Der Druck steigt
Wenn aus dem Handel bekannt wird, dass einzelne Betriebe bereits von ihren MitarbeiterInnen massive Mehrarbeit verlangen und diese MitarbeiterInnen so Angst um ihren Arbeitsplatz haben, dass sie anonym bleiben und auch ihre ArbeitgeberInnen nicht preisgeben wollen, wird klar, dass ArbeitnehmerInnen hier das Nachsehen haben. Genau deshalb hat die Regierung auch die bisherige Usance, solche massiven Veränderungen der Arbeitswelt sozialpartnerschaftlich zu verhandeln, einfach vom Tisch gewischt. Deshalb haben die Regierungsparteien das Gesetz als Initiativantrag im Parlament eingebracht, was eine Begutachtung nicht nötig machte. Einseitig wurden hier ausschließlich die Interessen der Wirtschaft bedient.
Seit dem Sommer laufen BetriebsrätInnen und GewerkschafterInnen nun, um das Schlimmste abzufedern. 100.000 Menschen kamen Ende Juni zu der Demonstration gegen 12-Stunden-Tag und 60-Stunden-Woche, zu welcher der ÖGB aufgerufen hatte. Ein starkes Zeichen, das zeigte, dass ArbeitnehmerInnen nicht so mit sich umspringen lassen wollen. Ja, gebetsmühlenartig wiederholen die VertreterInnen von FPÖ und ÖVP, die Normarbeitszeit werde nicht angetastet und Mehrarbeit beruhe auf Freiwilligkeit.
Unfreiwillig freiwillig
Wie freiwillig ist es aber, noch eine neunte, zehnte, elfte Stunde am Arbeitsplatz zu bleiben, um sicher zu sein, auch im nächsten Monat noch Arbeit zu haben? Wie freiwillig ist es, selbst rechtzeitig vorangekündigt, 60 Stunden in einer Woche zu arbeiten, wenn man weiß, dass dann zu Hause in der Familie alles drunter und drüber geht? Wieviele solcher Wochen wird die Ehe überstehen, wieviele solcher Wochen spielen die Großeltern mit und kümmern sich um die Kinder? Wieviele solcher Wochen steht der bzw. die ArbeitnehmerIn ohne gesundheitliche Probleme durch?
Die Regierung hat Fakten geschaffen, die unser aller Leben nachhaltig beeinflussen werden. Errungenschaften aus Jahrzehnte langem Kampf von ArbeitnehmervertreterInnen wurden mit einer Handbewegung vom Tisch gewischt. Gewerkschaften und BetriebsrätInnen versuchen nun, das Schlimmste zu verhindern. Die Hoffnung, dass eine künftige Regierung die nun geltende Arbeitszeitregelung wieder zurücknimmt, ist aber leider gering. Eine Mehrheit von Parteien, welche die Arbeitszeitflexibilisierung in der nun vorliegenden Form ablehnen, ist nicht absehbar. Zudem wird die Wirtschaft Zeter und Mordio schreien, wenn der Rahmen, ArbeitnehmerInnen im Betrieb einzusetzen, wieder enger gestaltet wird. Das wäre ein Standortnachteil, würde dann argumentiert, und das werde der Wirtschaft schaden.
Regierungspolitik im Dienste der Wirtschaftstreibenden
Die Regierung hat Fakten geschaffen und dabei die Interessen vieler Menschen – 2017 gab es in Österreich 3,6 Millionen unselbständig Beschäftigte – hintangestellt. ÖVP und FPÖ suggerierten dabei, dass die Arbeitszeitflexibilisierung auch im Interesse der ArbeitnehmerInnen ist. Dass die Entscheidung, wann gearbeitet werden muss, mehrheitlich bei den ArbeitgeberInnen liegt, zeigte bereits bisher die Dienstplanerstellung in vielen Betrieben. Und Gleitzeitvereinbarungen dienten bereits bisher dazu, Spitzen im Sinn des Betriebs abzufedern. Politik für die Menschen zu machen, damit wirbt vor allem die FPÖ immer wieder. Am Ende ist vor allem Politik für die Wirtschaft sichtbar.