Diese Konfrontation passiert aber nicht auf neutralem Boden, sondern in einer Gesellschaft, die Männer systematisch die besseren und wichtigeren Positionen zuweist – und Frauen abwertet. Kurz: im Patriarchat. Schließlich könnte der Witz auch genauso gut mit einem Mann im Fass erzählt werden. Das wird er aber nicht.
Das Wesen rechter Politik ist es zu spalten: „wir“ und die „anderen“.
Das Wesen rechter Politik ist es zu spalten: „wir“ und die „anderen“. „Wir“ steht dabei für gut, ehrlich, fleißig, anständig, während die „anderen“ eine dubiose Truppe darstellen, die je nach Zusammenhang irgendwo zwischen faul, minderbemittelt und schwer kriminell anzusiedeln ist. Unabhängig davon, wer diese anderen sind, ist fix: Man kann auf sie herabblicken und sich überlegen fühlen. Das funktioniert auch mit Männern und Frauen.
Feind im Bett
Es gibt aber einen großen Unterschied zu anderen beliebten Sündenböcken wie AsylwerberInnen, MuslimInnen oder Arbeitslosen. Dort funktioniert die Abspaltung oft trotz oder gerade wegen des fehlenden Kontakts. Wer den „anderen“ nie begegnet, kann seiner Fantasie freien Lauf lassen.
Zwischen Frauen und Männern funktioniert das anders. Sie leben häufig unter einem Dach zusammen. Wer hier Zwietracht säen möchte, muss es subtiler angehen. Schließlich ist der andere ganz nah und mutiert im Falle eines offenen Konflikts zum „Feind im eigenen Bett“.
Der Keim des erfolgreichen Spaltungsprojekts ist das „Andere“.
Der Keim des erfolgreichen Spaltungsprojekts ist aber auch hier das „Andere“. Positiver formuliert: der Unterschied. So steht es im Regierungsprogramm: „Die Verschiedenheit von Mann und Frau zu kennen und anzuerkennen, ist ein Bestandteil menschlichen Lebens.“ Dies wird dann auch bei den Frauen sogleich mit Erziehung, Pflege und Bildung verknüpft. Kinder und Fürsorge sind schließlich weibliche Domänen.
Und so folgt der Verschiedenheit sogleich eine Arbeits(zu)teilung. Man könnte auch von einer Arbeitsspaltung sprechen, schließlich wird davon ausgegangen, dass Männer für diese „Frauenarbeiten“ nicht zuständig sind. Die haben dafür männliche Dinge zu tun, die gerne mit Handwerk, Technik oder Kraft zu tun haben.
Eine der Folgen solcher Zuschreibungen zeigt sich später in der Berufswahl junger Menschen. Von über 130 Lehrberufen, in denen derzeit ausgebildet wird, ist nur in 30 die Verteilung zwischen den Geschlechtern halbwegs ausgewogen. Die restlichen 100 sind stark segregiert. Was das heißt? Der Duden weiß es: getrennt, abgesondert, abgespalten. Nämlich die Mädchen von den Burschen und umgekehrt.
Es liegt nahe, dass nicht Neigungen, Fähigkeiten und Talente den Ausschlag für die Berufswahl geben, sondern vor allem Rollenklischees.
Es liegt also nahe, dass nicht Neigungen, Fähigkeiten und Talente den Ausschlag für die Berufswahl geben, sondern vor allem Rollenklischees. Das hilft niemandem. Weder den jungen Menschen, die nicht den Beruf erlernen, in dem sie gut sind und den sie gerne machen; und ganz sicher nicht den Unternehmen, die oft nicht die motiviertesten und besten Lehrlinge bekommen, sondern solche, für die die Lehrstelle nur zweite Wahl ist.
Arbeitsteilzeit
Diese einzementierte Arbeitsteilung führt zu einer extremen Schieflage bei der bezahlten Arbeitszeit. Da Frauen für Haushalt und Kinder zuständig sind, verwundert es nicht, dass sich neben diesen Aufgaben keine Vollzeit-Erwerbstätigkeit ausgeht. Folgerichtig haben drei Viertel der Mütter mit Kindern unter 15 Jahren nur einen Teilzeitjob mit einem dementsprechenden Gehalt. Das ist oft nicht freiwillig. Nur vier von zehn Kindern haben einen Kindergartenplatz, der den Eltern Vollzeitarbeit ermöglicht, bei den Kleinkindern sind es noch weniger. Die Situation zwingt Eltern dazu, die Arbeit aufzuteilen. In der Regel heißt das: Frauen legen den Fokus auf die Familie, Männer auf den Arbeitsplatz, wo ihnen nunmehr bis zu 60 Stunden in der Woche zugemutet werden. Wirksame Politik, wenn es darum geht, in traditionelle Geschlechterrollen aufzuspalten …
Die Situation zwingt Eltern dazu, die Arbeit aufzuteilen: Frauen legen den Fokus auf die Familie, Männer auf den Arbeitsplatz. Wirksame Politik, wenn es darum geht, in traditionelle Geschlechterrollen aufzuspalten.
Die Politik des Sozialministeriums zeigt, dass das durchaus gewollt ist. So wurde neuerdings die Förderung von Teilzeit in den arbeitsmarktpolitischen Zielen verankert. Zudem wurde die Vorgabe gestrichen, dass 50 Prozent der Mittel für Qualifizierung und Unterstützung von arbeitsuchenden Frauen zur Verfügung stehen müssen. Gleichzeitig wird zwar viel vom „Papamonat“ geredet, im Gegensatz zur 60-Stunden-Woche lässt hier die Umsetzung aber auf sich warten. Kurz: Alles, was Frauen und Männer in eine klassische Arbeitsteilung drängt, wird sofort umgesetzt. Bei Maßnahmen, die die partnerschaftliche Teilung unterstützen würden, bleibt es bei hohlen Phrasen.
Haupt-Trennstoff
Aber es wird nicht nur zwischen Frauen und Männern gespalten. Auch zwischen unterschiedliche Frauengruppen wird fröhlich ein Keil hineingetrieben. Besonders gut geht das entlang einer Bruchlinie, die von der Regierung grundsätzlich gerne bemüht wird: jener zwischen „uns“ und den „AusländerInnen“.
Geht es in Diskussionen um Migrantinnen mit kleinem i, ist das Kopftuch nicht weit. Auch wenn ein Großteil der Zuwanderinnen weder Kopftuch trägt noch muslimisch ist: An diesem Stück Stoff entzünden sich seit Jahren heftige Diskussionen. Feministinnen streiten mit Machos oder auch untereinander, Konservative mit Progressiven, Frauen mit Männern oder mit anderen Frauen. Fest steht, dass das Thema aufregt. Gut sichtbar und scheinbar banal, hat jeder und jede eine Meinung dazu.
Von der Regierung wird das laufend befeuert. Zuerst ging es um ein Kopftuchverbot im Kindergarten, dann in den Schulen. Jetzt ist im neuen Grundsatzerlass des Bildungsministeriums zur Geschlechterpädagogik dem Kopftuch gleich ein eigener Abschnitt gewidmet.
Man könnte zu Recht die Frage stellen, wie viele Probleme die An- oder Abwesenheit einer Kopfbedeckung tatsächlich verursacht – aber um Sachlichkeit geht es ja eben nicht.
Man könnte zu Recht die Frage stellen, wie viele Probleme die An- oder Abwesenheit einer Kopfbedeckung tatsächlich verursacht – aber um Sachlichkeit geht es ja eben nicht. Es geht darum, das Kopftuch zum Symbol des Anderen hochzustilisieren. Gewissermaßen zu einem am Haupt getragenen Trennstoff. Mit Erfolg: In den Medien liegt das Kopftuch bei den Frauenthemen mit großem Vorsprung auf Platz eins. Obwohl deutlich relevanter für das Leben der Frauen, erhalten Bereiche wie Lohngerechtigkeit oder Arbeitsmarkt wesentlich weniger Aufmerksamkeit, wie die Jahresstudie 2017 zu „frauen politik medien“ der Agentur media affairs zeigt. So wird Spaltungspolitik auf den Köpfen der Frauen und über ihre Köpfe hinweg betrieben.
Schlechteres Leben
Das Kopftuch ist auch nützlich, um den Mythos zu pflegen, dass Frauendiskriminierung eine Importware aus dem „rückständigen Ausland“ sei. Hierzulande nämlich sei alles in Butter. Dabei sitzt eine Partei in der Bundesregierung, die gerne vom „Gender-Wahn“ spricht, und manche FunktionärInnen finden, dass Frauenhäuser Ehen zerstören. Auch beim Gender Pay Gap ist Österreich im Europa-Vergleich noch immer hundsmiserabel schlecht.
Beim Gender Pay Gap ist Österreich im Europa-Vergleich noch immer hundsmiserabel schlecht.
Stattdessen wird Öl ins Spaltungsfeuer gegossen. Das ist tragisch, denn so wird das Leben für die meisten Menschen schlechter. Für Frauen, die aus dem Arbeitsmarkt gedrängt werden und die die Folgen mit schlechten Einkommen und niedrigen Alterspensionen tragen müssen. Für Männer, die nur als Arbeitsmaschine funktionieren sollen und nicht Partner, Väter oder einfach Menschen sein dürfen. Und am schwierigsten wird es für jene Menschen, die sich hier ein Leben aufgebaut haben und ständig als brutale Patriarchen (Männer) oder hilflose Unterdrückte (Frauen) dargestellt werden.
Es würde das Leben für uns alle leichter machen, wenn wir es nicht gegen-, sondern miteinander führen würden – oder einfach nach dem Prinzip „Leben und leben lassen“. Wir sollten uns nicht für eine Politik einspannen lassen, die an die niedrigsten Instinkte appelliert, sondern uns einfach gegenseitig gut behandeln. Und uns vielleicht sogar miteinander dafür einsetzen, dass ein gutes Leben mit fairen Chancen für alle Menschen möglich ist. In diesem Sinne: Geschlechter aller Länder, vereinigt euch!
Sybille Pirklbauer
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 4/19.
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