ES GIBT EINEN PLATZ, WO SICHER KEIN MANN HINKOMMT. |
|
Frauenhelpline: 0800 222 555 |
frauenhaus |
Über das erste blaue Auge hatten sie noch gescherzt. »Oh, ein Veilchen«, hatte die Betriebsrätin gemeint. »Ja, die Stiegen hinunter gefallen«, hat die Kollegin lachend geantwortet – wie im Klischee. Die Betriebsrätin hat nicht weiter gefragt. Die Kollegin wirkte nicht, »wie eine, die von ihrem Mann geschlagen wird«. Aber dann folgten weiter Spuren von Gewalteinwirkung und der eine oder andere Krankenstand. »Ich bin so ungeschickt«, betonte die Frau, als sie die Betriebsrätin wieder einmal drauf ansprach. Irgendwann landete die Frau dann im Krankenhaus – halb tot geprügelt vom eigenen Mann. Die Betriebsrätin macht sich heute noch Vorwürfe.
»Es fällt den Opfern meistens sehr schwer, über das zu reden, was ihnen von ihrem Partner angetan wird«, weiß Rosa Logar, Geschäftsführerin der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie. Acht solcher Opferschutzeinrichtungen gibt es in Österreich. Eingerichtet wurden sie als Begleitmaßnahme zum österreichischen Gewaltschutzgesetz, das 1997 in Kraft getreten ist. Finanziert werden sie zu gleichen Teilen vom Bundesministerium für Inneres und vom Bundesministerium für Gesundheit und Frauen. Am Konzept der Interventionsstelle war die Diplomsozialarbeiterin Logar maßgeblich beteiligt. Als Mitbegründerin des ersten Frauenhauses in Österreich 1978 war ihr und ihren Kolleginnen vom Verein Autonomer Österreichischer Frauenhäuser bald klar, dass das Bundesgesetz zum Schutz bei Gewalt in Familien Begleitmaßnahmen benötigt.
Bis Klaus seinen Arbeitsplatz verloren hat, war alles in Ordnung. Sicher, er war eher der eifersüchtige Typ, aber Susanne sah das auch immer ein bisschen als Liebesbeweis. Mittlerweile kontrolliert er den Dienstplan der Altenpflegerin minutiös nach. »Ich komme kaum zum Arbeiten aufgrund der ständigen Kontrollanrufe. Sogar in meiner Dienststelle hat Klaus schon angerufen, nachfragen, ob ich auch tatsächlich eingeteilt worden bin«, erzählt sie. Immer öfter beschimpft er sie laut und ordinär: »Ich habe jeden Tag Angst vor dem Heimkommen. Auch unser 15-jähriger Sohn leidet unter der Situation.«
Vorbildliches Gewaltschutzgesetz
»Das Gewaltschutzgesetz schützt jede Person in der Familie«, betont Logar – fügt aber gleich hinzu: »Unserer Erfahrung nach sind aber 95 Prozent der Opfer Frauen und Kinder und 95 Prozent der Täter männliche Familienmitglieder oder Lebensgefährten.« Wichtigster Punkt dieses Bundesgesetzes, das mittlerweile in Europa Vorbildwirkung hat, ist das so genannte Wegweiserecht. Laut diesem Gesetz hat die Polizei das Recht, eine Person, von der akute Gefahr für andere ausgeht, sofort aus der Wohnung, dem Haus und der näheren Umgebung zu verweisen und ein Betreten dieses Bereiches zu verbieten, ganz egal ob Ehepartner oder Lebensgefährte. Die Opfer können – unabhängig davon, wem Wohnung oder Haus gehört oder wer Hauptmieter ist – in der gewohnten Umgebung verbleiben. Ist eine strafbare Handlung wie z. B. Nötigung, Körperverletzung, Vergewaltigung oder Freiheitsentzug gesetzt worden, muss die Polizei eine Anzeige aufnehmen. »Nach jeder Wegweisung informiert die Polizei eine Interventionsstelle«, erklärt Rosa Logar: »Wir setzen uns dann mit den Opfern in Verbindung und versuchen gemeinsam ein weiteres Vorgehen zu entwickeln.« Dabei muss rasch gehandelt werden, denn das Wegweiserecht bleibt für nur zehn Tage aufrecht. Dann müssen – falls notwendig – weitere Maßnahmen gesetzt werden, etwa eine Einstweilige Verfügung.
»Es ist mir einfach passiert. Ich wollte das nicht. Sie weiß doch genau, dass ich es so möchte, warum provoziert sie mich auch«, begründet Karl »die Watschn«. Er vergisst zu ergänzen, dass es mehr als eine Ohrfeige war, die er seiner Frau verpasst hat, weil das Essen nicht pünktlich am Tisch stand. Er hat Maria so heftig geschlagen, dass die Nachbarn die Polizei rufen mussten. Maria war nach dem zweiten Kind zu Hause geblieben. Sie hat niemanden, mit dem sie über die Gewaltausbrüche ihres Mannes reden kann.
Gefährliche Trennungsphase
»Das Wegweiserecht ist sehr wertvoll, bietet aber keinen hundertprozentigen Schutz vor Gewalt. Im Fall von Waffenbesitz, Mord- oder Selbstmorddrohungen, Alkohol- oder Drogensucht oder krankhafter Eifersucht raten wir den Opfern, ins Frauenhaus zu gehen, bis die gefährlichste Zeit vorbei ist«, erklärt die Sozialarbeiterin: »Auch im Fall einer Trennung oder Scheidung ist es oft besser, den gewohnten Ort zu verlassen. Da passieren die meisten Gewalttaten.« Und gerade diese gehen nur allzu oft tödlich aus, wie man tagtäglich auf den Chronikseiten der Zeitungen lesen kann.
»Vom ersten Augenblick an bin ich wahnsinnig verliebt in sie gewesen«, erklärte Martin im Verhör, nachdem er seine Freundin Gudrun erwürgt hat. Als sie ausziehen wollte, weil sie seine Eifersucht und die daraus resultierenden Streitigkeiten nicht mehr aushielt, bekam er »eine irre Wut«. Erst als die große Liebe tot war, begriff er, was geschehen ist: »Sie wollte mich verlassen – deshalb tat ich etwas, wozu ich niemals glaubte fähig zu sein.«
16 Tage gegen Gewalt an Frauen
Österreichische Fraueneinrichtungen engagieren sich schon seit 1992 bei der internationalen Kampagne »16 Tage gegen Gewalt an Frauen« vom 25. November bis 10. Dezember. Mit dabei war auch die Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai), die am 10. Dezember 2004 eine Tagung zum Thema veranstaltete. Der Grund, warum sich ai auch hier engagiert, findet sich auf der Homepage der ai academy:
»Die weltweit häufigste Todesursache von Frauen im Alter zwischen 16 und 44 Jahren ist häusliche Gewalt. Gewalt an Frauen fordert mehr Opfer als Krebs, Verkehrsunfälle, Malaria und Krieg zusammen. Sie findet Tag für Tag in allen Ländern, Kulturen und sozialen Schichten statt.
Drei Viertel aller in der österreichischen Kriminalstatistik ausgewiesenen Gewalt- und Tötungsdelikte werden im familiären Kontext begangen. Gewalt an Frauen ist eine Menschenrechtsverletzung. Gewalt ist nie privat, sondern fordert das entschiedene Auftreten privater und staatlicher Institutionen.«
Aus den Chronikseiten von ORF ON im August dieses Jahres: Ein 40-Jähriger hatte seine Freundin mit einem Fleischschlögel traktiert. »Er hat ihn mir auf den Kopf und den Rücken geschlagen, bis ich das Bewusstsein verloren habe«, erzählte die Frau vor Gericht. Die Frau hatte einen anderen Mann kennen gelernt, was das Ende der Beziehung zum 40-Jährigen bedeutete. Trotzdem besuchte sie ihn im Juli. Man trank Schnaps, unterhielt sich und sprach schließlich über die Beziehung. Dabei rastete der Ex-Freund aus. Er beschimpfte die Frau und ging dann mit dem Fleischschlägel auf sie los. Der Richter verurteilte ihn rechtskräftig wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung zu acht Monaten Haft, davon zwei Monate unbedingt. Zusätzlich muss er 2000 Euro Schmerzensgeld zahlen.
Der Staatsanwalt erwähnte am Rande ein anderes Urteil: »Gestern war ich bei einer jungen Richterin eingeteilt, die hat für gewerbsmäßigen Diebstahl 20 Monate unbedingt verhängt. Bei einem Schaden von 100 Euro.«
I N F O R M A T I O NInterventionsstellen in Österreich
Interventionsstellen sind Opferschutzeinrichtungen, die Frauen und ihren Kindern nach einer polizeilichen Wegweisung des Partners/Ehemanns Beratung und Unterstützung anbieten. Die Interventionsstellen wurden als Begleitmaßnahme zum österreichischen -Gewaltschutzgesetz eingerichtet.
Burgenland
Steinamangerer Straße 4/2, 7400 Oberwart
Tel. 03352/314 20, Fax 03352/314 20-0,
intervention@utanet.at
Vorarlberg
Drevesstraße 2/3. Stock, 6800 Feldkirch
Tel. 05522/824 40, Fax 05522/824 40-20,
interventionsstelle@ifs.at
Tirol
Museumsstraße 27, 6020 Innsbruck
Tel. 0512/571 313, Fax 0512/573 942
interventionsstelle.tirol@utanet.at
Salzburg
Paris-Lodron-Straße 3a/1/5,
5020 Salzburg
Tel. 0662/870 100, Fax 0662/870 100-44,
istsalzburg@netway.at
Oberösterreich
Scharitzerstraße 6-8/V, 4020 Linz
Tel. 0732/607 760, Fax 0732/607 760-10
office@interventionsstelle.org
Niederösterreich
Kremsergasse 37/1. Stock, 3100 St. Pölten
Tel. 02742/319 66, Fax 02742/319 66-6,
office.st.poelten@istnoe.at
Steiermark
Granatengasse 4/1. Stock, 8020 Graz
Tel. 0316/774 199, Fax 0316/774 199-4,
office@interventionsstelle-steiermark.at
Kärnten
Radetzkystraße 9, 9020 Klagenfurt
Tel. 0463/590 290, Fax 0463/590 290-10, interventionsstelle@carinthia.at
Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels
Markhofgasse 4/6, 1030 Wien
Tel. 01/796 92 98, Fax 01/796 92 99,
lefoe@t0.or.at
Frauenhelpline 0800/222 555
»Zivilcourage ist gefragt, ob von den Nachbarn, dem Arbeitskollegen oder der Betriebsrätin«, erklärt die Expertin Logar: »Und dabei ist es sehr wichtig, den Opfern vorerst einmal nur zuzuhören. Ihnen das Gefühl zu geben, ernst genommen zu werden.« Dass das nicht immer einfach ist, weiß die Sozialarbeiterin aus ihrer langjährigen Erfahrung und verweist auf die Frauenhelpline. Auch sie wird vom Bundesministerium für Gesundheit und Frauen finanziert. 365 Tage im Jahr, 24 Stunden täglich betreuen unter der Telfonnummer 0800/222 555 professionelle Mitarbeiterinnen anonym und vertraulich die Anrufenden.
Die primären Zielgruppen sind neben Frauen, die von physischer, psychischer und/oder sexueller Gewalt betroffen oder bedroht sind, deren Kinder, sowie Frauen in Beziehungs- und Lebenskrisen. Die Formulierung »Frauen in Beziehungs- und Lebenskrisen« wurde übrigens gewählt, um auch jene von Gewalt betroffenen Frauen anzusprechen, die ihre oft tagtäglich erlebten Gewalterfahrungen nicht als Gewalt erkennen oder für sich benennen können. Gründe dafür können Scham und Schuldgefühle oder auch Angst vor Stigmatisierung sein.
»Oft beginnen Gespräche bzw. Anrufe mit den Worten: Ich weiß nicht, ob ich bei Ihnen richtig bin, geschlagen werde ich nicht, aber …«, berichten die Mitarbeiterinnen. Im Lauf des Gesprächs stelle sich dann heraus, dass es sich möglicherweise zwar nicht um körperliche jedoch um vielfältige andere Formen von Gewalt handelt. Denn auch totale Kontrolle, Isolation von FreundInnen und Familie, materielle, physische oder psychische Ausbeutung, psychischer Druck, fortgesetzte Beschimpfungen sind als Gewalt zu werten.
Bei Gewalt gegen Frauen innerhalb von Familie und/oder Partnerschaft sind sehr oft Kinder und Jugendliche mit oder direkt betroffen. Auch ihnen bietet die Frauenhelpline durch eine erste telefonische Krisenberatung Rat und Hilfe an.
Eine weitere, wichtige Zielgruppe sind Personen aus dem Umfeld der Betroffenen, die Rat und Entlastung suchen und sich mit dem Wunsch zu helfen und der Sorge um die Betroffenen oft überfordert fühlen. Dazu gehören Verwandte, Bekannte, NachbarInnen, ArbeitskollegInnen etc.
Und nicht zuletzt bietet diese Helpline auch sozialen Institutionen, die in ihrer Arbeit mit dem Thema Gewalt konfrontiert sind, wie z. B. Exekutive, Gerichten, Schulen, Spitälern und sozialen Hilfseinrichtungen Information und Beratung an. Eine weitere wichtige Aufgabe der Frauenhelpline ist es, Medien sowie administrativ bzw. politisch tätige Personen mit den nötigen Informationen zu Gewalt gegen Frauen zu versorgen.
Otto war kein Schlägertyp. Aber es passierten seltsame Dinge, nachdem Karin ihn verlasen hat. Komische Anrufe mitten in der Nacht, Verleumdungen per E-Mail an ihrem Arbeitsplatz, das Autoschloss war mit Superkleber verklebt und mehr. Nachweisen konnte man Otto nichts davon. Karin wandte sich an die Interventionsstelle.
Eine Mitarbeiterin telefonierte mit Otto. Sie wies ihn darauf hin, dass das keine Methode wäre, die Frau zurückzugewinnen. Sie erzählte ihm von der bevorstehenden Anzeige und sie wies ihn darauf hin, was das alles für sein Leben bedeuten könnte. »Das zahlt sich doch nicht aus«, erklärte sie dem Mann, der alles bestritt. Die Belästigungen hörten auf.
Anti-Gewalt-Training
»Nicht alle Frauen wollen und können sich von ihren Partnern trennen, selbst wenn diese physische, psychische oder sexuelle Gewalt ausüben«, berichtete Diplomsozialarbeiterin Logar: »Und Kinder können sich nicht vom Vater trennen.« In Wien läuft seit fünf Jahren ein Modellprojekt von Männerberatung und Interventionsstelle. In einem Anti-Gewalt-Training sollen die Gefährder in acht Monaten ein anderes Verhalten lernen.
Die Interventionsstelle bietet den Partnerinnen dieser Männer Unterstützung und Hilfe.
»Auch in diesem Prozess ist es besonders wichtig, auf die Frauen zu hören. Gewalttätige Männer verstehen sich oft auf Manipulation. So hat z. B. einer –
seiner Frau erzählt, er habe im -Training gelernt, wenn er mehr Sex habe, wäre er nicht so gewalttätig.«
Norbert hat als kleiner Bub erlebt, dass der Vater die Mutter geschlagen hat: »Sie war ein wundervoller Mensch«, schildert er: »Sie ist oft geschlagen worden und hat ihn nie angezeigt. Sie hat ihn halt wahnsinnig geliebt.« Auch er selbst hat regelmäßig Schläge bekommen. Am Anfang seiner Beziehung zu Inge war alles in Ordnung: »Aber irgendwann hat sie mich provoziert – da habe ich halt dann zugeschlagen.«
»Es ist kein großes Geheimnis, dass Gewalt Gewalt erzeugt«, ergänzt Rosa Logar: »Kinder, die mit Gewalt in der Familie aufwachsen, werden später eher Täter oder Opfer als Kinder, die gewaltfrei aufwachsen. Sie lernen Gewalt als Lösung anzunehmen. Auch deswegen ist Prävention so wichtig.« Frauen, die von Gewalt in der Familie betroffen sind, rät die Expertin, zuerst das Gespräch mit dem Partner zu suchen:
»Sie müssen schon bei den ersten Anzeichen zeigen, dass das so nicht geht, dem Partner klar machen, dass die Gewalt der Liebe schadet. Sie sollen über die Kränkung sprechen, die ihnen durch die Worte oder die Handlung des Partners widerfahren ist.
Gewalt erzeugt Gewalt
Wenn eine Frau das aber nicht kann, weil sie Angst vor dem Partner hat, dann ist es höchste Zeit, Hilfe in Anspruch zunehmen.
Dann lebt diese Frau in einer Gewaltbeziehung.« Und Gewaltbeziehungen gehen uns alle an. Denn abgesehen davon, dass jeder Mensch irgendwann selbst von Gewalt in der Familie betroffen sein kann, kostet diese Gewalt auch volkswirtschaftlich ein Vermögen. Das teure dabei sind nicht die Hilfeeinrichtungen, sondern die Interventionen nachher.
Die Kosten für Polizei und Justiz, um Gewalttäter zu bestrafen und aus dem Verkehr zu ziehen. Aber auch die Kosten für durch Gewalt verursachte Kran-kenstände und Therapien. Um ein Schlusswort gebeten, meint Rosa Logar: »Schreiben Sie bitte, Gewalt zahlt sich nicht aus – für niemanden. Sie tötet die Liebe.«
I N F O R M A T I O N
Frauenhäuser
Frauenhäuser bieten Frauen, die Gewalt durch ihren Partner/Ehemann erleben, und ihren Kindern eine sichere Wohnmöglichkeit. Sie sind für alle Gewaltopfer offen, unabhängig von Nationalität, Einkommen oder Religion. Die Adressen der Frauenhäuser sind aus Sicherheitsgründen anonym. Anschrift und Telefonnummer von Frauenhäusern in Ihrer Nähe erfahren Sie über die Gratistelefonnummer der Frauenhelpline 0800/222 555. Österreichweit gratis rund um die Uhr.
Von Katharina Klee (Freie Publizistin in Wien)
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe .
Schreiben Sie Ihre Meinung an die Redaktion
aw@oegb.at