Standpunkt: Mutige Jugend, mutlose Politik

Sonja Fercher
Chefredakteurin
Arbeit&Wirtschaft

Es ist nicht die erste Meldung, die mich – gelinde gesagt – gewundert hat. Die Bildungsministerin der Übergangsregierung, Iris Rauskala, erklärte zum Thema Schulstreik für den Klimaschutz: Die Kinder mögen bitte in die Schule gehen, denn der Bildungsauftrag Klimaschutz könne auch in der Schulzeit erbracht werden.

Die Aussagen von Rauskala zum Thema Schulstreik für den Klimaschutz sind geradezu symptomatisch dafür, wie oberflächlich die Diskussionen über Klimapolitik geführt werden.

Die Aussagen von Rauskala sind geradezu symptomatisch dafür, wie oberflächlich die Diskussionen über Klimapolitik geführt werden: Man beschäftigt sich nicht mit dem Hauptschauplatz, sondern mit Nebensächlichkeiten, diese aber werden dafür umso emotionaler diskutiert. So als würde man bei einer Statue, deren Hand in eine Richtung weist, nur den Zeigefinger betrachten, statt den Blick dorthin zu richten, wohin dieser zeigt.

Worauf zeigt denn nun dieser Zeigefinger, den die Jugend so vehement erhebt? Er will aufzeigen, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann. Das Problem: Obwohl wir das alle längst wissen, machen wir so weiter wie bisher. Die angeblich so weise unsichtbare Hand des Marktes wird es schon richten, behaupten wirtschaftsliberale PolitikerInnen unverdrossen. Fakt aber ist, dass genau dieser Markt uns in diese Lage gebracht hat. Profit gegen billige Preise und versteckte Ausbeutung: So lautet die Formel, mit der sich das momentane System am besten zusammenfassen lässt. Zu diesem System gehört auch die Masse oder Monokultur. Bestes Beispiel dafür ist die Nahrungsmittelindustrie in Österreich. Ob bei Rinder- oder Schweinefleisch: Es wird mehr produziert, als verbraucht wird. Das Bild, wonach in Österreich die LandwirtInnen alle in kleinen Betrieben in schwierigem Gelände wirtschaften würden, ist nicht mehr als das: ein geschöntes Werbesujet für die Tourismusindustrie. Diese Betriebe gibt es freilich auch, doch sie konkurrieren bei den KonsumentInnen mit den großen Landwirtschaftsbetrieben – und können entsprechend nur schwer mithalten.

Profit gegen billige Preise und versteckte Ausbeutung: So lautet die Formel, mit der sich das momentane System am besten zusammenfassen lässt.

Gestaltungswille

Das Beispiel Landwirtschaft ist sogar noch in einer anderen Hinsicht aufschlussreich. Denn von der oft bemühten Marktwirtschaft kann hier nicht die Rede sein. Vielmehr steckt der Staat viel Geld in diesen Sektor. Dagegen ist ja auch grundsätzlich nichts einzuwenden, denn regional produzierte Waren sind eben auch klimafreundlicher. Es braucht also politischen Gestaltungswillen, hier erneut regulierend einzugreifen.

Es braucht politischen Gestaltungswillen, um regulierend einzugreifen. Nur passt ebendieser nicht zur Logik des Neoliberalismus.

Nur passt ebendieser politische Gestaltungswille nicht zur Logik des Neoliberalismus. Dieser setzt auf Privatisierung und Profite. Bestes Beispiel dafür ist die Bahn: Sie ist nicht rentabel, also muss gespart oder privatisiert werden – und so geschah es denn auch. Die Folge: Auf kleineren Linien gibt es entweder gar keinen Busverkehr mehr, weshalb die Menschen aufs Auto umsteigen mussten; oder aber private Anbieter übernahmen die Strecken, nur dass die Tickets so teuer sind, dass sie für die tägliche Mobilität nicht mehr infrage kommen. Nun sind die ÖBB gar nicht schlecht aufgestellt, sodass Bahnfahren in Österreich für viele Strecken in der Tat eine Alternative ist. Und man ist durchaus einfallsreich: Mit „Rail and Drive“ kann man immerhin auch in nicht von Bahn oder Bus erschlossene Gebiete kommen.

Die große Frage muss lauten: Warum muss die Bahn eigentlich rentabel sein? Ist es nicht vielmehr eine sinnvolle öffentliche Infrastruktur, und zwar in sozialer wie in klimapolitischer Hinsicht? Denn wer Öffis nutzen kann, muss nicht so viel Geld in die Mobilität stecken, sondern kann auch mal für Biolebensmittel mehr ausgeben. Diese wiederum schmecken nicht nur besser und sind gesünder – wenn sie nicht in der Masse produziert werden, sind sie auch deutlich klimafreundlicher. Was also fehlt, ist der politische Wille, öffentlichen Verkehr massiv auszubauen.

Was fehlt, ist der politische Wille, öffentlichen Verkehr massiv auszubauen.

Zurück zu den „Fridays for Future“: Als würde es den jungen Menschen darum gehen, einen Bildungsauftrag zu erfüllen. Denn was soll ihnen das bringen, wenn die Welt zerstört wird, in der sie das Erlernte anwenden könnten? Und wie sinnvoll ist dieser Bildungsauftrag, wenn die Verantwortlichen, die diesen definiert haben, nicht das Nötige tun, um die Erde zu schützen

Von
Sonja Fercher
Chefredakteurin

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 7/19.

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Über den/die Autor:in

Sonja Fercher

Sonja Fercher ist freie Journalistin und Moderatorin. Für ihre Coverstory im A&W Printmagazin zum Thema Start-ups erhielt sie im Juni 2018 den Journalistenpreis von Techno-Z. Sie hat in zahlreichen Medien publiziert, unter anderem in Die Zeit, Die Presse und Der Standard. Von 2002 bis 2008 war sie Politik-Redakteurin bei derStandard.at. Für ihren Blog über die französische Präsidentschaftswahl wurde sie im Jahr 2008 mit dem CNN Journalist Award - Europe ausgezeichnet.

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