Europäische Perspektiven

Wohnen wird in vielen Städten Europas immer schwerer leistbar. Die Initiative „Housing for All“ will darauf aufmerksam machen und einen Kurswechsel erreichen.
Es gibt kein Land, das nicht vor wohnungspolitischen Herausforderungen steht, betont Michaela Kauer. Sie ist Leiterin des Verbindungsbüros der Stadt Wien zur EU in Brüssel, und ihr Befund ist alarmierend: „In Spanien wurden mehr als 300.000 Menschen aufgrund der Austeritätspolitik der EU aus ihren Wohnungen zwangsgeräumt. In den Niederlanden verloren aufgrund einer Gesetzesänderung nach einer Klage institutioneller Investoren 650.000 Menschen den Zugang zu geförderten Wohnungen.“ In Frankreich wiederum mussten die Sozialwohnbauträger nach einem Beschluss der Regierung Macron jedes Jahr ein Prozent ihres Bestands verkaufen, während viele deutsche Städte derzeit ihren ehemaligen kommunalen Wohnungsbestand zurückholen wollen. Kauer weiter: „In Griechenland wurde der Schutz vor Zwangsräumungen von der EU-Troika aufgehoben – in einem Land, in dem es keine Sozialwohnungen gibt.“

Dadurch, dass Einkommen stagnieren und Wohnkosten steigen, ist die Wohnungskrise im Mittelstand angekommen.

Erschreckend sei dabei aber vor allem: Dadurch, dass Einkommen stagnieren und Wohnkosten steigen, „ist die Wohnungskrise im Mittelstand angekommen“, hält Kauer fest. Verschärft habe sich die Wohnungskrise vor allem in den Städten. Ein Grund dafür sind sinkende Investitionen durch die öffentliche Hand (bedingt durch Sparbudgets und die Einhaltung der Maastricht-Kriterien). Durch das niedrige Zinsniveau wiederum sind Wohnungen zu Spekulationsobjekten geworden, was Wohnkosten „in schwindelnde Höhen“ treibt. Doch Wohnen sei ein Grundbedürfnis von Menschen. Dieses sicherzustellen ist den Initiatoren der Europäischen Bürgerinitiative für leistbares Wohnen – „Housing for All“ – ein Anliegen. „Wir fordern daher von den EU-Gesetzgebern bessere rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen für mehr bezahlbares und soziales Wohnen“, betont Karin Zauner, eine der SprecherInnen der Initiative. Sie ist in Wien im Bereich des öffentlichen Wohnbaus tätig, auf internationalen Konferenzen hat sie sich über die Jahre europaweit vernetzt. So entstand auch die Idee, hier auf EU-Ebene etwas auf die Beine zu stellen, erzählt sie.

„Housing for All“ Forderungen:

  • rleichterung des Zugangs für alle zu leistbarem und sozialem Wohnbau
  • keine Anwendung der Maastricht-Kriterien auf öffentliche Investitionen in leistbaren Wohnbau
  • besserer Zugang zu EU-Finanzmitteln für gemeinnützige und nachhaltige Wohnbauträger
Da Wohnen nationale Aufgabe ist und es hier keine EU-Vorgaben gibt, war es wichtig, bei den Forderungen der Bürgerinitiative Dinge anzusprechen, die Gemeinschaftsrecht sind, so Zauner. Ihre Forderungen sind unter anderem: Erleichterung des Zugangs für alle zu leistbarem und sozialem Wohnbau, keine Anwendung der Maastricht-Kriterien auf öffentliche Investitionen in leistbaren Wohnbau oder besserer Zugang zu EU-Finanzmitteln für gemeinnützige und nachhaltige Wohnbauträger.

Die Europäische Bürgerinitiative „Housing for All“ (housingforall.eu) kann bis 18. März 2020 online unterstützt werden. Insgesamt eine Million Unterschriften müssen erreicht werden, damit sich sowohl EU-Kommission als auch das Europäische Parlament mit dem Anliegen befassen.

Europeans for Affordable Housing –
für bezahlbares Wohnen in Europa:
www.housingforall.eu

Von
Alexia Weiss
Freie Journalistin und Autorin

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 9/19.

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Über den/die Autor:in

Alexia Weiss

Alexia Weiss, geboren 1971 in Wien, Journalistin und Autorin. Germanistikstudium und Journalismusausbildung an der Universität Wien. Seit 1993 journalistisch tätig, u.a. als Redakteurin der Austria Presse Agentur. Ab 2007 freie Journalistin. Aktuell schreibt sie für das jüdische Magazin WINA sowie für gewerkschaftliche Medien wie die KOMPETENZ der GPA-djp oder die Gesunde Arbeit. 2022 erschien ihr bisher letztes Buch "Zerschlagt das Schulsystem ... und baut es neu!" (Verlag Kremayr & Scheriau).

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