, die ihren VerkäuferInnen Null-Stunden-Verträge anbietet und damit den Kollektivvertrag unterläuft. Im Arbeitsvertrag fehlt bei -einem Null-Stunden-Vertrag die Fest-legung der vereinbarten Arbeitszeit, von den Angestellten wird verlangt, dass sie zu Hause auf Abruf bereit auf ihren Einsatz warten.
Betrug?
Aber auch mit Stundenverträgen arbeiten Teilzeitbeschäftigte in der Regel mehr als die vereinbarte Zeit. Mehrleistungen, die, wenn schon nicht mit Überstundenzuschlag, dann wenigstens anteilsmäßig auch bei Sonderzahlungen wie Urlaubsgeld, Abfertigung oder Entgeltfortzahlung bei Krankheit mitgerechnet werden müssen. Wenn sie denn auf ordnungsgemäßem Weg verrechnet werden. Im September dieses Jahres gingen Vorwürfe ehemaliger Angestellter des Rewe-Konzerns (Billa, Merkur, Emma, Bipa, Mondo/Penny) durch die Medien, dass Überstunden mit Gutscheinen an der Lohnverrechnung vorbei bezahlt worden seien, und zogen Beschwerden von weiteren Mitarbeitern über generell nicht bezahlte Mehrarbeit nach sich.
Zeitausbeutung und Mindestarbeitszeit
»Teilzeitbeschäftigte werden dazu angehalten, Mehrarbeit zu leisten. Da gibt es die Situation, dass jemand ungeplant von 7 Uhr früh bis 7 Uhr abends einspringen muss, dann sind da plötzlich 12 Stunden und der Filialleiter sagt, es dürfen nur 10 eingetragen werden. So beginnt sich das Karussell unbezahlter Überstunden, die häufig nicht offiziell aufscheinen, zu drehen.« Als Grund für den Trend zur ungeplanten Mehrarbeit führt Wolf das Sparprogramm in der Personalpolitik an. Einer Erhöhung der Gesamtzahl der Beschäftigten im Handel stehen die Reduzierung der Stunden sowie massive Produktivitätszuwächse entgegen.
So habe einerseits die Verkaufsfläche pro Angestellten zugenommen, andererseits würden Krankenstände und Fehlzeiten in der Personalplanung nicht mehr berücksichtigt. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit der ungeplanten Überstunden, die Probleme mit ihrer Verrechnung nehmen dabei mit wachsender Betriebsgröße zu.
»Der Filialleiter hat Budgetvorgaben, die sich mit den Überstunden, die notwendig werden, spießen. Auf dem Weg von der Filiale zur Zentrale gehen Stunden auf mehreren Schnittstellen verloren, wenn der Filialinspektor zum Beispiel Stunden nicht genehmigt, für deren Verrechnung dann andere Lösungen getroffen werden müssen. In der Lohnab-rechung scheint diese Arbeit nie auf.« Im besten Fall bedeuten diese anderen Lösungen Zeitausgleich, allerdings um den Preis des Verlustes von Sozialversicherungsleistungen.
Die Arbeitnehmervertreter fordern daher geregelte Grenzen für Dauer und Lage der Arbeitszeit sowie Zuschlagspflicht, wenn die Arbeitszeit von Seiten der Arbeitgeber verändert wird. Einen ersten Schritt in diese Richtung gibt es im neuen Kollektivvertrag der HeimhelferInnen seit 1. Juni 2004, der Zuschläge auch für Mehrarbeit vorsieht.
Eine weitere zentrale Forderung ist die nach einer Mindestarbeitszeit von vier Stunden, um Zeitausbeutung zu verhindern. Nicht nur der Handel bedient sich dieses Instruments, auch in der Reinigungsbranche kämpfen die Beschäftigten mit zersplitterter Arbeitszeit: Geputzt wird außerhalb der Öffnungszeiten morgens und abends, hinzu kommen unterschiedlich lange Wegzeiten je nach Lage des jeweils zu reinigenden Gebäudes.
Während im Niedrigstverdienstsegment die Quote der überwiegend weiblichen Teilzeitbeschäftigten am höchsten und Teilzeit häufig nicht freiwillig gewählt ist, lässt sich der Wunsch nach Teilzeit in anderen Branchen schwerer erfüllen. Der klassische Halbtagsjob mit der kinderbetreuungsfreundlichen Vormittagsarbeitszeit ist auch andernorts rar. »Bei uns ist das noch relativ moderat, es gibt klare Rahmenbedingungen für Teilzeitarbeit, auch wenn es häufig andere Zeitmodelle sind, auf die man sich dann einigt, etwa tageweise Anwesenheit im Kundenbereich, wo man für den Nachmittag allein keinen Ersatz finden würde«, erzählt Ingrid Streibel, Vorsitzende des Zentralbetriebsrates der BAWAG, aus dem Bankensektor.
Recht auf Elternteilzeit?
Seit 1. Juli 2004 soll ein neues Gesetz Abhilfe schaffen. Das Recht auf Elternteilzeit garantiert nicht nur den Anspruch auf Teilzeitarbeit bis zum siebenten Geburtstag des Kindes, den Beschäftigten wird auch die Möglichkeit zur Mitgestaltung der Arbeitszeit eingeräumt. Allerdings hat die neue Regelung gleich mehrere Haken. Sie gilt nur für jene, die seit mindestens drei Jahren (nur 36 Prozent aller Frauen und die Hälfte der Männer) einem Betrieb mit mehr als 20 Angestellten (acht Prozent aller Betriebe) angehören. Auch dauert der besondere Kündigungsschutz bis maximal vier Wochen nach dem vierten Geburtstag des Kindes. Danach gilt ein Motivkündigungsschutz, der besagt, dass eine Kündigung nicht aufgrund des Teilzeitverhältnisses ausgesprochen werden darf – was sich in der Praxis schwer beweisen lässt.
AK und Gewerkschaften üben Kritik daran, dass dieser Rechtsanspruch nicht nur nicht allen zugänglich, sondern darüber hinaus nur schwer durchzusetzen ist: Sofern der Arbeitgeber nicht zustimmt, bedarf es eines zeit- und kostenaufwändigen Verfahrens. Währenddessen muss erst recht die zusätzliche Kinderbetreuung organisiert werden. Und wer möchte schon weiter für einen Chef arbeiten, mit dem er einmal im Gerichtssaal gestanden ist? »Rechte allein reichen nicht aus«, betont Ingrid Moritz, »es muss ein Kulturwandel im Arbeitsklima stattfinden. Es muss ein Dialog zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer stattfinden und ein Konsens darüber gefunden werden, dass die Bedürfnisse von Familien und Kindern auch einen Wert darstellen. Es sollte die Aufgabe der Regierung sein, ein Klima von Verständnis und Sensibilisierung zu fördern, damit diese neuen Rechte auch durchsetzbar sind und nicht in Mobbing enden.«
Rahmenbedingungen verbessern!
Während es Förderungen für Unternehmen gibt, die Ersatzkräfte einstellen, erhalten Arbeitnehmer, die sich für Elternteilzeit entscheiden, keine finanzielle Entschädigung, wie etwa im Fall der Altersteilzeit. »Das würde auch Männer eher motivieren, sich an dem Modell zu beteiligen, denn so bleibt die Betreuungsarbeit wieder an den Frauen hängen«, kritisiert Moritz.
Barbara Theider, Wiener Frauensekretärin der GPA, hat in der Beratung den Eindruck, dass der Wunsch von Frauen nach Elternteilzeit groß ist, sie weiß auch, dass es vielen in der Praxis schwer gemacht wird, diesen Wunsch durchzusetzen. Dennoch sieht sie in dem neuen Rechtsanspruch nicht nur eine Chance, sondern auch eine Gefahr. Denn nicht immer kann bei reduzierter Arbeitszeit die Qualität der Arbeit aufrechterhalten werden, und Frauen nehmen häufig eine Dequalifizierung in Kauf, um den beruflichen Anschluss nicht ganz zu verlieren. Auch Ingrid Streibel betrachtet als Vorsitzende des Zentralbetriebsrates der BAWAG Teilzeit mit einem wohlwollenden und einem kritischen Auge. Häufig werde Teilzeitbeschäftigten weniger qualifizierte Arbeit überlassen, da sie für die laufend nötige Weiterqualifizierung nicht in dem Maß zur Verfügung stehen und am Informationsfluss weniger Anteil haben. Teilzeitbeschäftigte haben für das Unternehmen den Vorteil, in gedrängter Zeit effiziente Leistung zu bekommen. Ein Anliegen des Betriebsrates sei es daher, die Rahmenbedingungen für die positiven Aspekte der Teilzeit zu fördern und den Karriereknick zu verhindern.
»Das Gesetz ist erst jung«, gibt Theider zu bedenken. »Noch gibt es wenig Erfahrungen, wir hoffen aber, dass die Realität der Elternteilzeit keine negativen Auswirkungen auf die Formen der Frauenerwerbstätigkeit schlechthin hat.«
Von Gudrun Braunsperger (Freie Publizistin in Wien)
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe .
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