Die AK ist die Anwältin der Beschäftigten, die ihnen gegenüber ArbeitgeberInnen, Sozialversicherung oder Finanzamt zu ihrem Recht verhilft. Doch sie ist noch mehr als das. In vielen Fällen schützt und vertritt sie die ArbeitnehmerInnen, lange bevor es zu Konflikten kommt.
Die AK ist die Anwältin der Beschäftigten, die ihnen gegenüber ArbeitgeberInnen, Sozialversicherung oder Finanzamt zu ihrem Recht verhilft. Doch sie ist noch mehr als das. In vielen Fällen schützt und vertritt sie die ArbeitnehmerInnen, lange bevor es zu Konflikten kommt.
Wenn Gesetze entstehen, bringen die AK-ExpertInnen die Interessen der Beschäftigten ein. Das betrifft alle wichtigen Lebensbereiche von ArbeitnehmerInnen, vom Arbeits- und Steuerrecht bis hin zu Gesundheit, Bildung, Wohnen und KonsumentInnenschutz. Im letzten Jahr hat die AK auf Bundesebene rund 300 Gesetze und Verordnungen und Hunderte mehr auf Landesebene begutachtet.
Ob es um das Steuersystem, leistbares Wohnen oder bessere Arbeitszeiten geht: Gelungene Politik für die ArbeitnehmerInnen braucht durchdachte Konzepte und gründliche Faktenkenntnis. Die AK beauftragt deshalb wissenschaftliche Studien oder führt diese selbst durch. Oft sind ihre ExpertInnen die einzigen Gegenstimmen zu den Think-Tanks von Industrie und Großunternehmen.
Das aufgebaute Wissen gibt die AK an ihre Mitglieder weiter: Mit vielen Bildungsangeboten vermittelt die AK BetriebsrätInnen wertvolles Know-how und fördert ArbeitnehmerInnen bei ihrer persönlichen Qualifizierung. Zahlreiche kostenlose Ratgeber, Broschüren und die umfassende Website runden das Angebot ab. So baut die AK Gegenmacht zum neoliberalen Zeitgeist auf.
Die AK berät also in arbeitsrechtlichen Fragen und unterstützt bei Bedarf auch vor Gericht. Bei neuen Gesetzen redet sie im Sinn ihrer Mitglieder mit. Auf wissenschaftlicher Ebene bildet sie einen fundierten Gegenpol zu den Denkfabriken der MillionärInnen und Konzerne. Mit ihrem Gesamtangebot bildet die AK also einen Schutzschirm für die ArbeitnehmerInnen in Österreich, wie es ihn international kaum sonstwo gibt. Doch auch über ihre eigenen Angebote hinaus setzt sich die AK an vielen Schalthebeln für die Interessen ihrer Mitglieder ein – zumindest bis vor Kurzem.
Ob Krankenversicherung, Nationalbank oder Pleitefonds: In zahlreichen Institutionen fallen Entscheidungen, die das Leben der ArbeitnehmerInnen betreffen. Die gescheiterte türkis-blaue Bundesregierung hat die AK aus vielen dieser Einrichtungen mit ihrer Expertise hinausgedrängt. Die Interessen der ArbeitnehmerInnen sind nun an etlichen Schlüsselstellen der Republik nicht mehr vertreten.
Gesundheit in falschen Händen
Unter dem Deckmantel einer Zusammenlegung hat die Regierung die ArbeitnehmerInnen in ihrer eigenen Krankenversicherung entmachtet. Gut 150.000 ArbeitgeberInnen haben dort nun gleich viele Stimmen wie die 3,8 Millionen ArbeitnehmerInnen plus Angehörigen – und im Dachverband sogar die Mehrheit.
Unter dem Deckmantel einer Zusammenlegung hat die Regierung die ArbeitnehmerInnen in ihrer eigenen Krankenversicherung entmachtet.
Welche Behandlungen und Medikamente bekommen die Versicherten? Gibt es Selbstbehalte? Wie viel Zeit können sich die ÄrztInnen für Untersuchungen nehmen? Diese Fragen sind für die Gesundheit der ArbeitnehmerInnen höchst relevant. Über die Antworten bestimmten ihre eigenen VertreterInnen bislang mit Zwei-Drittel-Mehrheit. Demokratisch gewählt wurden sie über die AK-Wahl. Nun stehen die Beschäftigten unter Kuratel der ArbeitgeberInnen. Diese sind selbst anderswo versichert. Ergo haben sie kein Eigeninteresse an guten Leistungen, sehr wohl aber daran, ihre Dienstgeberbeiträge zu senken und damit Leistungen zu reduzieren.
Passend dazu hat die Regierung auch einen Selbstbehalte-Paragrafen geschaffen. Diese können nun einfacher eingeführt werden als früher – etwa beim Arztbesuch, bei dem die Versicherten bislang nichts aus eigener Tasche bezahlen müssen. Dass ihre eigene Krankenkasse schon bald gegen ihren Willen Selbstbehalte verlangen könnte, dürfen sich die ArbeitnehmerInnen nicht gefallen lassen.
Geht ein Unternehmen pleite, ist das für die Beschäftigten oft eine existenzielle Gefahr. Sie verlieren ihren Arbeitsplatz und müssen um noch offene Ansprüche – etwa ausständige Löhne oder Gehälter – bangen. Dabei hilft ihnen der Insolvenzschutzverband für ArbeitnehmerInnen (ISA), der gemeinsam von AK und ÖGB geführt wird. Der ISA berät die Beschäftigten und fordert ihre Ansprüche beim Insolvenzentgeltsicherungsfonds, meist „Pleitefonds“ genannt, ein.
Der Pleitefonds wird von allen Unternehmen befüllt und springt ein, wenn ein Arbeitgeber zahlungsunfähig wird. Damit die Abwicklung möglichst reibungslos und rasch gelingt, saß bislang ein AK-Vertreter bzw. eine AK-Vertreterin im Aufsichtsrat des Pleitefonds. Die Regierung hat diese Vertretung nun von dort entfernt, während weiterhin gleich zwei UnternehmerInnen vertreten sind. Wichtige Entscheidungen über die Ansprüche von ArbeitnehmerInnen in Krisensituationen fallen künftig nun also ohne deren Mitsprache. Das ist ein Fehler, der schleunigst rückgängig gemacht werden muss.
Geldpolitik ohne Beschäftigte
Auch bei den großen wirtschaftspolitischen Fragen sollen die ArbeitnehmerInnen nichts mitzureden haben. Anders lässt sich nicht erklären, dass die bisherige Regierung den einzigen AK-Vertreter aus dem Generalrat der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) entfernt hat. Die dortigen Diskussionen über aktuelle volkswirtschaftliche Herausforderungen sind eine wichtige Entscheidungsgrundlage für den OeNB-Gouverneur, der in der Europäischen Zentralbank (EZB) die Geldpolitik im Euroraum mitbestimmt.
Die Geldpolitik der EZB und die Lohnpolitik der Gewerkschaften hängen eng zusammen.
Die Geldpolitik der EZB und die Lohnpolitik der Gewerkschaften hängen eng zusammen. Sie zu koordinieren ist beispielsweise wichtig, um die Inflation zu kontrollieren. Daran hatte die alte Regierung kein Interesse mehr. Große Unternehmen und Banken sind weiterhin im Generalrat vertreten, der Wirtschaftskammer-Präsident wurde sogar zum OeNB-Präsidenten gemacht. Dank der Neuwahl haben die ArbeitnehmerInnen nun die Chance, ihre Mitsprache zurückzufordern.
Perspektive nur auf Unternehmen
Ähnlich eingeschränkt war der Blick der alten Regierung auf das Zukunftsthema Digitalisierung. Sie interessierte sich nur für die Perspektive der Unternehmen. Das zeigte sich bei der Gründung einer neuen Digitalisierungsagentur. Diese soll die unterschiedlichen AkteurInnen im Bereich Digitalisierung vernetzen und die Regierung beraten. In den Beirat setzte die Koalition als stimmberechtigte Mitglieder ausschließlich UnternehmerInnen und WissenschafterInnen. Die AK, die große Expertise zur Frage aufgebaut hat, wie die Digitalisierung zum Wohl der ArbeitnehmerInnen gestaltet werden kann, wurde ignoriert.
Nun besteht die Gefahr, dass die Agentur die Regierung ausschließlich in eine Richtung berät: wie die Digitalisierung genützt werden kann, um zu rationalisieren und Arbeitsplätze einzusparen, nicht um Arbeitsbedingungen zu verbessern oder neue Möglichkeiten zur Mitbestimmung für die Beschäftigten zu schaffen.
All diese Angriffe dürfen sich die ArbeitnehmerInnen nicht bieten lassen. Wenn sie nicht wollen, dass ihre Interessen in der Republik unter die Räder kommen, müssen sie ihren Protest zeigen.
All diese Angriffe dürfen sich die ArbeitnehmerInnen nicht bieten lassen. Wenn sie nicht wollen, dass ihre Interessen in der Republik unter die Räder kommen, müssen sie ihren Protest zeigen. Mit dem Scheitern der Regierung besteht die Chance, den falschen Kurs der letzten eineinhalb Jahre zu korrigieren. Jede kommende Regierung wird sich daran messen lassen müssen, ob sie die Schieflage in der Republik und ihren Institutionen korrigiert. Die AK als Schutzschirm der Beschäftigten muss gestärkt und gehört statt attackiert und verdrängt werden.
Christop Klein und Valentin Schwarz
Direktor der AK-Wien und Mitarbeiter in der Direktion AK-Wien
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 5/19.
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