Jammern ist gefährlich

Rund um Wahlen brodelt die Debatte um den Wirtschaftsstandort Österreich. Ist das Lamentieren bloße Wahlkampftaktik oder haben wir echte Probleme?

Standpunkt

Irene Steindl
Chefredaktion

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Er zählt zu seinen bekanntesten Sagern: „Österreich ist abgesandelt“, urteilte vor knapp zehn Jahren der damalige Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl und entfachte damit eine erzürnte Debatte um das Wohl des Wirtschaftsstandorts. Zehn Jahre nach dem Abgesandelt-Sager schlagen heute Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer in dieselbe Kerbe, wenn sie über erdrückend hohe Arbeitskosten fantasieren und den Standortniedergang herbeireden.

„Die Klage ist des Kaufmanns Gruß“, heißt es so schön und treffend im Volksmund, und dieses verbale Haareraufen ist vor Lohnrunden und Wahlen besonders verhaltensauffällig. Grund zur Sorge machen jedoch weniger Standortrankings – bei denen Österreich zwischen Spitzenfeld und Mittelfeld changiert – als dieser „unsägliche Pessimismus“ und „dass wir uns schlechter machen, als wir sind“, wie es Ökonom Marcel Fratzscher auf den Punkt bringt. Auch AK-Chefökonom Markus Marterbauer sieht wenig Grund zum Jammern: Die Industrieproduktion zieht an, die Stimmung für Investitionen steigt. Ein guter Standort zeichne sich durch stabile politische, rechtliche und soziale Rahmenbedingungen, verlässliche Infrastruktur und ein sehr gutes Angebot an qualifizierten Fachkräften aus. Und diese Faktoren seien in Österreich mehr als erfüllt.

In dieser Ausgabe wollten wir deshalb wissen: Wie steht’s wirklich um den Standort? Was sagen die Fakten? Ist es für Unternehmen noch attraktiv, in Österreich zu investieren und zu produzieren? Aber auch: Was macht einen Standort abseits der Industrie aus? Wo gibt es handfeste Probleme, und was müssen wir tun, um die Standortqualitäten zu halten?

Wenn es stimmt, dass Wirtschaft zur Hälfte Psychologie ist, dann ist das Standortgejammer brandgefährlich – denn Ängste sind einflussreich. Davor warnt in dieser Ausgabe auch Reinhold Binder, Chef der Produktionsgewerkschaft: „Der Todesgesang auf den österreichischen Industriestandort ist selbst schon Teil des Problems.“ Das Krisengerede verunsichert die Menschen, die weniger konsumieren und mehr sparen, aber auch Unternehmen und Investor:innen: „Wenn das Vertrauen nicht da ist, wird nicht investiert.“

Politische Stimmen sollten daher gut überlegen, ob sie die Klagelieder mitsummen. Den Standort permanent schlechtzureden könnte tatsächlich dazu führen, dass er am Sand ist.

In dieser Ausgabe:

  • Geliebt, gerühmt, beheimatet
    Ein Standort ist mehr als nur seine Wirtschaft. Es ist das Zusammenspiel vielfältigster, unterschiedlichster, sogar gegenläufiger Interessen. Ziel muss es sein, dass möglichst viele Menschen von diesem Balanceakt profitieren
  • Was stört Sie am Standortwettbewerb?
    Die große Frage beantwortet Nikolaus Kowall
  • Jammern macht nicht reich
    AK-Chefökonom Markus Marterbauer im großen Interview
  • Kassandras Klagen
    Allen Jammerliedern zum Trotz: Österreichs Industrie gehört zu den stärksten in Europa. Sie erzeugt jährlich rund ein Fünftel der gesamten österreichischen Wertschöpfung. Dennoch braucht es eine Renaissance echter Industriepolitik.
  • Die große Lüge
    Lohnnebenkosten zu kürzen wäre fatal für Beschäftigte
  • Die Ermutigung der Entmutigten
    Woher sollen wir bloß all die Fachkräfte bekommen?
  • Rechtsruck schadet Wirtschaft
    Interview mit Wirtschaftsforscher Tommy Krieger
  • Gut Ding braucht Feile
    Wiener Linien bilden Fachkräfte in Simmering aus
  • Alles, was ihr Volt!
    Bis 2030 will Österreich seinen Strom vollständig aus erneuerbaren Energien beziehen. Das tut nicht nur der Umwelt gut – Energiekosten sind entscheidend für den Erhalt von Industrien, Wertschöpfung und Arbeitsplätzen im Land
  • Die Zukunft bahnt sich an
    Wie Österreich mehr auf Schiene kommt
  • Standortfaktor Sozialstaat
    Historie: Sozialstaat als Plus für die Wirtschaft
  • Kopf hoch und Lösungen finden!
    Das letzte Wort hat Christa Schlager
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