Prekäre Arbeit im Journalismus

Veronika Bohrn Mena kommentiert zu: „Schöne neue Arbeitswelt?“
Der Journalismus ist zwar ein beliebtes Berufsfeld, der Weg dahin für viele jedoch steinig. Gewerkschafterin und Autorin Veronika Bohrn Mena spricht im Interview über die Auswirkungen prekärer Arbeitsbedingungen im Journalismus – auf die Betroffenen, aber auch die breite Bevölkerung.

Selektives Bildungssystem in Österreich:

48 Prozent der Väter und 43 Prozent der Mütter von StudienanfängerInnen haben eine Hochschule absolviert.

Wenn man über prekäre Arbeit im Journalismus spricht, sind dabei zwei Komponenten zu berücksichtigen. Es beginnt damit, dass wir in Österreich ein sozial extrem selektives Bildungssystem haben: Vorwiegend studieren an Hochschulen und Universitäten jene Personen, deren Eltern selbst AkademikerInnen sind. Hinzu kommt im Journalismus, dass auch der Berufseinstieg sozial selektiv ist. Ohne eine entsprechende Anzahl an Praktika ist es schwer, einen Einstieg zu finden. Und diese Praktika sind in der Regel entweder schlecht oder im schlimmsten Fall gar nicht bezahlt: Das muss man sich erst einmal leisten können.

Jeder kann sich ausrechnen, dass es viel leichter ist, wenn man Eltern hat, die einem das Studium finanzieren und einem die Möglichkeit geben, sich diesen Luxus unbezahlter Arbeit leisten zu können.

Kollektivvertragliches Honorar für freie JournalistInnen:

113,19 Euro pro DIN-A4-Seite mit in etwa 6.300 Anschlägen

Nach der Praktikumsphase steigen die wenigsten mit einem unbefristeten Vollzeitjob ein. Viele beginnen als AspirantIn, die Einstiegsgehälter sind trotz Studium und Berufserfahrung als PraktikantIn nicht die höchsten, und oft erfolgt der Einstieg überhaupt nur als freie/r JournalistIn. Wenn man bedenkt, wie viel Arbeit als freie/r JournalistIn in einem einseitigen Artikel steckt, wie viel Recherche, Informationseinholung und Interviews dafür nötig sind, ist das kollektivvertragliche Honorar mehr als nur knapp bemessen.

Prekäre Arbeitsbedingungen betreffen jedoch nicht nur diejenigen, die darunter leiden müssen. Die Auswirkungen sind mitunter viel dramatischer, als das auf den ersten Blick ersichtlich ist. Denn durch das selektive Bildungssystem und den selektiven Berufseinstieg im Journalismus ist die Gruppe jener, die dann als JournalistInnen arbeiten, ziemlich homogen. Sie haben einen sehr ähnlichen Blick auf die Welt, der geprägt ist von jenen Erfahrungen, die man gemacht oder eben nicht gemacht hat, und diese Perspektive entspricht oft nicht der der breiten Bevölkerung. Deswegen geht uns prekäre Arbeit alle etwas an.

Über den/die Autor:in

Veronika Bohrn Mena

Veronika Bohrn Mena ist Autorin des Buches „Die neue ArbeiterInnenklasse – Menschen in prekären Verhältnissen“ und beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit prekären Arbeitsverhältnissen, Segmentierungsprozessen und Veränderungen in der Arbeitswelt mitsamt ihren Auswirkungen. Sie ist ausgebildete Fotografin und hat Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien studiert. Seit 2013 arbeitet sie hauptberuflich in der Gewerkschaft GPA-djp in der Interessenvertretung als Expertin für atypische Beschäftigung. Sie war auch die Vorsitzende der Plattform Generation Praktikum und hat sich als Studentin in der ÖH Bundesvertretung engagiert.

Du brauchst einen Perspektivenwechsel?

Dann melde dich hier an und erhalte einmal wöchentlich aktuelle Beiträge zu Politik und Wirtschaft aus Sicht der Arbeitnehmer:innen.



Mit * markierte Felder sind Pflichtfelder. Mit dem Absenden dieses Formulars stimme ich der Verarbeitung meiner eingegebenen personenbezogenen Daten gemäß den Datenschutzbestimmungen zu.