Historie: Das Bat’a-System

(C) Rudolph Philipp: „Stiefel der Diktatur“, Schutzumschlag 1936
1928 zeigte der Journalist Rudolph Philipp auf, wie bei Bat’a Kontrolle und Manipulation der ArbeitnehmerInnen im Interesse von maximalem Profit auf die Spitze getrieben wurden. Sein Buch „Der unbekannte Diktator“ erschien in Wien, der zweite Recherche­bericht „Stiefel der Diktatur“ in Zürich. Trotzdem behielt Bat’a weiter das Image eines besonders sozialen Unternehmens.
Die modernen ArbeiterInnenhäuser der Schuhfabrik Bat’a im mährischen Zlín waren Teil eines perfekten Ausbeutungs- und Kontrollkonzepts.
ArbeiterInnen und auch die meisten Angestellten konnten sich von ihrem Verdienst noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts keine Wohnungen leisten, die ein halbwegs gutes Leben ermöglicht hätten. Im „Roten Wien“ und einigen anderen großen Städten Europas verbesserten zwar soziale Wohnbauprogramme die Lebensbedingungen, aber das war die Ausnahme von der Regel. Deshalb hatten Unternehmen, die ihren ArbeitnehmerInnen neben betrieblichen Sozialleistungen und Freizeiteinrichtungen auch Wohnraum zur Verfügung stellten, ein gutes Image. Sie behielten es manchmal bis heute, vor allem dann, wenn der Bautätigkeit interessante moderne Architekturkonzepte zugrunde lagen. Die Kehrseite der Medaille wurde und wird dabei gerne übersehen: Die ArbeitnehmerInnen gerieten in große Abhängigkeit von den Unternehmen, bei „Unbotmäßigkeit“, etwa bei der Teilnahme an einem Streik oder auch nur bei der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft, standen sie und ihre Familien sofort und buchstäblich auf der Straße.

AbeiterInnen und auch die meisten Angestellten konnten sich von ihrem Verdienst noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts keine Wohnungen leisten, die ein halbwegs gutes Leben ermöglicht hätten.

Die Besitzer der Schuhfabrik Bat’a, die ihre Firmenzentrale bis 1938 in Zlín in Mähren hatte, perfektionierten die Erhöhung der Produktivität durch eine Kombination aus neuen Technologien, Wohlfahrt und Kontrolle aller Lebensbereiche wie kein anderes Unternehmen. Nach außen bewusst sichtbar gemacht wurde die Unterordnung unter das Ziel der höchstmöglichen Produktivität durch eine moderne, einheitliche Architektur, die von der Fabrik und den Verwaltungsgebäuden über die Schulungs- und Freizeiteinrichtungen bis zu den Wohnhäusern der ArbeitnehmerInnen alles prägte.

Die Häuser für die Beschäftigten, in denen heute zum Teil Studierende der Universität von Zlín wohnen, stehen wie kleine ziegelfarbige Würfel im Grüngürtel der Stadt und machen einen freundlichen Eindruck. In jedem der Häuschen für die ArbeiterInnen wohnten vier Parteien. Sie hatten Fließwasser und WC, für viele eine bisher nicht gekannte Annehmlichkeit, aber trotzdem entpuppt sich der Bat’a-Slogan „Der Fabrikarbeiter ist bei der Arbeit ein Sklave, da soll er sich zu Hause als König fühlen“ bei näherem Hinsehen als reine Propaganda. 56 Quadratmeter: ein Zimmer unten mit Miniküche und Bad, steile Stiege und dann ein Zimmer oben. Geheizt wurde mit einem einzigen Kohleofen, der durch ein Loch in der Decke auch den oberen Raum erwärmen sollte. Betonung auf „sollte“, denn auf eine gute Isolierung wurde vergessen. Für in der Hierarchie höher aufgestiegene Angestellte gab es oben am Hang, näher am Wald, Zweifamilien- oder Einfamilienwürfel. Jede Wohnung hatte direkten Zugang zu einer kleinen Grünfläche, aber angebaut werden durfte dort nichts. Private Gemüsegärten waren ausdrücklich nicht erwünscht, da die Firmenleitung die Arbeitskraft der Beschäftigten ausschließlich für die Produktion zur Verfügung haben wollte. Außerdem kamen keineswegs alle in den Genuss einer Werkswohnung, es war ein Privileg für besonderes Wohlverhalten. Auch die Wohnungsvergabe war, wie der Unternehmer offen zugab, dem Zweck untergeordnet, den „Produktionsaufwand noch mehr herabzusetzen“.

Ausgewählt von
Brigitte Pellar
Freie JournalistInnen

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 9/19.

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Über den/die Autor:in

Brigitte Pellar

Brigitte Pellar ist Historikerin mit dem Schwerpunkt Geschichte der ArbeitnehmerInnen-Interessenvertretungen und war bis 2007 Leiterin des Instituts für Gewerkschafts- und AK-Geschichte in der AK Wien.

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