1954- 1963: Das „Wirtschaftswunder Österreich“
Der Wiederaufbau Österreichs verlief nach Ende des Zweiten Weltkriegs anders als nach dem Ende des Ersten Weltkriegs erstaunlich rasch. Wesentlichen Beitrag zum wirtschaftlichen Aufbau leistete die österreichische Sozialpartnerschaft. Am 1. Februar 1959 trat der Generalkollektivvertrag über die 45-Stunden-Woche in Kraft, der eine Vereinheitlichung der Arbeitszeitregelungen brachte. Die im Nachkriegsösterreich geschlossenen Preis- und Lohnabkommen wurden 1952 beendet. An ihre Stelle trat die 1957 gegründete Paritätische Kommission für Preis- und Lohnfragen, blieb doch die Lohnsteigerung der österreichischen Arbeitnehmer:innen von 1953 bis 1962 hinter dem Wirtschaftswachstum zurück. Dieses Wachstum wurde 1962 durch die erste Konjunkturabschwächung unterbrochen, lebte später aber wieder auf. Sozialpolitisches Highlight war das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG), das nach jahrelangen Drängen von ÖGB und AK erreicht werden konnte. Österreich entwickelte sich zu einem Industriestandort mit neuen Herausforderungen.
Metallarbeiter:innenstreik
200.000 Beschäftigte der Metallindustrie und des Metallgewerbes forderten 1962 Ist-Lohnerhöhungen und arbeitsrechtliche Verbesserungen. Am 10. Mai kam es zur Einigung und Abschluss eines neuen Vertrags für das Metallgewerbe, am 12. Mai für die Metallindustrie. Neben Ist-Lohnerhöhungen, konnten arbeitsrechtliche Verbesserungen erreicht und die sogenannten Frauenlohngruppen abgeschafft werden.
Das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG) 1955/1956
Zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gelang den Arbeitnehmer:innenvertretungen endlich die Kodifikation des ASVG, also die Zusammenfassung in einem leicht überblickbaren Arbeitsgesetzbuch, was verschiedene Verbesserungen brachte. In den folgenden Jahren wurden eine Vielzahl von ASVG-Novellen beschlossen, doch das ASVG blieb die Grundlage für den österreichischen Sozialstaat.
Redakteur:innen dieser Zeit
Maria Szécsi (1914-1984) musste als junge Frau vor den Nazis in die USA flüchten. Nach ihrer Rückkehr nach Österreich wurde sie Expertin der wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung in der AK Wien und war als Redakteurin für die Arbeit&Wirtschaft tätig. Sie war als erste Frau von der Arbeiterkammer nominiertes Mitglied des Beirats für Wirtschafts- und Sozialfragen, damals der 3. Unterausschuss der Paritätischen Kommission. Der Beirat erstellt Studien und Empfehlungen zu allgemeinen wirtschaftspolitischen Fragen.
Friedrich Hillegeist (1895-1973) war einer der Gestalter des ASVG und schrieb für die Arbeit&Wirtschaft. Der ÖGB-Vizepräsident und Präsident des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger leitete 1938 zunächst eine Delegation der illegalen Freien Gewerkschaftern, die mit der Schuschnigg-Regierung über den gemeinsamen Kampf gegen die Nazis verhandelten. Von 1945 bis 1963 war er Vorsitzender Gewerkschaft der Angestellten in der Privatwirtschaft (später Gewerkschaft der Privatangestellten/GPA).