Teamentscheidungen
Im Jahr 2015 hat das Meinungsforschungsinstitut IFES im Auftrag der Arbeiterkammer Wien eine repräsentative Befragung von 2.401 unselbstständig Beschäftigten und 500 Betriebsratsmitgliedern zur betrieblichen Mitbestimmung in Österreich durchgeführt. Dabei wurde auch der Arbeitsstil der BetriebsrätInnen in den Fokus gerückt. Demnach gaben 70 Prozent der Befragten an, dass Entscheidungen in Diskussionen des Betriebsratsgremiums getroffen werden. Nur drei Prozent meinten, der oder die Vorsitzende gebe allein die Richtung vor. Die viel zitierten „Betriebskaiser“ sind demnach auf dem Rückzug. Der Kollektivgedanke scheint nicht gänzlich verloren.
Dass die Betriebsratsarbeit immer noch eine männlich dominierte Bastion ist, ist laut dieser IFES-Umfrage vor allem dem Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie geschuldet. 57 Prozent der befragten Beschäftigten nannten als Hindernis für eine Kandidatur die Sorge vor zeitlicher Überlastung. Grundsätzlich weiß aber die Mehrheit der Beschäftigten, wie wichtig der Betriebsrat ist. Für 93 Prozent der befragten ArbeitnehmerInnen ist das Vorhandensein dieses Vertretungsorgans sehr wichtig (62 Prozent) oder wichtig (31 Prozent).
95 Prozent der ManagerInnen gaben demnach an, dass aus ihrer Sicht dem Betriebsrat vertraut werden kann. 92 Prozent bejahten, dass die Einbindung des Betriebsrats zu mehr Engagement der MitarbeiterInnen führe, und 86 Prozent meinten, dass der Betriebsrat helfe, die Arbeitsleistung im Betrieb zu verbessern. Studien aus Deutschland, die zeigen, dass Unternehmen mit Betriebsrat auch wirtschaftlich erfolgreicher sind als solche ohne, untermauern diese Befragungsergebnisse.
Politischer Gegenwind
Das steht allerdings dem politischen Diskurs entgegen, in dem, wie AK-Direktor Christoph Klein kritisiert, „Betriebsräte und die sie tragende Gewerkschaftsbewegung von neoliberalen Meinungsmachern gerne als altmodisch, rückschrittlich, Verhinderer und Betonierer – kurz als unzeitgemäß und überholt“ – dargestellt würden. Das scheint allerdings nie anders gewesen zu sein. Denn AK-Gründer Ferdinand Hanusch (1866–1923) sagte einst: „Es gab noch keine Zeit, in der über die sozialpolitischen Lasten nicht gejammert wurde. Nicht nur die Unternehmer, sondern auch die ganze bürgerliche Presse jammern, die Volkswirtschaft könne sich nicht wieder erheben, die sozialen Lasten erschlügen die Industrie. Auch die gegenwärtige Regierung hat sich diesen Standpunkt zu eigen gemacht, die Volkswirtschaft stehe auf der Kippe, noch ein kleines Quäntchen Belastung, und sie gehe dem Untergang entgegen.“
Es gab noch keine Zeit, in der über die sozialpolitischen Lasten nicht gejammert wurde.
Ferdinand Hanusch, AK-Gründer
Österreich nahm mit seinem Betriebsrätegesetz im internationalen Vergleich eine Vorreiterrolle in Sachen betrieblicher Mitbestimmung ein. „Die Unternehmer beugten sich damals aus Angst vor einem möglichen Nachvollziehen des Beispiels der im Frühjahr 1919 in Ungarn und München errichteten Räterepubliken schwerwiegenderen Eingriffen in ihre Herrenrechte, als dies bei späteren Betriebsrätegesetzen anderer Staaten, beispielsweise 1920 in Deutschland und 1921 in der Tschechoslowakei, der Fall war, schrieb Historiker Hautmann. Die Intention des Gesetzes hat sich bis heute nicht geändert. War die Funktionsperiode zunächst nur für ein Jahr vorgesehen, ist sie inzwischen allerdings – in Anlehnung an die Periode des Nationalrats – fünf Jahre lang.
In der Diktatur abgeschafft
Die Betriebsräte waren übrigens eine der Errungenschaften, die diktatorische Regimes in Österreich, Italien, Deutschland bald nach ihrer Machtübernahme außer Kraft setzten. In Österreich gab es zwischen 1934 und 1945 keine Betriebsräte. Diese Form der Mitbestimmung ist also nicht selbstverständlich, auch wenn es vielen heute so erscheint.
Am besten funktioniert die Betriebsratsarbeit, wenn sich nicht nur die einzelnen Betriebsratsmitglieder, sondern alle Beschäftigten einbringen.
Martin Müller, Leiter des Referats Rechts- und Kollektivvertragspolitik im ÖGB
Am besten funktioniert die Betriebsratsarbeit, wenn sich nicht nur die einzelnen Betriebsratsmitglieder, sondern alle Beschäftigten einbringen, ist Martin Müller überzeugt. „Wir müssen den Betriebsrat so begreifen, dass er nur handeln kann, wenn ich mich auch für das Kollektivinteresse einsetze und einbringe. Es ist nicht so, dass ich jemanden wähle, und der tut dann für mich. Ich muss mich auch selbst für die Gesamtinteressen einsetzen. Wenn sich dieses Bewusstsein wieder durchsetzt, führt das auch insgesamt zu einer Stärkung der Demokratie. Die Rätebewegung bedeutete die Selbstorganisation der Menschen. Das gilt es wieder zu begreifen.“
Alexia Weiss
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Arbeit&Wirtschaft 3/19.
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