Valium ist ein starkes und weithin gebräuchliches Beruhigungsmittel. Fritz Verzetnitsch bezeichnete die Vorgänge rund um die Voest-Privatisierung, vor allem die geplante Ausgabe von sogenannte »Wandelanleihen« als Aktion, die wie die Ausgabe von Valium an die Bevölkerung zu werten sei, eine reine Beruhigungsmaßnahme, um die Entrüstung zu dämpfen, weil ein gut funktionierender Betrieb zerstört und viele Hunderte Arbeitsplätze gefährdet werden.
Oder glauben Sie, liebe Leserin, lieber Leser, dass ein bisschen schwanger auch geht? Ein bisschen privatisieren, aber alles nicht so schlimm?
Wenn ich an meine Pension denke, möchte ich auch am liebsten Valium haben. Ein paar Jährchen länger arbeiten, dafür aber rund ein Achtel weniger Geld.
Aber wen immer ich drauf anspreche, vielleicht ein bisserl provokativ, indem ich sage: »Dir habe ich es zu verdanken, dass ich jetzt länger arbeiten darf, um dann weniger Geld als vorher rauszukriegen. Warum hat du sie gewählt, diese Regierung?« – Wann immer ich diese Frage stelle, kriege ich die Antwort: »Also bitte, ich wars doch nicht, ich habe sie nicht gewählt.«
Ich hab noch keinen oder keine getroffen, der oder die mir geantwortet hatte: »Ja, ich habe sie gewählt. Aber jetzt weiß ich, dass es ein Fehler war, jetzt bin ich klüger. Noch einmal passiert mir das nicht.« Keiner wills gewesen sein. So weit sind wir jetzt. Wie ist diese Regierung ins Amt gekommen? Rätselhaft, nicht wahr?
Mit den Zähnen knirschen und die Fäuste ballen? Das sind Gesten der Ohnmacht, des stillen Zorns.
Albträume
- Wenn ich an die hohen Arbeitslosenzahlen in unserem
Land denke, dann möchte ich beruhigt werden. - Wenn mir der in dieser Zeitschrift oft berichtete
Rückgang der Lohnquote bei gleichzeitiger Steigerung
der Sozialabgaben und Steuern einfällt, dann möchte
ich Valium. - Vor allem aber wenn ich an die anhaltende Begünstigung
der Unternehmereinkommen, Vermögenserträge und höheren
Arbeitseinkommen denke, die durch die Ausgestaltung des Steuersystems
noch verschärft wird, dann will ich gleich eine noch höhere
Dosis an Beruhigung. - Und nun gar die Kürzung der Sozialeinkommen
der Arbeitslosen, Kranken und Pensionisten. Der Begriff »soziale
Gerechtigkeit« ist in unserem Land zu einer reinen Worthülse
verkommen. Wie soll ich mich beruhigen?
Mit den Zähnen knirschen und die Fäuste ballen? Das sind Gesten der Ohnmacht, des stillen Zorns.
Worauf es aber ankommt, ist – zumindest auch nach den Erklärungen unseres Kollegen von den Eisenbahnern, Wilhelm Haberzettl (siehe Seite 16 dieses Hefts), dass wir uns entscheiden müssen, ob wir die anstehenden Konflikte austragen, oder ob wir weiterhin nur die Fäuste im Hosensack ballen wollen.
Das letzte Hemd
Der Sozialabbau, die Umschichtungen bei den Einkommen und Steuern, die zusätzlichen Belastungen für Kranke, Arbeitslose und Pensionisten werden solange weitergehen, bis wir uns entscheiden: »Es ist genug. Jetzt reichts!«
Abgesehen davon, gelingt der Appell an den Neid-Komplex immer noch bestens und ohne wesentlichen Widerspruch. Immer noch gibt es viel zu viele, die nicht glauben wollen, dass alles, was einem anderen Arbeitnehmer weggenommen wird, letzten Endes auch zu ihren Lasten geht, über kurz oder lang auch sie selber betreffen wird. Wer immer von uns Arbeitnehmern gerade Prügelknabe der Medien oder der medialen Öffentlichkeit ist, seien es nun die Eisenbahner, die Lehrer, die Beamten, die Flugkapitäne, oder etwa die Arbeitslosen und die oder jene …
Augen schließen und Ohren zuhalten?
Die werden solange weitermachen, wie wir uns nicht nachdrücklich wehren. Und wenn wir nicht sagen: »Jetzt reichts aber endgültig!«, dann ziehen die uns noch das letzte Hemd aus.
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Schlafen Sie gut?
Von Siegfried Sorz (Chefredakteur)
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe .
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