(Sprach-)Barrieren abbauen

Sieben Tage die Woche auf dem Hof arbeiten, ungefähr bis 20 Uhr abends. Wenn es notwendig ist, auch nachts. Nur jeden zweiten Samstag- oder Sonntagnachmittag frei haben zum Ausruhen. Der Lohn: in einem guten Monat 700 bis 750 Euro, und zwar bar auf die Hand“: Ein Erntehelfer aus Rumänien berichtete vergangenes Jahr über die Zustände bei seinem Arbeitgeber in Tirol. Jahrelang beteuerte der Hofbesitzer, dass der Lohn ordnungsgemäß bezahlt wurde und ihm nicht mehr zusteht. Erst als er sich überreden ließ, sich bei der Gewerkschaft zu informieren, erfuhr er, was sein Chef ihm und seinem Bruder vorenthalten hatte: Über die Jahre hinweg kamen ganze 57.000 Euro zusammen.

Fragwürdige Arbeitsbedingungen

ZuwanderInnen haben viel schlechtere Berufschancen als Menschen ohne Migrationshintergrund: Das bestätigen zahlreiche Studien. Das Beispiel des Erntehelfers zeigt aber auch deutlich, dass ZuwanderInnen oft mit sehr fragwürdigen Arbeitsbedingungen zu kämpfen haben, weil sie nicht ausreichend über ihre Rechte und Pflichten hierzulande informiert sind. Um diesem Trend entgegenzuwirken, bietet der ÖGB seit vielen Jahren Beratungen in verschiedenen Sprachen an. In den Grenzregionen zu Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Slowenien gab es zudem Kooperationen bei Beratungen, Schulungen und Gewerkschaftsarbeit. Diese Projekte sind und waren auch jeweils zweisprachig. Es passiert auch immer wieder, dass Personen aus terminlichen Gründen nicht an einer Informationsveranstaltung teilnehmen oder zur Beratung gehen können, sich aber nichtsdestotrotz informieren wollen. Der ÖGB versucht auch hier zu helfen und legt immer wieder Informationsmaterial mehrsprachig auf. Eine Broschüre zur EU-Arbeitsmarktöffnung 2011 erschien zum Beispiel in sechs Sprachen. Weiters wurden innerhalb des ÖGB mit der Plattform work@migration und dem Kompetenzzentrum Migration im ÖGB Oberösterreich spezielle Interessengruppen gegründet.

Bosanski, Hrvatski, Türk …

„Es ist nicht immer leicht, mit der österreichischen Gesetzeslage zurechtzukommen. Vor allem dann nicht, wenn die notwendigen Deutschkenntnisse fehlen. Wir wollen helfen, diese Barrieren bei der Bewältigung des Arbeitsalltags durch muttersprachliche Beratung zu überbrücken“, sagt Zdravko Spajic, seit über 40 Jahren ÖGB-Berater in den Sprachen Bosnisch, Kroatisch und Serbisch. Dass es die Möglichkeit gibt, sich im ÖGB in der eigenen Muttersprache beraten zu lassen, hat sich in der Community schnell herumgesprochen. Immer wieder kontaktieren ArbeitnehmerInnen Spajic, weil sie Briefe und in Amtsdeutsch formulierte Schreiben nicht verstehen. Der Dolmetscher übersetzt diese, gibt Erstauskünfte im Arbeits- und Sozialbereich, bei größeren Ungereimtheiten vermittelt er weiter zu ExpertInnen im Haus. Neben den drei Sprachen wird in Wien die Beratung auch auf Türkisch und Kurdisch, Tschechisch und Slowakisch angeboten. Vor einigen Jahren haben auch die Landesorganisationen Tirol, Oberösterreich und Vorarlberg die muttersprachliche Beratung in ihre Angebotspalette aufgenommen. Die Tiroler ArbeitnehmerInnen etwa können sich auf Türkisch, Spanisch, Englisch, Serbisch, Kroatisch und Bosnisch beraten lassen. „Die Beratungen zu den Themen Arbeits- und Sozialrecht, Bildung, Familie, Aufenthaltsrecht, Jugend und Wohnen sollen die ArbeitnehmerInnen, die zugewandert sind, über ihre Rechte und Pflichten informieren, und Missverständnisse, die oft durch sprachliche Defizite entstehen, sollen beseitigt werden“, sagt Daniela Meichtry, MigrantInnensprecherin des ÖGB Tirol.
Der ÖGB Oberösterreich ging sogar einen Schritt weiter: Zusätzlich zur muttersprachlichen Beratung wurde ein eigenes Gremium für Menschen mit Migrationshintergrund eingerichtet: das Kompetenzforum Migration. BetriebsrätInnen mit ausländischen Wurzeln kümmern sich um die speziellen Probleme von MigrantInnen im Arbeitsleben. Das Kompetenzforum Migration veranstaltet immer wieder diverse Veranstaltungen wie Fußballturniere, um das Miteinander der Menschen aus verschiedenen Kulturen zu fördern.

Ein Projekt zieht Bilanz

Mit 2011 liefen die Übergangsbestimmungen für die neuen EU-Länder (Tschechien, Slowakei, Slowenien, Ungarn, Polen, Estland, Lettland und Litauen) aus, und Personen aus diesen Staaten können seitdem uneingeschränkt in Österreich arbeiten. Bereits im Vorfeld hat sich der ÖGB Burgenland mit der Thematik „Grenzenloser Arbeitsmarkt“ auseinandergesetzt, vor sieben Jahren wurde das EU-Projekt „IGR ‒ Zukunft im Grenzraum“ gegründet. Das Ziel: einerseits die burgenländischen ArbeitnehmerInnen vor Lohndumping und Verdrängungswettbewerb und andererseits die ungarischen ArbeitnehmerInnen vor Ausbeutung zu schützen. Im März 2015 ging das Projekt zu Ende und der ÖGB Burgenland zog Bilanz.
Von 2008 bis 2015 wurden an fünf Standorten im Burgenland und sechs in Westungarn 76.000 ungarische Beratungen zu Themen wie Arbeits-, Sozial- und Steuerrecht durchgeführt. Es fanden 170 Informationsveranstaltungen zu Fragen der grenzüberschreitenden Beschäftigung statt, 57 zweisprachige Publikationen und Broschüren wurden veröffentlicht. 114 Schulungsmaßnahmen für ArbeitnehmervertreterInnen aus dem Burgenland und Westungarn wurden durchgeführt – darunter auch ein Jugendschwerpunkt.

Netzwerktreffen

Immer wieder fanden Netzwerktreffen mit arbeitsmarktrelevanten Behörden wie dem Arbeitsmarktservice und der Finanzpolizei statt. „Durch kostenlose Beratung wollten wir UngarInnen in Österreich, aber auch ÖsterreicherInnen in Ungarn den Einstieg ins Arbeitsleben erleichtern“, sagt ÖGB-Landessekretär Gerhard Michalitsch. Bertold Dallos, IGR-Projektleiter, fügt hinzu: „Wir haben auch die Rolle des Vermittlers zwischen den arbeitsmarktrelevanten Behörden des Burgenlands eingenommen. Entwicklungen und Veränderungen konnten so relativ früh erkannt und diskutiert werden. Neben dem gegenseitigen Austausch wurde auch oft an gemeinsamen Lösungen gearbeitet.“ Für die Zukunft plant der ÖGB Burgenland ein Projekt, das sich mit PendlerInnen- und Migrationsbewegungen in der Grenzregion beschäftigen soll. „Derzeit sind wir noch in der Anfangsphase, ein Projektstart ist für das kommende Jahr geplant“, sagt Michalitsch.

Auch Hasan hat seine Vorteile

Wäre es für Hasan in der Arbeitswelt einfacher, wenn er Hans heißen würde? Viele ZuwanderInnen würden diese Frage mit großer Sicherheit bejahen. Das trifft besonders dann zu, wenn sie auf Jobsuche sind.
„Durch meine internationalen Erfahrungen, Studium und Arbeit in Brasilien, Spanien und Österreich, weiß ich, wie schwer es auch für gut ausgebildete MigrantInnen ist, einen adäquaten Job zu bekommen, akzeptiert und in das Berufsleben ordentlich integriert zu werden“, bestätigt auch Clara Chaves de Carvalho von der Interessengemeinschaft work@migration der Gewerkschaft GPA-djp und fügt hinzu: „Andererseits bietet gerade diese Internationalität heimischen Unternehmen enorme Vorteile, die leider zu oft nicht erkannt werden. Ich möchte daher gerade im Bereich der Weiterentwicklung und Weiterausbildung von MigrantInnen und stärkerer Sensibilisierung der heimischen Betriebe arbeiten und die Win-win-Situation für beide Seiten bewusst machen.“
work@migration ist eine Plattform von MigrantInnen, die sich für MigrantInnen und deren Unterstützung einsetzt. Sie soll dem Erfahrungsaustausch, der Kommunikation und der Verbindung mit anderen MigrantInnen dienen. Ähnlich wie bei allen anderen Aktionen des ÖGB und der Gewerkschaften reicht die Angebotspalette von der Rechtsberatung und Rechtsvertretung über die Betriebsratsgründung und -beratung bis hin zur Rassismus- und Antidiskriminierungsberatung. „Arbeit und Migration hatten immer einen gemeinsamen Weg, und davon abhängig war, ist und wird das Zusammenleben und letztendlich der Wohlstand unseres Landes sein“, hält Zoran Aleksic, stellvertretender Vorsitzender von work@migration, fest.

Internet:
Weitere Informationen finden Sie unter:
www.gpa-djp.at
www.mitgliederservice.at
www.igr.at
www.undok.at

Schreiben Sie Ihre Meinung an die Autorin amela.muratovic@oegb.at oder die Redaktion aw@oegb.at

Von Amela Muratovic (ÖGB Kommunikation)

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 3/15.

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