Der Missbrauch des Missbrauchs

Was wir neben unserem täglichen Brot sonst noch so alles zu schlucken bekommen.

Kürzlich haben zum Beispiel die spanischen Gewerkschaften zum Generalstreik aufgerufen – einen Tag vor Beginn des EU-Gipfels in Sevilla. Im ORF, genauer gesagt in der »Zeit im Bild«, hat man es tatsächlich geschafft, zwar diesen Streik zu erwähnen, aber völlig auszuklammern, warum denn nun eigentlich gestreikt werden sollte. Es ging übrigens gegen den Abbau des Sozialstaates.

In diesem Land Spanien hat ein früherer »profil«-Chef seinen Alterswohnsitz genommen: P. M. Lingens. Er dürfte irgendwo an der Küste Andalusiens sitzen, und dort will er beobachtet haben, dass am Tage des Streiks viel mehr Leute – baden gegangen seien.

Wildwuchs

Na, wenn die Leut‘ baden gehen anstatt zu demonstrieren, dann kann so ein Streik nix Ordentliches sein. Herr Lingens hat sich dann noch unter die Bevölkerung gemischt und gefragt, ob der Sozialstaat in Gefahr sei. Diejenigen, die er gefragt hat, haben ihn dann sehr überrascht: Sie waren nämlich eher für die »Eindämmung des sozialen Wildwuchses« als für Empörung über den Abbau. Nach weiteren Ausführungen über die Situation der Schwarzarbeiter kommt er zu dem »unbestreitbaren« Schluss: »Eine große Zahl von Menschen, die Arbeit bekämen, arbeitet nicht, sondern bezieht Arbeitslosenunterstützung.

Auch wenn die Gewerkschaften sofort wütend aufschreien: So ist es natürlich auch in Österreich.«

Natürlich, so lautet die Ferndiagnose von P. M. L. von Andalusien nach Österreich.

Was hast dir erwartet? mögen nun einige fragen. Der Lingens ist halt auch auf dem Niveau der »Kronenzeitung«. Aber es kommt noch dicker. Lingens kennt nämlich einen Installateur.

Ich kenn zwar auch einige Installateure, so zum Beispiel den Fritz Verzetnitsch, der stolz ist, dass er diesen Beruf erlernt hat. Aber der Installateur, den der Lingens kennt, ist ein kleiner Unternehmer, der vor Jahren wegen mangelnder Aufträge zwei seiner langjährigen Mitarbeiter kündigen musste und der deswegen »schlaflose Nächte« hatte. Nach verbesserter Auftragslage hat er sie wieder eingestellt, und die beiden hatten nach einiger Zeit gefragt, ob sie nicht zumindest für einige Zeit wieder gekündigt werden könnten, weil sie dann mehr verdienten.

Lingens macht den Fehler, den so viele andere auch machen: Sie schließen von einzelnen Missständen auf das ganze System. Entweder weil sie’s glauben, oder weil sie mit jenen sind, die sich von einer Absenkung oder Demolierung des Systems der sozialen Sicherung persönlichen Gewinn erhoffen. Oder einfach, weil sie mit den Wölfen heulen wollen.

Die sozialen Zusammenhänge sind anders. Und unsere tägliche Desinformation stinkt manchmal schon richtig. Den Abbauern, Deregulierern und Umbauern muss man endlich sagen: Jetzt reicht’s! Nicht mit uns! Eure Argumente ziehen nicht!

Berichtigung »Schulden«
Im Leitartikel in Heft 6/02 ist ein bedauerlicher Irrtum unterlaufen. Natürlich sind es nicht die Arbeitnehmer, sondern die Arbeitgeber, die bei der Gebietskrankenkasse Schulden haben. Arbeitnehmerschulden bei der GKK sind maximal die leidigen »Ambulanzgebühren«, die mit hohem Verwaltungsaufwand im Nachhinein verrechnet werden. Bei solchen Fehlern ist es üblich, vom Teufel zu reden, in diesem Fall vom Druckfehlerteufel. Tatsache ist, dass nicht nur der Autor, sondern auch die Korrektoren und Revisoren diesen Fehler übersehen haben.

VKI: Letzte Meldung
Auf Seite 37 der Printausgabe steht ein Aufruf der Betriebsräte des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) mit der Bitte um Unterstützung. Kurz vor Drucklegung erreichte uns diese Nachricht des Pressedienstes der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) unter dem Titel »Weiterführung des VKI scheint gesichert«:

»Bei einem ›VKI-Gipfelgespräch‹ zwischen Justizminister Dieter Böhmdorfer und Spitzenvertretern der Sozialpartner konnte eine Einigung über die Zahlung des offenen Mitgliedsbeitrages des Bundes erzielt und damit der seit Monaten schwelende Konflikt zwischen den ordentlichen VKI-Mitgliedern (AK, ÖGB, WKÖ und Präsidentenkonferenz) und dem Bund weitgehend beigelegt werden.

Minister Böhmdorfer sagte zu, den für das laufende Jahr offenen Mitgliedsbeitrag in Höhe von rund 1,6 Millionen Euro noch im Juli zu begleichen. Gleichzeitig haben sich die ordentlichen Mitglieder verpflichtet, auf die Grundlage des früheren Syndikatsvertrages zurückzukehren. Dieser Vertrag regelt, neben den Statuten, die dem Bund zustehenden Mitwirkungsrechte bei wesentlichen Fragen der Vereinsführung.

Die Verhandlungspartner sind weiters übereingekommen, bis Ende September eine Einigung über die künftige strategische Ausrichtung und die betriebswirtschaftlichen Grundlagen des VKI zu finden.«

Natürlich werden wir über die Causa VKI weiter berichten.

Von Siegfried Sorz

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe .

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