Was hier als Witz erzählt wird, ist für Beschäftigte im Hotel- und Gastgewerbe bitterer Arbeitsalltag: Überstunden. Und das – besonders in der Hauptsaison – jeden Tag, denn in der Gastronomie gibt es kein „Heute wegen gestern geschlossen“ und Überstunden wurden schon vor Jahrzehnten von der Ausnahme zur Regel.
Canan Aytekin ist Leiterin der Fachbereiche der Gewerkschaft vida. In ihren Aufgabenbereich fällt auch die Betreuung von Beschäftigten im Tourismus. „Die Tourismusbranche trifft das neue Arbeitszeitrecht besonders hart“, so Aytekin. „Und das, obwohl die Arbeitsbedingungen auch bisher schon alles andere als ideal waren.“ Aus mehreren Umfragen, so auch der Sonderauswertung des Arbeitsklima Index Tourismus 2017 im Auftrag der AK-Wien, geht hervor: Beschäftigte der Branche bemängeln ihr zufolge vor allem das niedrige Einkommen (derzeit liegt der Mindestlohn bei 1.500 Euro brutto), den hohen Druck und die Arbeitsbelastung, lange und unplanbare Arbeitszeiten sowie die schlechte Vereinbarkeit mit dem Privatleben.
Was ändert sich durch das neue Arbeitszeitrecht?
Was ändert sich für das Hotel- und Gastgewerbe durch die Flexibilisierungen im Arbeitszeitgesetz?
- Die höchstzulässige tägliche bzw. wöchentliche Arbeitszeit wird auf 12 bzw. 60 Stunden ausgeweitet.
- Die Verkürzung von Ruhezeiten bei geteilten Diensten ist nicht mehr auf Saisonbetriebe beschränkt.
- Überstunden müssen nicht mehr gleich ausbezahlt werden.
Mit der Einführung des neuen Arbeitszeitgesetzes verschärft sich diese Situation noch zusätzlich. Nicht nur, dass die gesetzlich zugelassene Höchstarbeitszeit auf zwölf Stunden täglich bzw. 60 Stunden wöchentlich ausgedehnt wird, was unterm Strich noch mehr Überstunden bedeutet. Darüber hinaus müssen Überstunden durch die mehrmalig mögliche Übertragung von Zeitsalden in den nächsten Durchrechnungszeitrum auch nicht mehr gleich ausbezahlt werden. Aytekin sieht dies besonders kritisch: Für viele Beschäftigte im Tourismus ist der einzige Anreiz für die Überstundenerbringung deren finanzielle Abgeltung. Und genau dieser Anreiz geht verloren, wenn „bei einem mehrmaligen Übertrag in vielen Fällen die finanzielle Abgeltung wegfällt“, so Aytekin.
Eine weitere Verschlechterung ergibt sich durch die Verkürzung der Ruhezeiten. Diese betrugen laut Kollektivvertrag für ArbeiterInnen im Hotel- und Gastgewerbe bisher 11 Stunden (oder im Ausnahmefall 10 Stunden). Eine zusätzliche Verkürzung auf 8 Stunden Ruhezeit war zwar bisher laut Kollektivvertrag möglich, „jedoch mit der Einschränkung auf Saisonbetriebe, Vollzeitbeschäftigung und nur unter bestimmten Auflagen“, wie Aytekin betont. Diese Bedingungen fallen durch das neue Ruhezeitgesetz weg, sodass die achtstündige Ruhezeit bei geteilten Diensten zur Regel werden kann. Wenn also ein Koch für den Frühstücksdienst eingesetzt wird, dann mindestens drei Stunden Pause hat, ehe er für das Abendessen wieder den Dienst antritt, muss die ununterbrochene Ruhezeit, die zwischen seinen Arbeitstagen liegen, nur jeweils acht Stunden betragen.
Wie wirkt sich das auf die Beschäftigten aus?
Für die Arbeitsrechtsexpertin Canan Aytekin stellt sich im Besonderen eine Frage: „Wie soll man in acht Stunden Ruhezeit und bei geteilten Diensten noch ein Privatleben pflegen?“ In vielen Fällen kommen zu den ohnehin schon langen Arbeitszeiten auch noch lange Arbeitswege hinzu – bei geteilten Diensten sogar täglich zweimal hin und zweimal retour. Die Konsequenzen sind verheerend. Eine ausgewogene Work-Life-Balance wird in der Tourismusbranche zum utopischen Wunschdenken. Denn für die Beschäftigten bedeutet das „noch weniger Planbarkeit von Freizeit, noch weniger Schlaf, noch weniger Privatleben, noch mehr Belastung und erhöhte Unfall- und Erkrankungsgefahr“, so Aytekin.
Wie soll man in acht Stunden Ruhezeit und bei geteilten Diensten noch ein Privatleben pflegen?
Canan Aytekin, vida Arbeitsrechtsexpertin
Ganz klar, dass sich das im nächsten Schritt auch negativ auf die gesamte Branche auswirkt. Denn eines lässt sich für Aytekin nicht bestreiten: „Die Unzufriedenheit bei den Beschäftigten wird noch weiter ansteigen.“ Schlechte Arbeitsbedingungen erhöhen die Fluktuation, bis „langfristig die Branche ihre Attraktivität als Arbeitgeber endgültig verliert“. Und dann?