Das neue Arbeitszeitgesetz eröffnet Unternehmen vielfältige Möglichkeiten, einerseits über die Zeit ihrer MitarbeiterInnen zu verfügen, andererseits weniger für die erbrachte Arbeit zu zahlen. Wenn Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) daher von einer „Beziehung auf Augenhöhe“ zwischen ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen spricht, und meint „Ich gebe ganz klar den Auftrag an die Unternehmen, das nicht auszunutzen“, dann beruhigt das nicht, sondern eröffnet ganz im Gegenteil viele Fragen.
Gesetz wider besseren Wissens
Warum peitscht die Regierung wider besseren Wissens ein Gesetz durch den parlamentarischen Beschlussfassungsprozess? ExpertInnen legten im Vorfeld dar, was von dieser üppig ausgefallenen Arbeitszeitflexibilisierung zu halten ist. ArbeitnehmervertreterInnen warnten. Wer den 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche ermöglicht, der ordnet die Bedürfnisse, aber auch das Wohlergehen des bzw. der Einzelnen völlig den Interessen der Wirtschaft unter.
Sieht man sich die erfreuten Reaktionen in Unternehmen, vor allem aber von Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer an, war aber eben genau das auch das Ziel. Ja, es gibt natürlich Betriebe, die mit den Möglichkeiten, die hier geschaffen wurden, sensibel umgehen, die in Betriebsvereinbarungen einen Rahmen schaffen, der auch noch ein bisschen die Situation der MitarbeiterInnen im Blick hat. Aber viele werden das nicht tun. Und viele werden das mit dem Argument nicht tun, dass ein solches Vorgehen einem Konkurrenten einen Startvorteil brächte, der das neue Arbeitszeit voll ausschöpft. So setzt sich binnen kurzer Zeit eine Abwärtsspirale in Gang.
Betriebe warten Kollektivvertragsverhandlungen ab
Noch hält sich das Gros der Betriebe aufgrund der nun startenden Kollektivvertragsverhandlungen damit zurück, das, was seit September per Gesetz möglich ist, mit aller Kraft im Unternehmen durchzusetzen. Langsam rollen aber auch die rechtlichen Schulungen der Personalabteilungen an. Mit 2019 könnte sich daher in vielen Unternehmen einiges ändern.
Die Auswirkungen sind dabei aufgrund ihrer Komplexität noch gar nicht absehbar. Was bedeutet es für Menschen mit Betreuungspflichten, ständig Angst zu haben, doch länger arbeiten zu müssen und nicht zu wissen, wie sie dann kurzfristig jemanden organisieren, der das Kind aus dem Kindergarten abholt? Vielleicht tritt dieser Fall im Arbeitsalltag nur alle vier Wochen ein. Aber was macht das mit Menschen, zu wissen, dass nichts mehr sicher ist und jederzeit das eigene Zeitmanagement auf den Kopf gestellt werden kann? Was bedeutet es für eine Gesellschaft, wenn ehrenamtliches Engagement zurückgefahren werden muss, weil die Erwerbsarbeit immer Vorrang hat? Wie geht es Kindern, die spüren, wie ihre Eltern immer stärker unter Druck geraten?