Glossar
Irland und der Steuerwettbewerb |
|
Double Irish | Bezeichnet ein 2014 geschlossenes, von PWC lobbyiertes Schlupfloch im irischen Steuerrecht. Eine ausländische Firma mit Sitz in einem Steuerparadies stattet demnach eine irische Tochter mit teuren Krediten aus, wodurch letztere Lizenzen der Mutter erwirbt. Die werden an eine zweite irische Tochter weiterverkauft. Durch Verluste, gegenseitige Gebühren, Schulden sowie Abschreibungen der Töchter verringert sich die gesamte Steuerlast und die Mutter gewinnt hoch. |
Dutch Sandwich | Zwischenkonstrukt des Double Irish, bei dem eine dritte (niederländische) Tochterfirma Zinsen und Gebühren aus Irland erhält, damit den irischen Steuersatz vermindert und den Gesamtgewinn weiter erhöht. |
Single Malt | Eigentlich eine Bezeichnung für hochwertigen Scotch, gilt dieses Modell als Nachfolge des Double Irish. Dabei nutzen gerade US-Firmen irische Töchter mit Sitz in Malta. |
Das Ausmaß: 11 bis 1.700 Kärntner Landesbanken
Allgemein läuft das so: Entweder preist ein Staat seinen Wirtschaftsstandort an und bietet Multis für eine Ansiedlung exklusive Vorteile – gerade im Vergleich zu Nachbarländern. Oder Multis lobbyieren sich einen Standort erfolgreich zurecht, wie das beim Double Irish geschah. Man denke auch an CumEx, wobei sich börsennotierte Unternehmen die Kapitalertragsteuer beim mehrfachem Kauf und Rückkauf derselben Aktien erstatten ließen. Während Nordrhein-Westfalen Steuersünder-Daten kaufte und dafür von Berlin kritisiert wurde, tolerierte das deutsche Finanzministerium insgeheim CumEx. In Österreich läuft es nicht besser: Die Republik kostete die Affäre wohl 100 Millionen Euro; die EU 55 Milliarden Euro.
Allgemein läuft das so: Entweder preist ein Staat seinen Wirtschaftsstandort an und bietet Multis für eine Ansiedlung exklusive Vorteile. Oder Multis lobbyieren sich einen Standort erfolgreich zurecht.
Die OECD schätzt den Gesamtschaden, der weltweit durch aggressive Steuerplanung entsteht, auf jährlich 240 Milliarden US-Dollar. Das sind knapp elf Kärntner Landesbanken. Durch Steuerhinterziehung wiederum entgehen der EU laut einer Studie für die Sozialdemokraten im EU-Parlament 825 Milliarden Euro im Jahr (Österreich: 12,9 Milliarden). Das sind rund 43 Hypos. Und in klassischen Steueroasen liegen nach Schätzungen noch bis zu 32 Billionen US-Dollar. Das sind etwas weniger als 1.700 Hypos.
Plötzlich Steuergerechtigkeit?
2015 initiierte die OECD eine Kampagne, um des Problems Herr zu werden. Demnach unterstützen bereits mehr als 130 Staaten den Aktionsplan, über 85 haben eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet. Deutschland rühmte sich schon 2017 – also kurz vor dem Auffliegen des CumEx-Skandals! – mit dem erfolgreichen Abschluss des BEPS-Projekts. BEPS steht für „Base erosion and profit shifting“, sinngemäß Gewinnkürzung und -verlagerung. Es ist der englische Überbegriff für aggressive Steuerplanung und den daraus resultierenden Steuerwettbewerb. Neben der Kampagne entstanden EU-weite jährliche Meldepflichten der Unternehmen bei allen Steuerbehörden, unter denen sie wirtschaften. Sie heißen „Country-by-Country Reports“ (CbCR). Die Mitgliedsstaaten tauschen diese Daten automatisch miteinander aus. Wie das „Handelsblatt“ im Juli meldete, meiden Multis seither deshalb Steuerparadiese in der Karibik.
Steuergerechtigkeit? Weit gefehlt: Statt in die Karibik oder in die Kanalinseln vor England investieren Großkonzerne verstärkt in Niedrigsteuerländern.
Herrscht also plötzlich Steuergerechtigkeit? Weit gefehlt: Statt in die Karibik oder in die Kanalinseln vor England investieren Großkonzerne verstärkt in Niedrigsteuerländern. Vor der EU-Wahl forderte das Parlament von den Mitgliedsstaaten mehr Engagement gegen Steuerflucht. Es herrsche „große Besorgnis über den generellen Mangel an politischem Willen“ in der Frage. Da in Steuerfragen Einstimmigkeit herrschen muss, konnte sich der Rat noch auf keine gemeinsame Linie einigen, erklärt Steuerexperte Martin Saringer (AK Wien) am A&W Blog. Immerhin lobt er das CbCR und EU-Richtlinien zur Bekämpfung von missbräuchlichen Steuergestaltungen (ATAD I und II), obwohl all das kein großer Wurf sei.
Österreich keine Ausnahme
Auch Österreich hat sich dem BEPS-Projekt verschrieben und laut OECD-Datenbank sogar ein entsprechendes Gesetz verabschiedet. Das heißt nicht, dass die Zweite Republik Großunternehmen schröpft. Obwohl der Rechnungshof seit den Neunzigern Reformen fordert, zahlen KMU immer noch mehr Steuern als Konzerne. Das gelingt etwa, indem nicht der Umsatz, sondern der Profit als Rechengrundlage für die KöSt dient.
Multinationale Konzerne zahlen im Schnitt um 30 Prozent weniger Ertragsteuern als Unternehmen, die nur in einem Staat tätig sind.
Martin Saringer, AK Wien
Kürzlich vereinbarten auch die G20-FinanzministerInnen eine globale Digitalsteuer, die schon 2020 kommen soll. Was Österreichs EU-Ratspräsidentschaft nicht gelang, geht die Weltgemeinschaft an. Darüber hinaus soll ein Staat, in dem Unternehmensgewinne ursprünglich anfallen, diese nach Plänen der G20 nachträglich versteuern dürfen. Dabei ist eine Mindestbesteuerung von 13 Prozent im Gespräch – minder, aber immerhin etwas. Saringer schreibt: „Multinationale Konzerne zahlen im Schnitt um 30 Prozent weniger Ertragsteuern als Unternehmen, die nur in einem Staat tätig sind. Und Unternehmen der digitalen Wirtschaft zahlen im Schnitt nur halb so viel an Gewinnsteuern wie die Unternehmen der traditionellen Wirtschaft.“ Welche Bemessungsgrundlage auch immer herhält: Das CbCR könnte ein erstes wirksames Mittel sein, um Steuervermeidung und -flucht einzuschränken, erlaubt es doch einen Gesamtblick auf Bilanzen.