enn es um Klimaschutz geht, heißt es oft, dass jede*r Einzelne gefragt sei, einen Beitrag zu leisten. Durch den Umstieg auf Ökostrom, aufs Fahrrad, auf Bio-Lebensmittel. Oder durch den Verzicht auf Flugreisen. Bewusster Konsum wird angemahnt. Sehr schnell geht es dann auch um Zwänge und Vorschriften, die bitte eingehalten werden sollen. Begriffe wie Scheinheiligkeit und Doppelmoral liegen nicht ganz fern, wenn das Verhältnis von Anspruch und Wirklichkeit beim Klimaschutz beschrieben werden soll.
Zur Wirklichkeit gehört, dass der individuelle Verzicht bewusster Konsument*innen auf dieses oder jenes zugunsten des Klimas wohl nicht ausreichen wird, um die dramatischsten Folgen der Klimakrise noch abzuwenden. Doch es kommt Bewegung in die Debatte. Denn immer mehr Menschen erinnern sich daran, dass ja Konsument*innen auch Bürger*innen sind, die sich demokratisch durchaus kollektive Vorschriften und Pflichten verordnen können, wenn das zur Lösung großer gesellschaftlicher Probleme beiträgt; oder eben zur Behebung von Missständen wie der Klimakrise, die nicht einfach durch freiwillige, individuelle Entscheidungen behoben werden können.
Der Klimaschutz soll endlich von der Privatsache zur staatlichen, politischen Angelegenheit werden. Doch wie?
Der Klimaschutz soll endlich von der Privatsache zur staatlichen, politischen Angelegenheit werden. Doch wie? Diskutiert wird über CO2-Steuern, die klimaschädliche Entscheidungen verteuern sollen, über den Ausbau des Emissionshandels, der den CO2-Ausstoß mit einem flexiblen Preisschild versehen und zur Handelsware machen soll, und über staatliche Investitionen in grüne Technologien und Industrien. Die Diskussion wird auch hierzulande immer konkreter, nicht zuletzt weil sich Österreich im Rahmen des Pariser Klimaabkommens von 2015 verpflichtet hat, seine CO2-Emissionen bis zum Jahr 2030 um 36 Prozent gegenüber dem Wert von 2005 zu reduzieren. Außerdem muss Österreich der EU-Kommission bis Ende 2019 einen Nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP) vorlegen. Es wird also Zeit für konkrete Ideen.
CO2-Steuern: Transparent, planbar, potenziell sozial ungerecht
Die zentrale Forderung des Dokuments der Wissenschafter*innen ist eine ökosoziale Steuerreform. 100 Euro Steuer sollen danach für jede Tonne CO2 fällig werden. Ökonomin Stagl beschwichtigt Skeptiker*innen, die angesichts der Forderung nach einer solchen CO2-Steuer dramatische Folgen für die österreichische Volkswirtschaft prognostizieren. In Schweden sei eine solche Steuer bereits seit den neunziger Jahren etabliert und sie betrage dort heute etwa 118 Euro pro Tonne CO2. „Die schwedische Wirtschaft ist auch nicht zusammengebrochen, im Gegenteil.“
- dass durch die Einführung einer CO2-Steuer Energieverbrauch und Emissionen deutlich reduziert werden könnten und
- dass die negativen Effekte auf Haushalte und Wirtschaft durch Kompensationsmaßnahmen abgefedert werden können.
Die Einführung einer CO2-Steuer bzw. die Erhöhung von Energiesteuern würde diese Haushalte daher am stärksten treffen, wenn keine Kompensationsmaßnahmen ergriffen werden“, erklärt Ökonomin Claudia Kettner-Marx. „Kompensationsmaßnahmen könnten die negativen Effekte für die einkommensschwachen Haushalte abfedern.“ Auch Kompensationsmaßnahmen für besonders stark betroffene Wirtschaftszweige seien denkbar. Es komme eben ganz auf die Höhe der Besteuerung an, auf die Art der Rückvergütung und auch darauf, für welche Sektoren und Energieträger eine solche Steuer überhaupt eingeführt wird.
Unterm Strich aber würden die WIFO-Berechnungen zeigen, „dass durch die Einführung einer CO2-Steuer Energieverbrauch und Emissionen deutlich reduziert werden könnten. Darüber hinaus wird bestätigt, dass die negativen Effekte auf Haushalte und Wirtschaft durch Kompensationsmaßnahmen abgefedert werden können.“
Emissionshandel: Mit der Kraft des Marktes
Eine Alternative zur CO2-Besteuerung wird vielfach in einer Ausweitung des bereits bestehenden Emissionshandels gesehen. Der Gedanke: Wenn der Ausstoß von Emissionen teuer wird, könnte mit dem Recht, CO2 auszustoßen, Handel getrieben werden. Auch das würde einen Anreiz schaffen, Emissionen zu vermeiden. Die Anhänger des Emissionshandels sehen darin einen eleganten Weg, Marktkräfte in den Dienst des Klimaschutzes zu stellen.
Claudia Kettner-Marx gibt jedoch zu bedenken, dass die bisherige Preisentwicklung im EU-Emissionshandel starken Schwankungen unterlag und dass die CO2-Preise im Vergleich zu den diskutierten Energiesteuersätzen noch immer sehr gering seien. Außerdem sieht sie in einer Besteuerung von CO2 einen wichtigen Vorteil: „Die Einführung von Steuern mit einem klar vorgezeichneten Entwicklungspfad des Steuersatzes würde Sicherheit bezüglich der Kostenentwicklung für die Konsumenten bringen, die ihre Konsumentscheidungen entsprechend planen könnten, sowie stabile Einnahmen, die dann für eine Steuerreform genutzt werden könnten.“ Und: „Eine CO2-Steuer auf fossile Energieträger könnte aufbauend auf die derzeitige Energiebesteuerung leicht eingeführt werden.“
Green New Deal: staatliche Investitionen in grüne Technologie
Neben der ökosozialen Steuerreform macht noch ein anderer Begriff in den Debatten um politische Lösungen der Klimakrise weltweit die Runde. Green New Deal lautet er. Er stammt aus den USA, wo er seit Jahren kursiert. Der Begriff verweist auf das Investitionsprogramm New Deal, das die Regierung Franklin D. Roosevelts in den 1930er-Jahren als Antwort auf die damalige Weltwirtschaftskrise formulierte. Die prominenteste politische Fürsprecherin eines Green New Deals in den USA ist derzeit die demokratische Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez. Das von ihr Anfang Februar vorgelegte Konzept dafür umfasst Investitionen in umweltfreundliche öffentliche Infrastruktur, in Forschung und Technologieentwicklung und soll zur Schaffung Hunderttausender neuer, zukunftsfähiger Jobs beitragen.
Als Antwort auf die „Fridays For Future“-Bewegung übernahm in Österreich die Sozialdemokratie die Forderung nach einem Green New Deal in ihr Programm zur Europawahl. Die Initiative war von der Sozialistischen Jugend ausgegangen. „Es braucht ein Investitionsprogramm mit konkreten und ambitionierten Maßnahmen. Das Programm muss einerseits endlich Treibhausgasemissionen senken, um den Sturz in die Klimakatastrophe abzuwenden. Gleichzeitig muss es gut bezahlte Arbeitsplätze schaffen und unsere Lebensqualität erhöhen“, forderte die SJ-Vorsitzende Julia Herr bereits im März. Das Green-New-Deal-Konzept der Sozialistischen Jugend enthält die Forderung nach dem Ausstieg aus fossilen Energieträgern. Eine CO2-Besteuerung wird darin jedoch zumindest nicht explizit gefordert. Wohl aber werden darin Steueranreize gefordert, „um in neue, umweltschonende Technologien zu investieren.“
Treibhausgase auszustoßen, muss man sich leisten können.
Wie auch immer die politische Antwort auf die Klimakrise am Ende ausfällt: Alles deutet darauf hin, dass die Krisenbewältigung in Österreich und Europa in absehbarer Zeit mehr als bisher von der Privatsache zur staatlichen Angelegenheit wird. Nach Jahren sehr überschaubarer Fortschritte eine überfällige Entwicklung. Die Bepreisung von CO2-Emissionen löst dabei nicht die Klimakrise in ihrer globalen Dimension. Sie schreibt zunächst einmal eine Logik fest, die auch bisher gilt: Treibhausgase auszustoßen, muss man sich leisten können.