„Nicht zuletzt“ … Gegen die Erosion des Rechtsstaats

Notlage
In der Baubranche werden ArbeitnehmerInnen auf irgendwelche Arbeitgeberkonten bei der Gebietskrankenkasse angemeldet. Unkenntnis der Rechtslage, Sprachprobleme und in vielen Fällen auch schlichte Notlage lassen ArbeitnehmerInnen in eine Falle tappen, aus der sie mit den vorhandenen rechtlichen Mitteln des Rechtsstaats nicht mehr befreit werden können. Sie leisten auf Baustellen wertvolle Arbeit, die mangels Feststellbarkeit des Arbeitgebers auch nicht mit gerichtlicher Hilfe befriedigend entlohnt wird.
Die Preise für jene Bauleistungen, die nicht abgegolten werden, werden den Bauherren natürlich verrechnet. Damit erhalten jene Unternehmen an der Spitze der Arbeitgeberpyramide jedenfalls ihren kalkulatorisch ermittelten Preis, die betroffenen ArbeitnehmerInnen gehen weitgehend leer aus. Dass diese Situation unhaltbar ist, wird auf zunehmend breiterer Basis erkannt und muss einer vernünftigen Regelung zugeführt werden. Die Haftung des Generalunternehmers, also jenes Unternehmens, das letztendlich auch den Preis für das Bauwerk vereinnahmt, scheint die einfachste und gerechteste Lösung dafür zu sein.

Ganz anders stellen sich die Probleme im Gastgewerbe dar. Die meisten beklagten Arbeitgeber führen schlicht zwei Verrechnungskreise. In der offiziellen, auch den Abgabenbehörden bekannt gegebenen Version des Arbeitsverhältnisses werden ArbeitnehmerInnen als Teilzeit-, manchmal sogar geringfügig Beschäftigte auf KV-Basis geführt. Die Realität sieht freilich ganz anders aus. So sind gelegentlich „geringfügig Beschäftigte“ anzutreffen, deren wöchentliche Arbeitszeit jenseits zulässiger Arbeitszeitgrenzen liegt. Pro forma werden Lohnkonten entsprechend der „offiziellen Sozialversicherungsmeldung“ geführt.

Zitat aus einem Urteil des OLG Wien – beklagter Unternehmer: „Das ist ja nicht in die Buchhaltung gekommen.“ Die Buchhaltung wurde daher nur zum Schein mit den im KV enthaltenen Sätzen geführt, die tatsächliche Entlohnung weicht davon im aufgezeigten Sinne ab. Untersuchungen von aktenkundigen Sachverhalten von AK und Gewerkschaft vida haben vor nicht allzu langer Zeit gezeigt, dass dieses Phänomen im Kollektivvertragsbereich Gastgewerbe jedenfalls 2,5-fach häufiger anzutreffen ist als im Durchschnitt aller Akten. Die betroffenen ArbeitnehmerInnen erleben ein böses Erwachen. Beweiskräftige Unterlagen gibt es meist nur für den offiziellen Teil des Arbeitsverhältnisses, der „Schwarzanteil“ lässt sich oft nur unter größten Schwierigkeiten oder gar nicht beweisen.

Schwarzgeldseen
Damit wird für die einzelnen Betroffenen sowohl das negative Schicksal sozialrechtlicher Anwartschaften (Arbeitslosen- und Krankengeld sowie Pension) als auch arbeitsrechtlicher Ansprüche besiegelt. Im Hintergrund dieser Systeme – es handelt sich nicht um bedauerliche Einzelfälle – stehen wahre Schwarzgeldflusslandschaften. Den betroffenen ArbeitnehmerInnen ist meist nicht erkennbar, ob und in welchem Ausmaß das gelebte Arbeitsverhältnis vom „offiziell verzeichneten“ abweicht.

In diesem Bereich erscheint die einzig effiziente Maßnahme die Trockenlegung der „Schwarzgeldseen“ durch fälschungssichere Registrierkassen. Ein Arbeitgeber, der seine Umsätze nur im vollen Ausmaß in seinen Büchern führen kann, wird schwer Gelegenheit haben, seinen ArbeitnehmerInnen die versprochenen Löhne schwarz auszuzahlen. Die in den letzten Monaten zu beiden Bereichen auf politischer Ebene geführten Diskussionen lassen die Hoffnung zu, dass der Erosion des Rechtsstaats endlich gegengesteuert wird.

Von Hans Trenner, Leiter des Bereichs arbeitsrechtliche Beratung und Rechtsschutz, AK Wien

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 2/15.

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